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# taz.de -- Breakdance-Battle in Uelzen: Bitte ausrasten!
> Auch in der Lüneburger Heide gibt es eine Breaking-Szene. Unterwegs bei
> der Heidemeisterschaft im Breaking mit Tänzerin Swantje alias „Sleek“.
Bild: „Alltagsemotionen loswerden“: Swantje „Sleek“ Joswig tanzt Breaki…
Uelzen taz | Aus der Turnhalle in Uelzen dringt Schlagzeug-Musik, als
Swantje Joswig ankommt. Drinnen riecht es nach frischer Sprühfarbe. Auf
eine fast drei Meter hohe Holzplatte ist in feurigem Rot-Orange auf
violettem Grund „Heide Battle Breaking 24“ gesprüht. Kinder mit
Schallschutzkopfhörern üben Kopfstand auf Matten, die um die Tanzfläche
gelegt sind. Die Beats kommen von zwei DJ-Pulten. Eine Handvoll Männer üben
abwechselnd ihre Tricks und verdienen sich damit kurzen, anerkennenden
Applaus der umstehenden Tänzer.
Swantjes glatter, blonder Zopf reicht bis zu den Ellenbogen. Ihm verdankt
sie den Künstlerinnennamen „Sleek“. Seit 2011 tanzt die 28-Jährige
Breaking, um „Alltagsemotionen loszuwerden“ und kreativ zu sein. „Andere
fragen immer direkt: ‚Kannst du dich denn auf dem Kopf drehen?‘“, sagt sie
und grinst. So ähnlich habe sie das auch ihren Großeltern erklärt. „Das
kann ich nicht. Aber [1][das andere, was die tanzen].“
Breaking entwickelten vorwiegend afroamerikanische Menschen auf den Straßen
New Yorks in den 1970er-Jahren. Der Tanz ist [2][eines der vier Elemente
des Hip-Hop], neben Graffiti, Rap und DJing. In den 1980er-Jahren
verbreitete sich die Hip-Hop-Kultur in Europa. In der Kleinstadt Uelzen
etablierte sich Breaking Ende der 2000er-Jahre. Die prägende Dizwon-Crew
zählt fast 25 Tänzer*innen. Sie gibt vor Ort Kurse und veranstaltet
Wettbewerbe wie diese.
Für Swantje Joswig ist die Heidemeisterschaft „wie ein kleines
Klassentreffen, weil viele alte Crewmitglieder kommen“. Für die
Krankenpflegerin [3][bedeutet das Battle Gemeinschaft]. Als Vorbereitung
habe sie an ihrer Musikalität gearbeitet. „Ich habe mehr hingehört, wie die
Musik aufgebaut ist und probiert, mit welchen Bewegungen ich die Musik mehr
betone.“ Für den Wettkampf hat sich Swantje drei Ziele gesetzt: lockerer
sein als bei anderen Wettkämpfen. Die Vorrunde überstehen. Einen bestimmten
Move einbauen.
## Respektvoller Wettkampf
Kurz nach 18 Uhr fährt die Musik ein paar Dezibel herunter. Die Sporthalle
ist mit etwa 100 Personen gefüllt, darunter Eltern, Partnerinnen und
Freunde. Moderator und Hauptorganisator Dominic „Shoki“ Nass ergreift das
Mikrofon: „Gebt den Tänzern Energie, Leute. Wenn ihr was seht, das ihr
nicht könnt, rastet bitte völlig aus“, ruft er. Die Kinder beginnen mit
ihrer Vorrunde. Vier- bis 13-Jährige tanzen einzeln ein paar Schritte auf
der Tanzfläche, bis sie sich wieder an den Rand setzen oder zu den Eltern
auf den Schoß flitzen.
Einer der DJs lässt digital eine Heidschnucke blöken und spielt dann die
Musik für die Älteren an. Durch eine Atemübung mit einem befreundeten
Tänzer hat sich Swantje etwas ruhiger gestimmt. Erstes Ziel erreicht. Dann
geht es los. Sie fängt im Stehen an, lässt sich auf den Boden herunter. Am
Schluss eine flüchtige Pose. Ihre Art wie ihr Stil sind ruhig und
geschmeidig. „Grazil“, wird ihre Mutter Marion Joswig später sagen.
Während das Publikum mal grölend anfeuert, mal rhythmisch klatscht, liefern
die Tänzer*innen auf der Bühne ihre Show. Die meisten sind männlich.
Männern falle es durch ihre Kraft leichter, ins Breaking zu kommen, sagt
Swantje. Dominic Nass meint dazu: „Frauen müssen mehr Ehrgeiz mitbringen,
aber sie können alle Tricks lernen.“ Beide finden das Battle fair. Neben
Kraftelementen werden unter anderem Musikalität, Kreativität, Originalität
und Schwierigkeitslevel bewertet.
Warum braucht es überhaupt Wettkampf? „Hip-Hop heißt vor allem,
zusammenzukommen“, sagt Dominic Nass. „Um zu sehen, wo man steht, braucht
es Wettkampfkultur, aber mit Respekt.“ Wenn jedoch wie zuletzt bei der
Qualifikation für die [4][Olympia-Premiere in Paris] hohe Kosten privat
aufzubringen seien, sei es eine Frage des Privilegs, anzutreten, und nicht
des Könnens, kritisiert Nass.
## Eine Bezahlung ist nicht drin
Der Eintritt und die Teilnahme an der Heidemeisterschaft, die unter anderem
der Turnverein und das Jugendzentrum unterstützt, sind gratis. Ein Sponsor
trägt die Fahrtkosten der Richter, eine Bezahlung ist nicht drin. Wer in
der Lüneburger Heide wohnt, darf mitmachen.
Die Vorrunde sollte die 16 besten Tänzer*innen herausfiltern. Doch es
gab nur 16 Anmeldungen – also ist die Vorrunde automatisch geschafft.
Zweites Ziel erreicht. Während der Moderation knetet Swantje ihre Lippen
und schaut ins Leere.
Schon als Zweite ist sie dran. Eins gegen eins, Sleek gegen Styopa. Beide
lassen die Musik des DJs auf sich wirken. Dann fängt Swantje „Sleek“ an.
Kurz darauf die Antwort ihres Gegners, der im einhändigen Handstand hüpft.
Die Entscheidung ist knapp: Zwei Richter sind unentschieden, einer stimmt
für Styopa, zwei für Sleek. Mit einem Lachen umarmen sich beide und machen
die Tanzfläche frei.
Die Tänzer*innen schwitzen. Die Hallenluft wird immer stickiger. Noch
einmal die Schultern lockern, dann tritt Swantje Joswig zum zweiten Battle
an. Ihren neuen Move hat sie sich bis hierhin aufgehoben. Er läuft nicht
perfekt, aber: drittes Ziel erreicht. Ihr Gegner Aminou bekommt vier
Richterstimmen und wird später am Abend Zweiter.
Swantje verlässt den Wettkampf zufrieden und mit frischer Inspiration: Sie
möchte an Pausen im Tanz arbeiten, damit weniger Details verloren gehen.
Vielleicht steckt sie sich fürs nächste Mal dann neue Ziele.
31 Aug 2024
## LINKS
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[4] /Breakdance-bei-Olympia/!6022283
## AUTOREN
Luisa Gohlke
## TAGS
HipHop
Wettkampf
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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