# taz.de -- Cannabis-Legalisierung: Kiffen ist auch Hexerei | |
> Die Gründerinnen des Cannabisclubs „Green Witch“ wollen nicht nur einen | |
> „Safe Space“ für Flinta schaffen, sondern queerfeministisch aktiv werden. | |
Bild: Wollen im weiten Feld „zwischen Hexenkunst und Transfeminismus“ aktiv… | |
Berlin taz | Dass Gelegenheitskiffer, die sich legal ein wenig Gras für | |
einen Feierabendjoint besorgen möchte, erst einem Verein beitreten müssen, | |
sei mal wieder typisch deutsch. So lautet einer der Kritikpunkte an den | |
Plänen der Bundesregierung zur Teillegalisierung von Cannabis. Dass diese | |
Vereine mit ihren Vorstandsvorsitzenden, Sitzungsprotokollen und all dem | |
anderen öden Zeug andererseits ungeahntes Potential für die Schaffung und | |
Vernetzung politischer und gar subversiver Strukturen in sich tragen | |
können, das beweisen die Gründerinnen des Themen-Cannabisclubs „Green | |
Witch“ in Berlin, dem ersten in Deutschland, der sich speziell an Flintas | |
richtet. In diesem Verein sollen Antisexismus, Queeraktivismus und die | |
geheimnisvolle Wirkung des grünen Krauts zusammengedacht werden. Er wurde | |
auch nicht von Deutschen, sondern von Italienerinnen gegründet, die seit | |
ein paar Jahren in Berlin leben. | |
Man trifft sich mit zwei der „grünen Hexen“ – Alex und Alice – in einem | |
Park in Mitte. Beide wollen nur mit ihren Vornamen in der Zeitung | |
auftauchen. Alice aus Turin arbeitet in einer Kita und möchte nicht, dass | |
bestimmte Eltern künftig vor allem die Kifferin in ihr sehen. Und Alex aus | |
Rom arbeitet zwar in der Clubszene als DJ und Veranstalterin, wo man mit | |
dem Konsum bestimmter Substanzen nicht so viel Aufsehen erregen sollte. | |
Aber auch sie möchte lieber nicht als Cannabis-Aktivistin mit ihrem vollen | |
Namen in den Medien auftauchen. | |
Die beiden finden, ein Club wie der ihre, der ein „Safe Space“ für Flintas | |
und Queers sein soll, wie Alex betont, sei absolut notwendig. „Die | |
Cannabis-Szene ist total sexistisch“, sagt Alex und vergleicht sie mit der | |
Clubszene, mit der sie beruflich zu tun hat, und in der etwa weibliche DJs | |
immer noch darum kämpfen müssen, dieselbe Anerkennung wie Männer zu | |
bekommen. Alice sagt, das Stereotyp eines Kiffers sei zudem immer noch „ein | |
cooler Typ mit einem Joint in der Hand.“ | |
## Auch Frauen können Hanfgrow | |
Tatsächlich: Die großen Kiffer-Ikonen von Bob Marley bis hin zu Willie | |
Nelson sind allesamt Männer. Alice berichtet zudem, Männer seien immer | |
wieder erstaunt, wenn sie ihnen erzähle, sie sei Hanfgrowerin und habe | |
riesige Pflanzen auf dem Balkon stehen. Als würde man es ihr als Frau nicht | |
zutrauen, sich die ganzen Anbautricks anzueignen, um eine ordentliche Ernte | |
einzufahren. „Das ist ein wenig so wie in der Musikszene, wenn man als Frau | |
sagt, man lege mit Vinyl auf“, ergänzt Alex. | |
Die beiden wollen aber viel mehr als nur einen Club, in dem sich Flintas | |
ihren Stoff abholen können, ohne sich dabei ein paar Machosprüche | |
einzufangen. „Wir wollen Flinta-Aktivismus in die Cannabis-Szene bringen“, | |
erklärt Alex. Und erklärt weiter, dass man dezidiert nicht nur Cannabis wie | |
in einem Coffee-Shop abgeben möchte. Vielmehr sei der soziale Aspekt bei | |
ihrem Verein am wichtigsten. Bislang habe der Club 50 Mitglieder und es | |
werde bei der Auswahl von Neuzugängen genau geschaut, dass diese auch die | |
Werte von Green Witch teilen würden, eine Community solle so entstehen. Ein | |
Awareness-Team, was, so glaubt Alex, bislang auch noch kein anderer | |
Cannabis-Club in Deutschland hat, werde darauf achten, dass sich die | |
Mitglieder auch wirklich an dem Kodex orientieren. | |
Zudem werde man versuchen, auch bestimmte Aktivitäten anzubieten und zu | |
koordinieren, Alex nennt Growing-Workshops und queerfeministische Angebote. | |
Und solche, die im Bereich der Spiritualität angesiedelt sind. Das mit der | |
grünen Hexe im Clubnamen sei schließlich ernst zu nehmen, sagt sie, die | |
selbst nebenbei in dem Veranstaltungskollektiv „Witches are back“ tätig ist | |
und überhaupt an „Verbindungen zwischen Hexenkunst und Transfeminismus“ | |
interessiert sei. | |
Egal, ob man nun selbst in den letztgenannten Bereich tiefer einsteigen | |
möchte oder lieber nicht: die Flintas von „Green Witch“ zeigen, welche | |
Möglichkeiten in den Cannabis-Clubs stecken, wenn diese darauf aus sind, | |
mehr als nur möglichst gutes Cannabis zur Verfügung zu stellen. Clubs für | |
kiffende Feuerwehrleute, die sich vernetzten möchten, oder für CDU-Wähler, | |
die sich mit ihrer Leidenschaft für Cannabis nicht mehr so alleine fühlen | |
möchten: alle möglichen Interessengemeinschaften sind denkbar im Zeichen | |
eines Hanfblattes. | |
## Warten auf die Politik | |
[1][Nur muss die Berliner Politik es jetzt noch geregelt bekommen], dass | |
dieses neu aufblühende Vereinswesen auch wirklich gedeihen kann. Nach dem | |
aktuellen Stand ist weiterhin unklar, ob die Berliner Bezirke oder das | |
Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lasego) für die Anträge auf | |
Genehmigungen der Cannabis-Clubs zuständig sein sollen. Obwohl dies laut | |
Bundesgesetz seit dem 1. Juli geregelt sein sollte. | |
Auch für die Mitglieder von „Green Witch“ ergibt das eine unschöne | |
Situation und ständige Unklarheit, wann sie ihre Pläne nun verwirklichen | |
können. Einen Ort, an dem sie Hanf anbauen können, haben sie in Aussicht, | |
so Alex. Eine Abgabestelle sei noch nicht gefunden, aber aus finanziellen | |
Gründen auch erst anmietbar, wenn die Genehmigungsverfahren endlich | |
anlaufen. Dabei sollte es für die Klärung, wer sich nun behördlich um diese | |
Cannabis-Clubs kümmert, eigentlich keiner Hexerei bedürfen. | |
18 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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