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# taz.de -- Nachtzug von Belgrad nach Bar: Kein Klopapier, aber Panorama
> Der Ausblick im Nachtzug von Belgrad nach Bar entschädigt für den
> geringen Komfort. Snacks muss man unbedingt selbst mitbringen.
Bild: Zwischen Belgrad und der Hafenstadt Bar
Belgrad/Bar taz | Der [1][Nachtzug] aus der serbischen Hauptstadt
[2][Belgrad] nach Bar in Montenegro ist noch ein echtes Abenteuer. Kurz vor
halb neun abends rollt der mit zwei E-Loks bespannte Zug pünktlich im neuen
Bahnhof Beograd-Centar ein, wo die meisten Mitfahrenden einsteigen.
Die Vielfalt der Mitreisenden ist groß. So treffen in den Abteilen
kostenbewusste serbische Urlauber*innen auf westliche und auch viele
chinesische Rucksackreisende.
Die verwendeten Wagen sind eine beinahe ebenso bunte Mischung aus in die
Jahre gekommenen plüschigen Sitzwagen, stilvollen Schlafwagen italienischer
Herkunft und Liegewagen, die eher spartanisch wirken.
Es gibt keinen Speisewagen oder Essensverkauf an Bord. Einige Male läuft
ein Mann durch die Gänge und bietet aus einer Plastiktüte Wasser, Saft und
Bier zum Verkauf. Ansonsten ist man auf das angewiesen, was man selbst
mitgebracht hat.
## Gegen vier Uhr morgens kommt die Grenzpolizei
Da sich über dem Bahnhof Beograd-Centar nach jahrelanger Bauzeit inzwischen
zwar eine hypermoderne Ankunftshalle erhebt, es aber dort und auch in der
Umgebung kaum etwas zu kaufen gibt, sollte man sich ausreichend mit
Proviant eindecken, bevor man den Weg zum Bahnhof antritt. Die Fahrkarte
erwirbt man am besten am Bahnhofsschalter, in der Hauptsaison möglichst
bereits einige Tage vor dem Reisetermin.
In den Liegewagen sollte man nicht mehr erwarten als sechs straff
gepolsterte Liegen pro Abteil, eine dünne Decke und ein Kopfkissen,
immerhin jeweils mit frischen Bezügen. Keine Vorhänge, keine Verriegelungen
an den Abteilen, keine Klimaanlage. Die Zugtoiletten gehören ebenfalls eher
zur einfachsten Kategorie. Mitgebrachtes Toilettenpapier und
Desinfektionstücher sind unverzichtbar.
Der Zug unterbricht seine ruckelnde Fahrt recht häufig, auch wenn auf den
kleinen, dunklen Bahnhöfen mitten in der Nacht kaum jemand aus- oder
einzusteigen scheint. Gegen vier Uhr morgens kommt die Grenzpolizei
Montenegros durch den Zug und kontrolliert lässig einige Reisedokumente.
Mit der Zeit entsteht so eine Verspätung gegenüber dem Fahrplan von
ungefähr einer Stunde.
## 21 Euro für 500 Kilometer
Was macht also den Reiz dieser Zugfahrt aus? Da ist zunächst einmal der
Preis: Umgerechnet 21 Euro bezahlt man für die Fahrkarte in der 2. Klasse
für die knapp 500 Kilometer von Belgrad bis nach Bar, ein Liegeplatz
schlägt noch einmal mit etwa 7 Euro zu Buche.
Dann die Vielfalt der Mitreisenden und das Gefühl, auf einer wirklich
geschichtsträchtigen Strecke zu reisen. Im Jahr 1976 wurde das
kostspieligste Infrastrukturprojekt des damaligen Jugoslawiens
fertiggestellt, nach jahrzehntelangen Planungen und langer Bauzeit. Die
strategisch bedeutsame Strecke weist über 250 Tunnels und beinahe ebenso
vielen Brücken auf. Heute wird sie [3][mit chinesischem Kapital
modernisiert].
Das Beste an der Reise ist aber das großartige Panorama der Landschaft
Montenegros, durch die man morgens bei Sonnenaufgang fährt. Vom höchsten
Punkt der Strecke auf etwa 1.000 Meter Höhe bis hinunter zur Adria bieten
menschenleere Berglandschaften im schnellen Takt der Brücken und Tunnel ein
dramatisches Schauspiel. Zum Glück lassen sich die Fenster für einen
ungehinderten Blick nach draußen öffnen, auch wenn die Zugbegleiter das
nicht gerne haben.
Zwischen der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica und der Hafenstadt Bar
fährt der Zug auf einem Damm über den weiten Skutarisee. Links im
Hintergrund meint man schon, Albanien zu erkennen, dann folgt der lange
Tunnel Nummer 250 durch die letzte Bergkette, und der Zug erreicht das
Meer. Dass der Zug nicht pünktlich um halb acht ankommt, welche Rolle
spielt das schon in diesem Moment?
13 Aug 2024
## LINKS
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[3] /Chinas-Staatschef-Xi-auf-Europatour/!6009468
## AUTOREN
Florian Seidel
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kurz ist.
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