# taz.de -- Neue Hoffnung in Eisenhüttenstadt: Der Lunik Moment | |
> Kein Spekulationsobjekt mehr, sondern einmalige Chance: Seit einem Jahr | |
> diskutiert die Stahlstadt darüber, was aus dem Hotel Lunik werden soll. | |
Bild: Im Jahr 2020 noch halbe Ruine, wird das Lunik nun temporär bespielt | |
Eisenhüttenstadt taz | Etwas „Elektrisierendes“ nennt Oliver Funke die | |
Aufgabe, die vor ihm und seiner Wohnungsgesellschaft steht. „Wir wollen das | |
Lunik der Stadtgesellschaft öffnen“ sagt er. So könne in Eisenhüttenstadt | |
ein „Freiraum“ entstehen, vergleichbar dem Haus der Statistik in Berlin. | |
Oliver Funke ist Geschäftsführer der [1][städtischen Gebäudewirtschaft | |
(Gewi)] und als solcher eigentlich für den Vortrag nüchterner Bilanzen | |
zuständig. 7.000 Wohnungen in der Stahlstadt an der Grenze zu Polen | |
verwaltet die Gewi, erst im Januar wurden wieder 54 Wohnungen abgerissen. | |
Das „Elektrisierende“ ist in Eisenhüttenstadt mit seiner noch immer | |
schrumpfenden Bevölkerung die Ausnahme. | |
„Als Geschäftsführer der Gewi bin ich für die Versorgung der | |
Eisenhüttenstädter mit Wohnraum verantwortlich“, sagt Funke. „Mit dem Gel… | |
das wir erwirtschaften, können wir kein Abenteuer eingehen.“ | |
## Großer Andrang | |
Seitdem der [2][Hamburger Kaufmann Ulrich Marseille] [3][nach einem | |
taz-Beitrag] sein Spekulationsobjekt im vergangenen Juni abgestoßen und an | |
Funkes Gewi verkauft hat, gibt es so etwas wie den Lunik Moment in | |
Eisenhüttenstadt. Tausende Menschen zog es zu Führungen in das leerstehende | |
Hotel, das 1963 eröffnet hat und mit seinen Restaurants und Bars so etwas | |
wie der Palast der Republik in der sozialistischen Planstadt war. | |
Zuletzt fanden in den leerstehenden Räumen des denkmalgeschützten Gebäudes | |
[4][Theatervorführungen des Ensembles „Das letzte Kleinod“ statt. „Hotel | |
Einheit“ hieß das Stück], für das Oliver Funke, wie er es nennt, | |
„Theaterfreiheit geschaffen“, also Schutt weggeräumt, Strom gelegt und eine | |
temporäre Bar geschaffen hat. | |
[5][Auch bei einer Gesprächsrunde des Museums Utopie und Alltag] am | |
Donnerstag ist dieser Lunik Moment zu spüren. Neben Funke diskutieren | |
Sascha Gehm, stellvertretender Landrat in Oder-Spree, Michael Reh vom | |
Stadtplanungsamt sowie Marie Mamerow vom Landesdenkmalamt über die Zukunft | |
des Lunik. „Seit Jahren haben wir in Eisenhüttenstadt mit | |
Perspektivlosigkeit zu kämpfen“, sagt eine Bewohnerin. „Jetzt gibt es die | |
Möglichkeit, etwas Neues zu entwickeln.“ | |
Nur, wie geht das? 500.000 Euro hat der Rückkauf des Lunik gekostet, die | |
Sanierungskosten beziffert die Gewi mit 15 Millionen. Eine Befragung derer, | |
die das Lunik seit seiner Teilöffnung besucht haben, zeigt einen gewissen | |
Realismus. Keine Wolkenkuckucksheime werden dort gefordert, sondern das | |
scheinbar Machbare. Ganz oben steht der Wunsch nach gastronomischen | |
Nutzungen, aber auch der Möglichkeit, Veranstaltungsräume zu mieten. Auch | |
ein Hostel, Gästewohnungen oder eine Hotelnutzung wird immer wieder | |
genannt. | |
Neben diesen öffentlichen Nutzungen gibt es aber auch den Wunsch, eine | |
Seniorenresidenz oder betreutes Wohnen im Lunik unterzubringen. Doch das | |
stößt nicht nur bei Oliver Funke auf wenig Gegenliebe. „Die Chance, hier | |
etwas Neues zu entwickeln, hat man nicht häufig“, sagt auch Sascha Gehm. | |
Der stellvertretende Landrat und CDU-Politiker hält das Lunik in seiner | |
exponierten Lage an der Magistrale der Stadt für eine „Perle“. „Hier sol… | |
man ruhig mehr Phantasie haben dürfen“, fordert er. | |
Für Gehm ist das Lunik auch eine Chance, Menschen von außerhalb nach | |
Eisenhütenstadt zu locken. „Man kann für seinen Arbeitgeber in einer | |
Großstadt inzwischen auch in der Peripherie arbeiten“, ist er überzeugt und | |
nennt Co-Working als eine Möglichkeit, das Lunik mit Leben zu füllen. Hinzu | |
komme, dass die Mieten in Eisenhüttenstadt deutlich günstiger seien als die | |
in Berlin. | |
## Parallele Nutzungen | |
Für den Denkmalschutz sei die historische Nutzung als Hotel ein wichtiges | |
Thema, betonte Maria Mamerow. Allerdings, das wurde im Laufe der Diskussion | |
deutlich, spreche auch nichts dagegen, verschiedene Lösungen für die | |
verschiedenen Etagen zu finden. So könnten Co-Working, Hostel und ein | |
„Kunsthotel“, das sich Oliver Funke wünscht, auch neben, beziehungsweise | |
über- und untereinander existieren. | |
Für Andrea Wieloch, Leiterin des Museums Utopie und Alltag, ist der | |
Vergleich mit dem Haus der Statistik auch die Chance, auf die Berliner | |
Erfahrungen zurückzugreifen. „Man kann auch über eine kuratierte Vergabe | |
der Flächen nachdenken.“ | |
„Wir haben keine Eile“, gibt der Gewi-Chef am Donnerstag als Parole aus. | |
Zwei Jahre lang will Funke mit der Stadt und ihren Bewohnern, aber auch mit | |
Experten von außen nach umsetzbaren Lösungen suchen. Dazu gehören auch | |
Studierende der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, die seit | |
Sonntag zu einer [6][„Summer School“ in Eisenhüttenstadt] eingetroffen | |
sind. Ihre Workshops werden sie im Lunik absolvieren. Keine Abenteuer, das | |
ist Funke bei allem Enthusiasmus wichtig. | |
„Ganz wichtig ist eine öffentliche Nutzung“, gibt die Stadtplanering | |
Gabriele Haubold am Ende der Diskussion zu bedenken. Dabei lobt sie | |
ausdrücklich die Gewi von Oliver Funke für ihr Engagement. „So was haben | |
wir in Eisenhüttenstadt schon lange nicht mehr gesehen“, sagt sie. | |
Aber es gibt auch nachdenkliche Stimmen. „Sind zwei Jahre nicht eine zu | |
lange Zeit?“, fragt eine Bewohnerin. Sie gibt zu bedenken, dass die Chance, | |
die derzeit zum Greifen nahe ist, nicht verspielt werden darf. „In zwei | |
Jahren sind doch die jungen Leute, die wir in der Stadt halten wollen, | |
längst weg.“ | |
11 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gewi-ehst.de/ | |
[2] /Ein-Mann-geht-seinen-Weg/!5931536 | |
[3] /Hotel-Lunik-in-Eisenhuettenstadt/!5931537 | |
[4] https://www.das-letzte-kleinod.de/programm/hotel-einheit/ | |
[5] https://www.museum.de/event/wie-geht-s-weiter-mit-dem-hotel-lunik | |
[6] https://www.b-tu.de/fg-oekonomisches-bauen/summer-school | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
Eisenhüttenstadt | |
Brandenburg | |
Architektur | |
Berliner Bäder-Betriebe | |
Theater | |
Eisenhüttenstadt | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„Wanna See Wannsee?“: Noch gibt es Hoffnung | |
Einst war es das modernste Binnenfreibad Europas, heute ist es im Verfall | |
begriffen. Eine Ausstellung entwirft neue Visionen für das Strandbad | |
Wannsee. | |
Theaterstück zu Hotels der DDR: Erinnerung und Aufruhr | |
Das Eisenbahntheaterprojekt „Hotel Einheit“ erzählt von Edelhotels der DDR. | |
Es befördert auch eine Wiederbelebung der oft verfallenen Objekte. | |
Hotel Lunik in Eisenhüttenstadt: Wie der Palast der Republik | |
In der DDR war das Hotel Lunik ein beliebter Treffpunkt. Der Unternehmer | |
Marseille erwarb das denkmalgeschützte Gebäude und lässt es verfallen. | |
70 Jahre Eisenhüttenstadt: Wo der Stahl brüchig wird | |
Stalinstadt war bei der Gründung ihr Name. Heute gilt Eisenhüttenstadt als | |
vorbildlich saniert – und trotzdem ergreifen die Einwohner die Flucht. |