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# taz.de -- Karlsruhe vor Wahlrechtsurteil: Wie heftig wird die Klatsche?
> Die Opposition klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das neue
> Bundestagswahlrecht. Kommt am Dienstag die Grundmandateklausel zurück?
Bild: Das Bundesverfassungsgericht wird am Dienstag sein Urteil über das neue …
Karlsruhe taz | An diesem Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht sein
Urteil über das neue Bundestagswahlrecht verkünden. Die Richter:innen
müssen dabei nicht zuletzt entscheiden, wie 2025 der nächste Bundestag
gewählt wird.
Karlsruhe urteilt über das neue Wahlrecht, das der Bundestag [1][im März
2023] mit den Stimmen der Ampelkoalition beschlossen hat. SPD, Grüne und
FDP wollten damit den Bundestag, der aktuell 734 Abgeordnete umfasst,
dauerhaft auf 630 Sitze verkleinern. Deshalb wurden Überhang- und
Ausgleichsmandate abgeschafft, ebenso die Grundmandateklausel.
Das Konzept ist [2][aber sehr umstritten]. Gegen das reformierte
Bundeswahlgesetz klagten beim Bundesverfassungsgericht die CSU, das Land
Bayern, die CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, [3][die Linkspartei] und
Tausende Bürger:innen, die der Verein „Mehr Demokratie“ koordinierte.
Bei der [4][mündlichen Verhandlung im April] zeichnete sich deutlich ab,
dass das Bundesverfassungsgericht wohl den ersatzlosen Wegfall der
Grundmandateklausel rügen wird. Diese Regelung ermöglichte bisher Parteien
den Einzug in den Bundestag, wenn sie zwar an der Fünfprozenthürde
scheitern, aber mindestens drei Direktmandate in den Wahlkreisen holen.
2021 profitierte die Linke davon, die bundesweit nur 4,9 Prozent der
Stimmen erreichte, jedoch in Berlin und Leipzig insgesamt drei
Direktmandate holen konnte.
## Spezialfall CSU
Die Verfassungsrichter:innen interessierten sich aber weniger für die
Linkspartei, sondern vor allem für die CSU, die 2021 mit 5,2 Prozent der
Stimmen nur knapp über der Fünfprozenthürde lag. Sollte bei der kommenden
Bundestagswahl der Prozentanteil der CSU unter 5 Prozent fallen, wäre die
CSU nicht im Bundestag vertreten. Sie bekäme also keinen einzigen
Abgeordnetensitz, selbst wenn sie in jedem einzelnen der rund 40
bayerischen Wahlkreise die meisten Stimmen erzielte. Dies hielten viele
Richter:innen für inakzeptabel, so sei die Integrationsfunktion der Wahl
gefährdet.
Dagegen dürfte der Kern der Reform, der Wegfall von Überhang- und
Ausgleichsmandaten, in Karlsruhe wohl Bestand haben. Bisher gab es
Überhangmandate, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewann, als ihr nach dem
Zweitstimmenergebnis Sitze zustanden. Die anderen Parteien bekamen dann
Ausgleichsmandate, damit das Wahlergebnis nicht verzerrt wird. So wurde der
Bundestag aufgebläht. Das neue Wahlrecht sieht dagegen vor, dass die
Wahlkreissieger:innen mit den schwächsten Ergebnissen leer ausgehen,
wenn ihrer Partei weniger Sitze zustehen, als sie Wahlkreise gewonnen hat.
Die Union hält dadurch das Demokratieprinzip für gefährdet. Es könne nicht
sein, dass ein örtlicher Wahlsieger kein Mandat erhält. An diesem Punkt
dürften CDU und CSU aber wohl keinen Erfolg haben. Denn die geladenen
Sachverständigen machten in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die
Wahl der Wahlkreisabgeordneten für die Wähler:innen keine große
Bedeutung hat. Die Integrationsfunktion der Wahl sei nicht gefährdet, wenn
es am Ende einige Wahlkreise ohne direkt gewählten Abgeordneten gibt.
## Auswirkungen auf kommende Bundestagswahl
Auch wenn sich der verfassungsrechtliche Korrekturbedarf auf die
weggefallene Grundmandateklausel beschränken sollte, so wäre die Lösung
nicht einfach. Denn der Bundestag hätte unterschiedliche Möglichkeiten, das
Problem zu lösen. So könnte er eine neue Grundmandateklausel einführen, die
sicherstellt, dass regional stark verankerte Parteien auch im Bundestag
vertreten sind.
Aber sollen wie bisher bereits drei Direktmandate reichen? Es könnten
ebenso 15 oder 20 sein. Alternativ könnte aber auch die Fünfprozenthürde
abgesenkt werden, zum Beispiel auf drei Prozent. Wahrscheinlich würde das
Bundesverfassungsgericht dem Bundestag genug Zeit für eine gründliche
Beratung geben. Für die kommende Bundestagswahl käme das Ergebnis dann
freilich zu spät.
Für die Wahl 2025 müsste das Bundesverfassungsgericht in dieser
Konstellation dann selbst per Vollstreckungsanordnung das Wahlrecht
vorgeben. Naheliegend wäre, dass es noch einmal eine Grundmandateklausel
mit drei Direktmandaten gibt. Immerhin war diese Regelung fast bis zuletzt
auch noch im Gesetzentwurf der Ampel vorgesehen. Aber auch das ist nur eine
Spekulation. Das Urteil am Dienstag wird mit großer Spannung erwartet.
29 Jul 2024
## LINKS
[1] /Wahlrechtsreform-der-Ampel/!5921931
[2] /Ampel-zieht-Wahlrechtsreform-durch/!5922573
[3] /Verkleinerung-des-Bundestages/!5941268
[4] /Karlsruhe-prueft-Wahlrechtsreform/!6003385
## AUTOREN
Christian Rath
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