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# taz.de -- Verkleinerung des Bundestages: Linke klagt gegen Wahlrechtsreform
> Die Linkspartei hält die Abschaffung der Grundmandatsklausel für
> verfassungswidrig. Jetzt geht sie dagegen vor.
Bild: Gysi stellte an einem plastischen Beispiel – sich selbst – dar, warum…
Berlin taz | Die Linkspartei hat angekündigt, gegen die gerade erst in
Kraft getretene [1][Wahlrechtsreform] vor dem Bundesverfassungsgericht zu
klagen. „Wir halten das Gesetz in Teilen für verfassungswidrig“, so der
Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan am Freitag in der Berliner
Bundespressekonferenz. Die Co-Vorsitzende Janine Wissler sieht in der
Reform „einen Angriff auf die Demokratie“.
Die Linke will vor allem gegen die Abschaffung der sogenannten
[2][Grundmandatsklausel] vorgehen, die bislang sicherstellte, dass direkt
gewählte Abgeordnete auch dann in den Bundestag einziehen, wenn ihre Partei
die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt.
Mit der Wahlrechtsreform verfallen solche Erststimmen-Mandate künftig,
falls eine Partei weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht. Die
Linkspartei wäre derzeit direkt davon betroffen: 2021 zog sie dank
[3][dreier Direktmandate] als Fraktion in den Bundestag ein, obwohl sie nur
4,9 Prozent der Zweitstimmen erreichte und damit knapp unter der
Sperrklausel von 5 Prozent lag.
„Gesicht und Stimme“ für die Klage soll der ehemalige Partei- und
Fraktionschef Gregor Gysi sein. Gysi, der im Nebenberuf auch Rechtsanwalt
ist, will sich in Kürze zusammen mit einem Verfassungsrechtler an die
Ausfertigung der Klageschrift setzen.
## Gysi sieht gute Chancen, auch für sich selbst
Gysi machte an einem plastischen Beispiel deutlich – sich selbst nämlich –
warum er gute Chancen für eine Klage sieht. Würde ein parteiunabhäniger
Kandidat in einem Wahlkreis antreten und das Direktmandat erringen, wäre
sein Einzug in den Bundestag gesichert. Vorausgesetzt, dass seine Partei
den Wahlkampf nicht finanziert. „1949 ist das letzte Mal jemand auf diesem
Weg gewählt worden, aber ich würde mir das trotzdem zutrauen“, sagte Gysi
selbstbewusst. Der Linken-Politiker gewinnt seit mehreren Jahren das
Direktmandat im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, [4][auch seine
Nebeneinkünfte sind beachtlich].
Als Kandidat der Linkspartei würde Gysi sein Mandat dagegen nicht antreten
können, wenn seine Partei nicht den nötigen Zweitstimmenanteil von 5
Prozent erhielte. „Dass nicht die Wähler:innen entscheiden, ob jemand in
den Bundestag einzieht, sondern die Art der Aufstellung, ist offensichtlich
verfassungswidrig“, ist sich Gysi sicher.
Dabei wollte die Ampel-Regierung gerade mit der Streichung der
Grundmandatsklausel dafür sorgen, dass die Reform verfassungsfest ist. Die
Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, hatte sich im März
auf die zur Anhörung geladenen Expert:innen berufen und behauptet, man
habe „die eindeutige Rückmeldung erhalten, dass die Grundmandatsklausel
systemwidrig ist“.
Tatsächlich hatten nur wenige Expert:innen die Grundmandatsklausel
verfassungsrechtlich für problematisch gehalten, [5][wie eine taz-Recherche
zeigte]. Die Mehrheit hatte sich auf Nachfrage kurz vor der Abstimmung im
Bundestag für eine Beibehaltung der Grundmandatsklausel ausgesprochen.
## Die Sitze wurden von 736 auf 630 reduziert
Auch die bayerische Landesregierung und die CSU haben bereits Klagen gegen
das neue Wahlrecht in Karlsruhe eingereicht. Die CSU, die in Bayern
traditionell viele Wahlkreise direkt gewinnt, [6][wäre ebenfalls nicht im
Bundestag vertreten], falls sie bundesweit nicht auf fünf Prozent der
Wähler:innenstimmen käme. Man sei miteinander in Kontakt, so die
Linken-Vorsitzenden.
Schirdewan macht deutlich, dass seine Partei eine Wahlrechtsreform nicht
grundsätzlich ablehne und auch die Verkleinerung des Bundestags für
notwendig halte. Noch vor vier Jahren hatte die Linke gemeinsam mit den
damaligen Oppositionsparteien Grüne und FDP einen Vorschlag vorgelegt, der
eine Reduzierung der Wahlkreise und eine Begrenzung der Parlamentssitze auf
630 vorsah.
Auch das jetzt geltende Wahlgesetz sieht vor, die Zahl der Sitze von
derzeit 736 auf 630 reduzieren. Die Ampelfraktionen hatte sie im Frühjahr
gegen die Stimmen der Opposition beschlossen. Nach der Unterzeichnung durch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde sie Dienstag im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht, ist damit in Kraft und würde für die
nächste Bundestagswahl gelten. Wären die Klagen von Linken und CSU
allerdings erfolgreich, wäre wohl auch die Wahlrechtsreform nichtig.
16 Jun 2023
## LINKS
[1] /Kommission-uebergibt-Abschlussbericht/!5934144
[2] https://www.bpb.de/themen/politisches-system/wahlen-in-deutschland/335642/u…
[3] /Linke-verliert-bei-der-Bundestagswahl/!5800436
[4] /Nebenjobs-von-Abgeordneten/!5927448
[5] /Reform-des-Wahlrechts/!5919138
[6] /Wahlrechtsreform-der-Ampelkoalition/!5918772
## AUTOREN
Anna Lehmann
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