# taz.de -- Biografie von Klaus Mann: Auf der Suche nach Liebe | |
> Schnellschreiber, Kettenraucher, schwul: Thomas Medicus’ Biografie über | |
> Klaus Mann zeichnet das Leben des Autors in seinen Widersprüchen nach. | |
Bild: Klaus Mann um 1940 in New York | |
Die Worte im Tagebuch lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. „Ich | |
werde diese Notizen nicht weiterführen. Ich wünsche nicht, dieses Jahr zu | |
überleben“, steht da in englischer Sprache. Datiert ist der Todeswunsch auf | |
den 1. Januar 1947. Dieses Jahr hat Klaus Mann überstanden, ebenso wie das | |
folgende. Aber in der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1949 starb er von | |
eigener Hand im französischen Cannes. Er wurde 42 Jahre alt. Ein Tod mit | |
Ansage. | |
Wer war Klaus Mann? Nur ein weltreisender Dandy, von der wohlhabenden | |
Familie ausgehalten? Oder doch ein ernsthafter Schriftsteller, anfangs | |
politisch desinteressiert auf der Suche nach Identitäten, erst später im | |
von Hitler erzwungenen Exil kompromisslos auf der Seite der Verfolgten? | |
Oder war Klaus Mann doch an erster Stelle der erstgeborene Sohn des | |
Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann? | |
Biograf Thomas Medicus ist tief in die papiernen Hinterlassenschaften Klaus | |
Manns hinabgetaucht. Auf der Suche nach der Person hinter dem Namen hat er | |
vor allem das Tagebuch ausgewertet. Er kommt zu dem Schluss, dass für die | |
Biografie Klaus Manns eben nicht eine Antwort ausreicht. | |
Dafür hat er seine Rolle zu häufig radikal verändert. Er spielte Ende der | |
1920er Jahre den Dandy, der politisch höchstens mit verqueren Ideen | |
auffiel. Es gab Zeiten, da hatte Mann nichts gegen die Einführung einer | |
milden Diktatur. | |
## Ambivalenzen in politicher Haltung | |
Andererseits beteiligte er sich später an führender Stelle an der Bildung | |
der von Stalinisten gelenkten Volksfront gegen Hitler, brachte es | |
angesichts des Hitler-Stalin-Pakts aber nicht fertig, mit den Kommunisten | |
zu brechen. Mann verehrte Gottfried Benn, der eine Zeitlang zum | |
Nazi-Apologeten wurde, und schrieb Gustaf Gründgens in seinem | |
[1][bekanntesten Roman „Mephisto“] nieder. | |
[2][Sein Verhältnis zur lesbischen Schwester Erika war lange innig,] bis | |
diese doch ihre eigenen Wege ging. 1944 wurde Mann freiwillig US-Soldat, | |
der sich an der Befreiung Europas beteiligte. Als Verteidiger einer | |
liberalen Demokratie fiel er hingegen weniger auf. | |
Und doch, so meißelt es Thomas Medicus heraus, gab es da drei Dinge, die | |
sich wie ein roter Faden durch Klaus Manns Leben zogen: seine sexuelle | |
Orientierung, seine Nähe zum Tod und sein schwieriges Verhältnis zum Vater. | |
Thomas Mann war schwul, was sich heute leicht schreibt, aber damals einem | |
unerhörten gesellschaftlichen Skandal gleichkam. | |
Klaus Mann hat aus seiner Homosexualität schon früh keinen Hehl gemacht, | |
soweit dies zur damaligen Zeit, in der für solches Verhalten eine | |
Gefängnisstrafe drohte, überhaupt möglich war. Doch wer lesen konnte, | |
erfuhr in seinem Buch „Der fromme Tanz“ schon 1926 von der sexuellen | |
Orientierung des Autors – es war der erste offen schwule deutschsprachige | |
Roman überhaupt. | |
## Ein Leben wie auf dem Vulkan | |
Auf der Suche nach Liebe hat sich Klaus Mann auch auf zweifelhafte | |
Charaktere eingelassen, es hat ihm nicht immer geholfen. Er führte ein | |
Leben wie auf dem Vulkan (so auch der Titel eines seiner besten Bücher), | |
rastlos und immer unterwegs, stets mit neuen Ideen und Projekten | |
beschäftigt, schwer rauschgiftsüchtig und Kette rauchend, dazu ein | |
Schnellschreiber, [3][der im Exil umstandslos ins Englische wechselte,] | |
während andere noch das „th“ übten. | |
Dem Tod begegnete Klaus Mann das erste Mal als Kind. In einem Weiher nahe | |
der Sommerresidenz der Familie Mann im bayerischen Bad Tölz war der | |
Bäckergeselle aus dem Nachbardorf zu Tode gekommen. „Wir haben seine Leiche | |
gesehen, schön säuberlich aufgebahrt zwischen Blumen und Kerzen“, zitiert | |
Medicus aus Manns Autobiografie „Der Wendepunkt“. | |
Der Biograf lässt klug offen, ob dies ein Schlüsselerlebnis für Klaus Mann | |
war. Aber schon im Jahr 1924, da wurde er gerade einmal 18 Jahre alt, | |
spielte Mann mit Selbstmordgedanken. Versuche, sich das Leben zu nehmen, | |
lassen sich immer auch als Hilfeschreie an die Umgebung interpretieren. | |
Wäre es bei Mann so, dann hätte er sehr viel Hilfe gebraucht, denn er | |
machte im Lauf seines kurzen Lebens immer wieder entsprechende Versuche. | |
Das Verhältnis zum Vater wiederum musste zwangsläufig zum Lebensthema | |
werden, denn Klaus Mann wurde ebenso wie er Schriftsteller, maß sich also | |
mit dem weltberühmten Erzeuger. Der hat ihn aus manch schwieriger Situation | |
wieder herausgepaukt, hat gute Worte eingelegt und ihn immer wieder – | |
zusammen mit seiner Frau Katja – aus finanziellen Kalamitäten | |
herausgeholfen. Der Sohn hat das, folgt man Medicus, eher selten goutiert. | |
## Keine Kritik am Werk des Vaters | |
Selbstverständlich hat Klaus, so wie die anderen Mann-Kinder, dem | |
„Zauberer“ Thomas Mann zugehört, wenn der aus einem neuen, im Entstehen | |
begriffenen Roman vorlas. Auch findet sich keine Kritik an den Werken des | |
Vaters. | |
Ganz am Ende seines Lebens aber verstieg sich Klaus zu einer Roman-Idee, | |
nach der alle zeitgenössischen Intellektuellen aus Protest gegen den Lauf | |
der Welt nach Ende des Zweiten Weltkriegs kollektiv Selbstmord begehen | |
würden, was wiederum die Völker aus ihrer Lethargie aufschrecken sollte. | |
Aus dem Roman mit eingebautem Vatermord wurde nichts, glücklicherweise, wie | |
Medicus zu Recht anmerkt. Weil aber Klaus’ Verhältnis zu seinem Vater so | |
schwierig war, musste Medicus’ Biografie auch ein bisschen ein Buch über | |
Thomas Mann werden. Doch das schadet überhaupt nichts. | |
Thomas Medicus folgt seiner Figur eng auf den Fersen, fast, so scheint es, | |
als sei dies manchmal zu eng. Denn so viel wir in seiner Biografie von | |
Klaus Mann über Klaus Mann erfahren, so bedauerlich ist es, dass seine | |
politischen Wendungen bisweilen eher nebenbei von außen betrachtet werden. | |
## Von Dandy zum Herausgeber | |
Am meisten fällt dies in der Wende auf, die Klaus Mann mit dem Beginn der | |
Hitler-Diktatur vollführte. Vom Schriftsteller, der das „ich“ in den | |
Mittelpunkt stellte, wurde er binnen Kurzem zum Herausgeber eines der | |
bedeutendsten literarischen Monatshefte des Exils: der in Amsterdam bei | |
Querido erscheinenden Sammlung. Wie es dazu kam, bleibt weitgehend im | |
Dunkeln. | |
Was qualifizierte den „Dandy“ zum Chef eines eminent politischen Projekts? | |
Wie verliefen die Korrespondenzen mit anderen berühmten Autoren? Und gab es | |
da keine Widerstände? Ähnliche Leerstellen ergeben sich in Medicus’ Buch | |
bei Manns Weg vom exilierten Autor in New York City zum amerikanischen | |
Soldaten an der Propagandafront in Europa. | |
Dennoch bleibt Thomas Medicus’ Werk ein Glanzlicht biografischer Annährung | |
an einen Schriftsteller. Klaus Mann hat großartige Werke hinterlassen, | |
ebenso wie eher dünne Unterhaltungsliteratur. Letzteres stellt seine | |
Biografie ganz gewiss nicht dar. | |
29 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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