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# taz.de -- Regierung in Bangladesch gestürzt: „Sie ist geflohen“
> Nach Hunderten Toten infolge von Massenprotesten ist Regierungschefin
> Sheikh Hasina zurückgetreten. Eine Übergangsregierung soll übernehmen.
> Und dann?
Bild: Am Ende fehlte Hasina offensichtlich auch der Rückhalt vom Militär: Sze…
Neu-Delhi taz | Fernsehbilder zeigen am Montag jubelnde Menschen auf den
Straßen von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Sie singen Lieder von
revolutionären bengalischen Dichtern. „Sie ist geflohen“, rufen manche. Zu
Tausenden waren sie am Montag zum „langen Marsch“ nach Dhaka gekommen.
Und die Großdemonstration zeigte Wirkung: Protestierende stürmten nicht nur
die Residenz von Premierministerin Sheikh Hasina, die sich und ihre
Schwester zuvor in Sicherheit gebracht hatte. [1][Die 76-jährige
Regierungschefin trat nach 15 Jahren an der Macht überraschend zurück,
verkündete die Armee.] Die Rufe danach waren zuletzt immer lauter geworden,
doch das Tempo war rasant. Noch am Sonntag starben rund 100 Menschen bei
Zusammenstößen, Hasina zeigte sich hartnäckig.
Im etwa 100 Kilometer von Dhaka entfernten Agartala, das sich in Indien
befindet, traf sie am Montag ein. Der einflussreiche Armeechef
Waker-Uz-Zaman kündigte unterdessen an, dass rasch eine Übergangsregierung
unter Beteiligung aller Parteien gebildet werde. Er rief auf, jegliche
Gewalt im Namen der Proteste einzustellen, und versprach Gerechtigkeit für
die Todesopfer. Nach Medienberichten starben bei den jüngsten Protesten
mindestens 300 Menschen.
Anzeichen für Hasinas Machtverlust gab es schon länger, die Unzufriedenheit
in der Bevölkerung wuchs, Freiheitsrechte wurden zunehmend eingeschränkt.
Protestierende widersetzten sich mehrfach. Dass sie auch von anderer Seite
an Rückhalt verliert, zeigte sich erst kürzlich: „Das wurde bemerkbar durch
widersprüchliche Aussagen innerhalb des Militärs“, sagt
Bangladesch-Expertin Jasmin Lorch vom Bonner Thinktank German Institute of
Development and Sustainability der taz.
## Machtübernahme des Militärs das „schlechteste Szenario“
„Die Tatsache, dass in Bangladesch keine Partei ohne die Unterstützung des
mächtigen Militärapparats an der Macht bleiben kann, deutet darauf hin,
dass sie fallen gelassen wurde“, fügt sie an. Zwar seien Teile des Militärs
an der Niederschlagung der Proteste in den vergangenen Wochen beteiligt
gewesen, allerdings habe das Militär in der Vergangenheit keine Partei
militärisch dauerhaft bei Massenprotesten unterstützt, so die
Wissenschaftlerin weiter.
Tatsächlich zeichnete sich die Demokratie in Bangladesch lange Zeit dadurch
aus, dass es stets politische Wechsel zwischen den Volksparteien Awami-Liga
und der Bangladesh Nationalist Party (BNP) gab. Das änderte sich mit der
Machtübernahme von Hasina 2009. Seitdem nahm die Regierung immer
autokratischere Züge an. [2][Die oppositionelle BNP begann, die Wahlen zu
boykottieren]. So kam es zu Beginn dieses Jahres zu einer einseitigen Wahl,
die Hasina eigentlich eine weitere, die insgesamt fünfte Amtszeit sichern
sollte.
Im In- und Ausland gilt die BNP aber dennoch nicht als Alternative zur
Awami-Liga, da sie in der Vergangenheit ähnliche autokratische Züge gezeigt
hatte, aber nie so lange im Amt blieb. Mögliche Zukunftsszenarien für
Bangladesch seien rasche Neuwahlen, die etwas mehr Demokratie versprechen
könnten. Aber auch eine Übergangsregierung, die länger im Amt bleibt, wie
das in den Jahren 2007 bis 2008 der Fall war und so den Einfluss des
Militärs weiter ausbaut, ist denkbar. „Das schlechteste Szenario wäre eine
direkte Machtübernahme des Militärs“, sagt Lorch. Manche befürchten auch
eine Zunahme des Einflusses von islamistischen Kräften.
Der Umsturz, den Bangladesch gerade erlebt, begann Mitte Juli mit
landesweiten Massenprotesten. Studierende gingen gegen eine
Wiedereinführung einer Quotenregelung bei der Vergabe von öffentlichen
Stellen auf die Straße. Erst eine Eilentscheidung des Obersten Gerichts,
die die umstrittene Reform stark einschränkte, führte zu einer
Protestpause, die aber nicht lange hielt.
„Diese Unzufriedenheit musste früher oder später wie ein Vulkan ausbrechen.
Die Jugendlichen, die heute protestieren, haben noch nie erfahren, wie es
ist, zu wählen und dass ihre Stimme zählt“, sagt die im Exil lebende Sabria
Chowdhury Balland gegenüber der taz. An diesem Montag könnten Menschen aus
Bangladesch nicht glücklicher sein. Was danach kommt: ungewiss.
5 Aug 2024
## LINKS
[1] /Massenproteste-in-Bangladesch/!6027799
[2] /Parlamentswahl-in-Bangladesch/!5982087
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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Bangladesch
Sheik Hasina
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