Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinotipp der Woche: Nicht immer mit Pointe
> Vom Drama bis zur Komödie: Das Festival „British Shorts“ zeigt in seiner
> Sommerausgabe ein Best-of aktueller Kurzfilme aus Großbritannien.
Bild: „Crab Day“ (R.: Ross Stringer) läuft am Sonntag im Sputnik Kino
Liam ist eher nicht der Typ Tanzlehrer, den man sich für sein Kind wünscht.
Er hat sichtlich überhaupt keine Lust auf den Job, raucht während der
Tanzstunden eine Zigarette nach der anderen und versucht, sich mit
peinlichen Sprüchen an die Mütter des Tanznachwuchses ranzumachen.
Das ist ungefähr die Story des Kurzfilms „Paso Doble“ von Heida Reed. Eine
schräge Hauptfigur wird eingeführt, enormes Konfliktpotential aufgezeigt.
Aber dann kommt schon der Schluss. Musik startet, Liam zeigt, was er selbst
als Tänzer so drauf hat und das war’s dann. Was soll das? Was ist die
Pointe?
Einige der Kurzfilme, die an drei Tagen hintereinander bei der „[1][British
Shorts Summer Edition]“ in drei verschiedenen Berliner Kinos gezeigt
werden, verweigern sich wie „Paso Doble“ bewusst klaren Aussagen. Drehen
bestimmten Erwartungshaltungen eine lange Nase und machen deutlich, dass
bei Shortys auch einmal andere Regeln gelten können als bei Langfilmen.
Oder auch „White Ant“ von Shalini Adnani: Hier kommt ein Mann aus Mumbai
zurück in das Haus seiner Eltern in einem kleinen indischen Dorf und sieht
es von mysteriösen, weißen Termiten befallen. Die Viecher erscheinen wie
eine unkontrollierbare Macht, zu der der Mann aus irgendwelchen Gründen
eine Verbindung aufbaut. Sie sind weniger sein Feind als eine zu
respektierende Naturerscheinung.
Warum und wieso dieses geheimnisvolle Verständnis zwischen Mensch und Tier?
Und werden Mann und Termiten sich am Ende einig, das Elternhaus doch zu
verschonen? Das bleibt alles offen. Kurzfilme wie „Paso Doble“ oder „White
Ant“, das lehren einen diese „British Shorts“, können bestens unterhalten
und spannend sein, aber man sollte akzeptieren, dass sie nach anderen
Regeln funktionieren als ein handelsüblicher Film auf Netflix für den
Massengeschmack.
Die „[2][British Shorts]“ sind ein jährlich stattfindendes Festival, das
aktuelle Kurzfilme aus Großbritannien zeigt. In seiner sommerlichen
Extraausgabe, bei der sich das Freiluftkino Insel, das Sputnik Kino am
Südstern und das Freiluftkino Friedrichshain beteiligen, wird nun ein
Festival-Best-of gezeigt. An jedem der drei Termine wird ein anderes
Programm angeboten. Die Filme kommen dabei aus den unterschiedlichsten
Genres, vom Drama bis zur Komödie ist alles mit dabei, Animationsfilme
obendrauf.
Am meisten überzeugen aber die vornehmlich lustigen Shorties. Etwa „The
Call“ von Riffy Ahmed. Hier besucht eine besorgte Tochter ihre Mutter, von
der sie annimmt, dass sie gerade geistig ziemlich abbaut. Diese erzählt
dann auch lauter wirres Zeug und behauptet, sie sei eigentlich eine
verdienstvolle Superheldin, die sich mit Typen wie dem „Scorpion Man“
anlegt. Die Tochter muss zu ihrem und vielleicht auch zum Erstaunen des
Zuschauers oder der Zuschauerin bald erkennen: Ihre Mutter ist tatsächlich
das, was sie von sich behauptet.
Superwitzig ist auch „Choked Up“ von Jill Worsley, wo eine englische
Politikerin sich in einer Fernsehlivesendung als große Umweltschützerin
inszenieren möchte, dabei aber durch eine Aneinanderreihung von Pleiten,
Pech und Pannen einen Shitstorm nach dem anderen kassiert.
Lustig, aber auch putzig und irgendwie tiefgründig ist der wunderbare
Animationsfilm mit Strichmännchenästhetik „Crab Day“ von Ross Stringer.
Hier soll ein Junge in einer Gemeinschaft von Krabbenfischern zum echten
Mann reifen, indem er bei einem Ritual eine Krabbe mit der Axt in zwei
Teile teilt.
Doch der sensible Junge rettet das Tier, das bald zur Riesenkrabbe
heranwächst und von allen Krabbenfischern bekämpft wird. Der Junge aber
findet erneut einen Weg, sich mit dem Meeresbewohner zu arrangieren. Und
zeigt seinem Vater, dass es auch noch etwas anderes geben kann als ein
Leben als Krabbenfischer. Eine wirklich bizarre Geschichte, ein echter
„British Short“.
31 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.britishshorts.de/
[2] https://www.britishshorts.de/index
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
taz Plan
Kurzfilm
Großbritannien
taz Plan
taz Plan
Filmrezension
Paris
Filmgeschichte
Antisemitismus
taz Plan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinotipp der Woche: Im eigenen Zimmer
Das Kino Krokodil zeigt Filme von Ioseb „Soso“ Bliadze. Sie erzählen von
Entfremdung und der Hoffnung der jungen Generation auf eine freies
Georgien.
Kinoempfehlungen für Berlin: Von Superhelden und Eisenmännern
Bei Christopher Nolan wird Batman zum Grübler, in „The Lego Movie“ spielt
er eine heitere Nebenrolle, und im Planetarium landet eine Wunderwaffe.
Kinoempfehlungen für Berlin: Ständig in Bewegung
Das Babylon zeigt „American Honey“ über eine verlorene Generation, das
Filmmuseum Potsdam würdigt Lotte Reiniger, mit M. Hulot geht's in die
Ferien.
Filmdoku über Psychiatrie: Um den Rest von Freiheit kämpfen
Zugewandtheit und Widerständigkeit: Nicolas Philiberts Dokumentarfilm
„Averroès & Rosa Parks“ widmet sich einer psychiatrischen Klinik in Paris.
Kinotipp der Woche: Eine Woche Todesfälle
Zum Auftakt der neuen Reihe „Pleasure Dome“ mit Klassikern des Horror-,
Martial-Arts- und Erotikkinos würdigt der Filmrauschpalast Jörg
Buttgereit.
Neuer Erinnerungsort in Berlin: Weiche in die Vernichtung
Durch den Möckernkiez führten Gleise in das Konzentrationslager
Theresienstadt. Eingeweiht hat dort nun eine Anwohnerinitative ein Mahnmal
Kinotipp der Woche: Queeres Off-Off-Off
Die Reihe „LoLa DaBei“ feiert das queere Kino von Lothar Lambert und Dagmar
Beiersdorf – und die enge Zusammenarbeit der beiden Filmemacher:innen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.