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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Queeres Off-Off-Off
> Die Reihe „LoLa DaBei“ feiert das queere Kino von Lothar Lambert und
> Dagmar Beiersdorf  – und die enge Zusammenarbeit der beiden
> Filmemacher:innen.
Bild: Szene aus Lothar Lamberts Film „Tiergarten“ von 1979
Der Sommer, der sich immer noch nicht als solcher anfühlt, weil er mit dem
Freibad-Wetter schrecklich geizt, ist gerettet. Denn: „Ein Sommer mit
queerem Westberliner Undergroundkino“ steht an. Das verspricht die Reihe
„LoLa DaBei“, die fast zwei Monate lang läuft und an der sich gleich vier
kleine Programmkinos, das [1][Acud Kino], das [2][Klick-Kino], die
[3][Brotfabrik] und das [4][Bundesplatz-Kino] beteiligen. Und die Reihe
wird ihr Versprechen halten. Zeigt sie doch satte 30 Filme aus dem
überbordenden Schaffen von Lothar Lambert und Dagmar Beiersdorf, zwei
Ikonen des Berliner Off-Kinos bzw. Off-Off-Off-Kinos. LoLa und DaBei sind
die Abkürzungen ihrer Namen, die die beiden sich selbst gerne gegeben
haben.
Der bekanntere der beiden ist [5][sicherlich LoLa]. Zig seiner Filme wurden
auf der Berlinale gezeigt, das Schwule Museum widmete ihm und seiner Arbeit
eine Ausstellung, bei der diesjährigen Berlinale bekam der Achtzigjährige
den Special Teddy Award verliehen. Dass die großangelegte Retrospektive
sich aber auch ausdrücklich [6][Dagmar Beiersdorf] widmet, die selbst nur
wenige Filme als Regisseurin verantwortete, macht dennoch Sinn. Die beiden
bildeten schon ganz früh in ihren Karrieren als Filmemacher, also schon
Anfang der Siebziger, ein symbiotisches Paar. Sie spielte in zig seiner
Filme mit, er in ihren und gegenseitig halfen sie sich immer wieder bei der
Produktion ihrer Werke. Ohne LoLa würde es wahrscheinlich keine DaBei geben
und umgekehrt.
In den Filmen der beiden – der überwiegende Teil der Retro widmet sich
denen aus den Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern – wird das Berlin der
Freaks, Außenseiter, Queers und Transen gezeigt. Deren Leben mit sozialen
Nöten und nicht selten sexuellem Notstand. Hauptsächlich mit
Laiendarstellern gedreht, viele davon einfach Freunde und Bekannte,
entwerfen diese Filme in ihrer Gesamtheit ein Sittengemälde der Hauptstadt,
die einerseits vergleichsweise tolerant ist, in der die Spießer und
Konservativen die große Freiheit aber stets bedrohen.
Wenn man sich die Filme von LoLa und DaBei nochmals anschaut, die aus
längst vergangenen Zeiten erzählen, wirkt so manche gemachte homophobe oder
rassistische Äußerung in ihrer Schrillheit fast belustigend auf einen.
Gleichzeitig fragt man sich aber mit Blick auf so manchen AfD-Politiker, ob
sich die Zeiten wirklich zum Besseren verändert haben.
Lambert und Beiersdorf haben immer weitgehend ohne Drehbuch und ohne Budget
gearbeitet. Sie erlangten Kultstatus, ohne von ihren Filmen wirklich leben
zu können. Man attestierte Lambert, Berlins Antwort auf Andy Warhol zu sein
und in seinem wohl bekanntesten Film „1 Berlin-Harlem“ (1974) treten gar
Gaststars wie Brigitte Mira und Rainer Werner Fassbinder auf. Aber auf DVD
oder als Stream erhältlich sind die meisten seiner Filme heute trotzdem
nicht.
Als Eröffnungsfilm der Retro wurde „Tiergarten“ (1979) ausgewählt, ein
guter Startschuss (7.7., 15:30 Uhr, Bundesplatz Kino). Führt er doch
perfekt ein in die Welt von LoLa und DaBei. Letztere spielt in dem Film von
Lambert eine Hauptrolle. Schauplatz des Geschehens ist hauptsächlich der
Tiergarten selbst, der von Prostituierten, Freiern und anderen Sexhungrigen
bevölkert ist.
Hinter jedem zweiten Busch wird gepimpert und oft genug vor den neugierigen
Blicken anderer. Dazwischen gibt es die Normalos, die spazieren gehen oder
auf der Parkbank hocken und das Treiben mit ausländer- und queerfeindlichen
Sprüchen kommentieren. Irgendwann taucht eine Art Tiergarten-Ripper auf,
der eine Frau im Park ermordet und weiterhin sein Unwesen treibt. Für eine
Normalo-Frau macht das den Park aber nur noch interessanter und damit den
eh schon kurzweiligen ganzen Film auch.
3 Jul 2024
## LINKS
[1] https://acudkino.de/Programm/verdammt_nochmal_berlin_fucking_city_revisited…
[2] https://www.klickkino.de/
[3] https://www.brotfabrik-berlin.de/events/tiergarten/
[4] http://www.bundesplatz-kino.de/
[5] /Deutscher-Kultfilmer/!5608572
[6] /Trotz-allen-Uebels-positiv/!433736/
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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