# taz.de -- Filmempfehlung fürBerlin: Die große kleine Lambertfamilie | |
> In seinem neuesten Film besucht der inzwischen 73-jährige Regisseur | |
> Lothar Lambert Westberliner Orte, die für seine Arbeiten wichtig waren | |
Bild: Lothar Lambert (links) mit Hans Marquardt und René Koch | |
Schwups, so geht die Zeit dahin. Eben war noch 1984, und man hatte in Kiel | |
eine Lothar-Lambert-Werkschau gesehen, und plötzlich ist schon 2018 und der | |
Westberliner Filmemacher bringt seinen 41. Film ins Kino: „Verdammt noch | |
mal Berlin: Fucking City Revisited“. | |
Das passt ganz gut, weil mich in Kiel, „Fucking City“ (1981) begeistert | |
hatte, und da ich gehört hatte, dass Lambert die Berliner Antwort auf Andy | |
Warhol wäre, hatte ich mir auch später ein paar Warhol-Filme angeschaut, | |
die aber nicht so interessant waren, wie die von Lothar Lambert mit ihren | |
kleinen, großen, beschädigten und meist auch redefreudigen Laiendarstellern | |
aus der Lambertfamilie, auf die das schreckliche Wort von der | |
„Selbstermächtigung“ nicht passt; denn mächtig sind sie sicher nicht und | |
sind dadurch den Zuschauern vielleicht auch näher. | |
Der Schwarz-Weiß-Film „Fucking City“ ist sein vielleicht düsterstes Werk. | |
Es geht um ein trauriges Ehepaar. Der Mann interessiert sich nur noch für | |
seine Frau, wenn sie mit anderen Männern als Pornodarstellerin für ihn | |
posiert. Ihr schwuler Kollege ist auf der rastlosen Suche nach immer neuen | |
Sexpartnern. Dann kommt auch noch dessen naiv gestaltete Schwester zu | |
Besuch. Das Ende ist schrecklich. | |
„ ‚Fucking City‘ is located at the intersection of ‚Taxi zum Klo‘ and | |
‚Angst essen Seele auf‘. But it’s funnier, sadder, more critical and more | |
compassionate than either of them“, schrieb der berühmte Filmkritiker J. | |
Hoberman. | |
In „Fucking City – Revisited“ besucht der inzwischen 73-jährige Regisseur | |
Westberliner Orte, die in seinen Filmen wichtig waren, unter anderem auch | |
den Türkischen Basar im damals stillgelegten Hochbahnhof Bülowstraße, der | |
auch hier eine Rolle spielt. | |
Die Eingangsszene von „FC-Revisited“ ist großartig. Begleitet von | |
pathetischer Musik, wie ein Superstar bei seinem Comeback, sieht man den | |
Filmemacher – mittlerweile am Stock – wie er die Aussichtsplattform des | |
Westberliner Funkturms erklimmt und – aus dem Off – erzählt: „Höhenangst | |
rangiert auf der Liste meiner Ängste ziemlich weit vorn. Extrem darf es | |
möglichst in meinen Filmen zugehen, nicht im Leben.“ | |
Er erzählt von seiner Kindheit in Lichterfelde; man sieht den kleinen | |
Lothar, dann ein Foto seiner Eltern: „Das Brautpaar glücklich einer mit | |
Doppelselbstmord endenden Zukunft entgegenblickend. Und Klein-Lothi, die | |
männliche Shirley Temple von Lichterfelde, noch allzu gern im Mittelpunkt | |
stehend.“ | |
Die Eltern hatten sich 1988 das Leben genommen. „Ich war zunächst gar nicht | |
in der Lage, einen richtigen Film zu drehen – das hatte vor mir gelegen wie | |
eine riesige Aufgabe, die ich nicht bewältigen kann“, heißt es ein bisschen | |
versteckt in den Notizen zu „Liebe, Tod und kleine Teufel“ (1988) auf | |
„LoLas“ Internetseite. | |
Die Filmbeschreibung ist ein kleines Kunstwerk: „Ein tuntiger | |
Kleindarsteller erwartet daheim seine lesbische Freundin, um sich mit ihr | |
Lothar Lamberts „Gestatten, Bestatter!“ im Fernsehen anzuschauen. Aber | |
nicht, dass die kerlige Kollegin eine etwas eigenwillig gestrickt wirkende | |
Frau mitbringt, welche wenig mehr von sich gibt als lautes Gelächter. | |
Auch schneit der türkische Freund des Mannes zu einem überraschenden Besuch | |
herein, beginnt mit der gackernden Frau zu flirten, und der – von dem | |
Schwulen und der Lesbe bissig kommentierte – Film erfüllt ebenfalls nicht | |
die Erwartungen.“ | |
Im weiteren Verlauf geht’s zum Zoo-Palast, wo Fassbinder und Ingrid Caven | |
1974 in „1 Berlin-Harlem“ zu sehen waren, zur Schöneberger Kneipe | |
Leuchtturm, wo Klaus Nomi 1971 in „Ex und hopp“ extra mit falschen Tönen | |
sang, damit es authentischer wirkt. | |
Man sieht Lambert in der U-Bahn oder bei der Vernissage einer | |
Lothar-Lambert-Ausstellung. Jemand erzählt von den Ich-Angeboten der | |
Lambertfilme, von den Ich-Reihen, vom Ich, das mit sich selbst spielt in | |
verschiedenen Rollen. Nilgün Taifun, eine der Lambertstars, sagt, Berlin | |
sei „das einzige Fleckchen auf der Welt, auf dem Nationen nicht zählen, nur | |
Liebe“. | |
Der 2012 verstorbene Underground-Filmemacher und Lothar-Lambert-Fan Carl | |
Andersen taucht noch einmal auf, und Filmhistoriker Claus Löser von der | |
Brotfabrik wundert sich, dass ein „enorm politischer Film“ wie „Ein Schuss | |
Sehnsucht – Sein Kampf“ von 1973 in den aktuellen Rückschauen auf „1968�… | |
nicht wiederentdeckt wurde. | |
Wobei die Verknüpfung des Kampfs um sexuelle Identität mit dem Protest | |
gegen das politische System“ vermutlich eher Wolfram Zobus zuzuschreiben | |
ist, mit dem der Lambert viel zusammengearbeitet hatte. | |
In der Mitteilung heißt es, „Fucking City Revisited“ sei womöglich Lamber… | |
letzter Film. Ich wünsche mir eine Zugabe. | |
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
7 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Detlef Kuhlbrodt | |
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