| # taz.de -- Elevator Boys starten Musikkarriere: Sweete Blicke und Fahrstuhlmus… | |
| > Die Elevator Boys sind als Internetphänomen bekannt gerworden. Jetzt | |
| > starten sie ihre Musikkarriere. Wer sind sie und was machen sie? | |
| Bild: Bringen Tiktok-Steifheit auf die Bühne: die Elevator Boys | |
| Berlin taz | Etwa eine halbe Stunde vor Beginn des Konzertes herrscht | |
| Totenstille vor dem Festsaal Kreuzberg. Eine Menschenmenge sammelt sich | |
| dagegen am Seiteneingang. Wer hier wartet, steht auf der Gästeliste. Die | |
| High Society der deutschen Influencerwelt hat sich an diesem Donnerstag | |
| Mitte Juli versammelt, um dem ersten Livekonzert der Elevator Boys zu | |
| lauschen. | |
| Es ist heiß und die dezent schwitzenden Influencerkörper glänzen im warmen | |
| Licht des Sonnenuntergangs. Männer mit Tanktops und dickem Bizeps, Frauen | |
| mit Fake Tans und Extensions, Schönheiten mit makelloser Haut, die lila | |
| „Vogue“-Zigaretten rauchen und dann mit ihren Kitten Heels austreten – al… | |
| stehen an, um endlich ihr ganz besonderes Bändchen zu bekommen, mit dem sie | |
| für umme rein dürfen. Damit sie sehen und gesehen werden. | |
| Vor heute Abend hatte sich die Bühne der Elevator Boys noch auf das kleine | |
| Rechteck des Handybildschirms beschränkt. Die Elevator Boys, das sind | |
| Julien Brown, Luis Freitag, Jacob Rott, Tim Schaecker und Bene Schulz. Sie | |
| kommen aus der Nähe von Frankfurt und sind alle etwa Anfang 20. Eigentlich | |
| kennt man sie von Tiktok. Seit 2021 posten sie dort Videos und verdrehen | |
| User_innen den Kopf. | |
| [1][Viele Videos] folgen einem ähnlichen Prinzip. Oben ein Schriftzug „POV | |
| (Point of View): You enter the elevator“. Also: „Stell dir vor, du | |
| betrittst einen Aufzug“. Das Video ist dann deine Perspektive: Du drückst | |
| auf den Knopf, die Tür öffnet sich, fünf Männer erscheinen. Erst gucken sie | |
| verschmitzt, aber mit dem Wissen darum, wie heiß sie gerade aussehen, zu | |
| Boden. Dann schaut einer direkt in die Kamera, wie in deine Augen. [2][Der | |
| Blickkontakt ist fast unerträglich vor Spannung]. Der Typ schaut an dir | |
| runter, beißt sich auf die Lippe und schaut weg. Dann lächelt er den | |
| anderen Jungs zu. Ende. | |
| ## Flirten und beleidigt werden | |
| Dieser besonderen Inszenierung haben die Fahrstuhljungs übrigens auch ihren | |
| Namen zu verdanken. Die Videos dauern meist knapp 10 Sekunden, können sich | |
| aber anfühlen wie eine Ewigkeit – für einige weil romantisch, für andere | |
| weil unangenehm. Die POV-Videos sind nicht immer auf den Aufzug beschränkt, | |
| mal flirten die Jungs auch [3][auf offener Straße], mal [4][auf einer | |
| Rolltreppe]. [5][In anderen Videos] präsentieren sie [6][ihre muskulösen | |
| Körper], tanzen oder lipsyncen, bewegen ihre Lippen also zu Liedern, die | |
| andere singen. Dank dieser Clips haben die Elevator Boys heute 2,5 | |
| Millionen Follows auf Tiktok, 747.000 auf Instagram. Aber natürlich gibt es | |
| nicht nur Fans. | |
| Oft sieht man die Videos der Jungs auf sogenannten Cringe-Accounts auf | |
| Instagram und Tiktok. Da können sich Digital-Masochisten Clips ansehen, die | |
| Fremdscham auslösen, wie jene der Elevator Boys. Ein Account heißt | |
| @trynottounfollowchallenge und suggeriert schon im Namen, dass man | |
| eigentlich entfolgen möchte, weil die Videos eben so cringe sind. Am 30. | |
| Juli postete der Account [7][ein Video von Tim und Luis]. Homophobe | |
| Kommentare sammeln sich darunter: „Das ist so schwul“, „Ich wette 50 | |
| Dollar, dass die miteinander rummachen“. | |
| Die Elevator Boys gehen mit dieser Art Öffentlichkeit gelassen um: „Wenn | |
| Accounts unsere Videos posten, finden wir das meistens lustig. Manchmal | |
| sehen wir alte Sachen und lachen auch darüber“, sagt Bene. Ihren Content | |
| hätten sie nie so ernst genommen. Jacob fügt hinzu: „Ich glaube auch, wir | |
| würden nicht alle Videos genauso noch mal drehen. Es ist ein bisschen so, | |
| wie wenn man verkatert aufwacht und denkt, was habe ich letzte Nacht | |
| gemacht?“ Die anderen grinsen. Trotzdem: In einer Partnerschaft mit | |
| [8][HateAid – eine NGO für Menschenrechte im digitalen Raum –] versuchen | |
| die Elevator Boys auf Hass im Netz aufmerksam zu machen. | |
| Im analogen Raum, dem Festsaal Kreuzberg, geht es mit dem Einlass weiter. | |
| Die VIPs durften schon rein. Die normalen Besucher_innen stehen zwar auch | |
| drinnen, aber noch im Vorraum. „Die sind alle unter 18“, mutmaßt ein | |
| Securitytyp. Als auch sie endlich in den Konzertsaal dürfen, stürmen sie | |
| nach ganz vorne zur Bühne, um sich die beste Sicht auf die Boyband zu | |
| sichern. Angekündigt war, dass das Konzert um 20 Uhr beginnt. Eine halbe | |
| Stunde später geht es dann tatsächlich los. Echte Superstars sind selbst | |
| bei ihrem ersten Live Gig zu spät. | |
| ## Alle Klischees | |
| Die Bühne ist in Rot getaucht. Dutzende Handys gehen in die Höhe. Erst | |
| kommen Schlagzeuger, Gitarristin und Bassist auf die Bühne, dann die fünf | |
| Aufzug-Männer. Die Fans kreischen. Die seidigen Haare und kantigen | |
| Wangenknochen der Boys funkeln im Scheinwerferlicht. Jacob trällert die | |
| Lyrics von „Ruin Me“. „Ich bin ein absolutes Wrack, ich bin ein totales | |
| Durcheinander. Baby, schau, was du getan hast. Ich bin ein Wrack für dich.“ | |
| Bei den Worten „für dich“ zeigt er auf ein Mädchen im Publikum. Bene singt | |
| als nächstes, eine Gruppe kreischt laut. Alle Klischees sind erfüllt. Die | |
| Elevator Boys singen auf Englisch, manchmal dringt ein schwacher deutscher | |
| Akzent und ein schiefer Ton durch. Sie spielen astreine, wenn auch | |
| generische Popmusik, die man – ob man will oder nicht – auf dem Heimweg | |
| mitsummen muss. | |
| Als der Beat dropped beginnt die Menge, sich zu bewegen. Erst verhalten, | |
| dann mit jedem Song ausgelassener. Auch die Elevator Boys wirken anfangs | |
| überfordert von der großen Bühne, die sie auf einmal bespielen. Sie bewegen | |
| sich, als müssten alle Gliedmaßen auf das Format eines Handybildschirms | |
| passen. Sie brauchen ein bisschen, bis sie lockerer werden. | |
| „Wir wollen einfach mal was zurückgeben“, sagt Bene zwischen zwei Liedern. | |
| Sie begrüßen alle Gäste und bedanken sich, natürlich auch auf Englisch für | |
| internationale Gäste. Beim nächsten Song wechseln Tim und Jacob „Wir haben | |
| es geschafft“-Blicke. Es folgt eine gemeinsame Trinkunterbrechung wegen | |
| eines Werbedeals mit irgendeiner Getränkemarke. Jede Bewegung sitzt, | |
| vermutlich dutzendfach geprobt. | |
| Eine Gruppe Mittzwanziger – denn es sind doch nicht alle im Publikum | |
| minderjährig – erzählt, dass sie „total ironisch“ hergekommen seien. Auf | |
| der Zugfahrt haben sie in Dauerschleife den neuen Song „Scared to Love“ | |
| gehört und brüllen textsicher mit, als die Elevator Boys den Song spielen. | |
| Auch ein Schild haben sie gebastelt, auf dem steht „I <3 Elevatormusic“ – | |
| also Fahrstuhlmusik. Andere Menschen haben diesen Spruch auf ihre Shirts | |
| gedruckt. Das seien alles Bekannte der Band, erklärt eine der | |
| T-Shirt-Trägerinnen. | |
| Auch die Familien sind anwesend und stehen oben auf der Tribüne, manche in | |
| eben diesen bedruckten Shirts. Ständig werfen die Jungs Blicke hoch, Tim | |
| winkt. Jemand jubelt zurück, ein anderer gibt zwei Daumen hoch. Eine Oma | |
| wippt mit Tränen in den Augen zur Musik. Die Tribüne strotzt vor Stolz. | |
| Jacob erzählt später, dass diese Reaktion auch eine Erleichterung war: | |
| „Unsere Eltern waren die ganze Zeit so weit entfernt von dem, was wir da | |
| tun. Es ist schön, ihnen jetzt was Greifbares geben zu können.“ | |
| Nach etwas mehr als einer halben Stunde ist das Konzert vorbei. Mehr Songs | |
| gibt es noch nicht. Das Publikum, das auf eine Zugabe hofft, wird etwas | |
| perplex, aber mit dem Versprechen einer After-Show-Party zurückgelassen. | |
| Auch die Jungs haben Bock auf mehr. „Wir werden alles dafür geben, dieses | |
| Jahr noch mal vor einem größeren Publikum zu spielen“, sagt Jacob später | |
| der taz. „Ansonsten wollen wir einfach mehr Musik machen.“ Die Musik helfe | |
| dabei, nicht nur aufs Aussehen reduziert zu werden, meint Luis, und Bene | |
| ergänzt: „Es geht mehr um unsere Persönlichkeit.“ Und als wäre das | |
| Musik-Business ganz ehrlich und echt, erklärt er: „Die Tiktok-Welt war oft | |
| ein Schauspiel“. Diese Social-Media-Hülle wollen sie mit Leben und | |
| Charakter füllen – und zwar durch neue Musik. Das Publikum wird sich sicher | |
| über ein paar mehr Tracks freuen. | |
| 30 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tiktok.com/@jacob_rtt/video/7000085071965228293?lang=en | |
| [2] https://www.tiktok.com/@timschaecker/video/7009709285387029766?lang=en | |
| [3] https://www.tiktok.com/@jacob_rtt/video/7088771132509162757?lang=en | |
| [4] https://www.tiktok.com/@bene.schulz/video/7033089966150405381?lang=en | |
| [5] https://www.tiktok.com/@jacob_rtt/video/7010082869250919685?lang=en | |
| [6] https://www.tiktok.com/@jacob_rtt/video/7215288626979081477?lang=en | |
| [7] https://www.instagram.com/p/C9pqi9jJIZV/?hl=en | |
| [8] /Antisemitismus-in-Sozialen-Medien/!5907950 | |
| ## AUTOREN | |
| Valérie Catil | |
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