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# taz.de -- Schweriner Schloss jetzt Weltkulturerbe: Später Traum von dynastis…
> Das Residenzensemble ums Schweriner Schloss ist Weltkulturerbe. Erste
> Initiativen gab es vor über 20 Jahren.
Bild: Als Teil eines Ensembles von Interesse: Schweriner Schloss
Braunschweig taz | Nun ist es also Unesco-Weltkulturerbe: das
Residenzensemble rund um das Schloss in Schwerin. Am Samstag hat das
Welterbe-Komitee, das dieses Jahr für zehn Tage in Neu-Delhi zusammenkam,
über die 2023 bei der Unesco in Paris eingereichte Bewerbung aus
Mecklenburg-Vorpommern positiv beschieden.
Deutschland ist bereits mit gut 50 Stätten vertreten, darunter in
Norddeutschland kulturelles Welterbe wie das Bremer Rathaus inklusive
Roland auf dem Marktplatz oder die Hamburger Speicherstadt mit
Kontorhausviertel und Chilehaus.
Das Prozedere war wie stets sehr langwierig. Erste Initiativen kamen um das
Jahr 2000 aus der Bevölkerung, so vom Verein Pro Schwerin. Stadt- und
Landespolitik reagierten mit Unverständnis, gar Ablehnung.
Überzeugungsarbeit war notwendig.
Der Kunsthistoriker und Mitbegründer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz,
Gottfried Kiesow, sagte Unterstützung zu. Die Organisation ist mit über
200.000 Förder:innen die wohl größte Bürgerinitiative Deutschlands,
zumindest aber einflussreich in Sachen historischer Baukultur.
## Es geht nicht nur ums Schloss
2007 folgte ein Landtagsbeschluss zum „Weltkulturerbe Schlossensemble
Schwerin“. Die Stadt, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
und der Landtag Mecklenburg-Vorpommern nahmen konkrete Arbeit auf. 2014
ward eine weitere Hürde bezwungen: das Ensemble schaffte es auf die
deutsche Kandidatenliste.
Rückenwind bedeutete 2017 die Fachtagung des „International Council on
Monuments and Sites“ (ICOMOS) im Schweriner Schloss, jener
Beratungsorganisation der Unesco also, die 2023 auch die Bewerbung zu
beurteilen hatte und neuerlich nach Schwerin anreiste.
Konferenzen sowie Expert:innenrunden weiteten stetig das
stadträumliche Betrachtungsfeld des [1][Welterbe-Aspiranten]: Es ging nicht
bloß um das Schloss, jenen mecklenburgischen Traum von Chambord in
schönster Neo-Renaissance, wie das Berliner Architekturmagazin Bauwelt
einmal spottete, sondern mit dem Residenzensemble um eine Kulturlandschaft
des romantischen Historismus aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.
Sie umfasst rund 35 Bauten, die sich bis in die Altstadt erstrecken, und
eine nach Konzepten des preußischen General-Gartendirektors Peter Joseph
Lenné zeittypisch umgestaltete Parkanlage im Kontext des Schlosses.
Was ist nun das Besondere an dem Residenzensemble? Wie erfüllt es die
Kriterien der Unesco, die 1972 durch die Welterbekonvention festgelegt
wurden, um als „Zeugnis einer Kultur und Erbe von besonderer
menschheitsgeschichtlicher Bedeutung“ anerkannt zu werden?
Da wäre die geforderte „Authentizität“, die historische Echtheit eines
Kulturguts. Hier kann das Residenzschloss mit seiner über 1.000-jährigen
Geschichte punkten. Es darf sich auf Reste eines slawischen Burgwalls
stützen, die der siegreiche Heinrich der Löwe 1160 für einen neuen
Herrschaftssitz nutze – und gleich die [2][Stadt Schwerin] mitgründete.
Es folgten unzählige Erweiterungen und Umbauten, ab 1348 unter den Herzögen
zu Mecklenburg, aber auch die Verwüstung zweier Flügel, 1913 in einem
Großbrand. Das Äußere wurde schnell wiederhergestellt, das Innere, das auch
den einst opulenten „Goldenen Saal“ umfasste, blieb Provisorium.
Die DDR ließ 1972 dann eine über 300 Tonnen schwere Betonkonstruktion für
einen Konzertsaal einbauen. Bis 2017 zurückgebaut, dient dieses
Raumreservoir nun dem Landtag als Plenarsaal mit Besuchertribünen.
## Monarchische Symbolik
Das wirft die Frage nach dem Kriterium „Integrität“, einem unversehrten
Erhaltungszustand, auf. Das Schloss mag da vielleicht kein Vorzeigeobjekt
sein, wohl aber das weitere Residenzensemble. Es entstand wie in einem
Guss ab dem frühen 18. Jahrhundert, mit Höhepunkt der Bauaktivität zwischen
1842 und 1857, als funktional und ikonografisch aufeinander bezogene
Architekturen. Und repräsentiert monarchische Symbolik, religiöse
Legitimierung, Staatsverwaltung, militärische Funktionen und höfische
Infrastruktur, hieß es in der Bewerbung.
Wie ein Wunder überlebte der Baubestand den Zweiten Weltkrieg. Auch eine
gewisse Funktionskontinuität, ein in der Denkmalpflege geschätzter
Sachverhalt, ist gewährleistet: Die alte Artilleriekaserne von 1862 etwa
dient nach Umbau und Sanierung dem Fiskus, das 1911 im Reformstil erbaute
Archivgebäude, einer der letzten [3][repräsentativen Bauten im
Residenzensemble], behütet bis heute die Landesarchivalien.
Alles bestens somit? Sicherlich, jede:r gönnt gerade den neuen
Bundesländern solch Auszeichnung, die sich auch touristisch vermarkten
lässt. Aber das Schweriner Residenzensemble steht eben auch für den
Triumph der [4][Reaktion nach 1848] und eine überkommene dynastische
Herrschaftsform, die sich mittels historischer Stilformen in ihren Bauten
eigener Legitimität und geschichtlicher Kontinuität versichern wollte. Das
merkte ein Fachbeirat an, sprach sich 2014 dennoch für eine Kandidatur aus.
28 Jul 2024
## LINKS
[1] /Herrnhuter-Bruedergemeine/!6022760
[2] /Kunst-ueber-eine-Kleinstadt-in-Vorpommern/!6024366
[3] https://www.welterbe-bewerbung-schwerin.de/
[4] /Garnisonkirche-Potsdam/!5998931
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## TAGS
Schwerin
Unesco-Welterbe
Geschichte
Architektur
Unesco-Welterbe
Techno
Lesestück Recherche und Reportage
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