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# taz.de -- Fatale Verwechslung: Wenn das Brillen-Case Käs' ist
> Manchmal lösen sich Missverständnisse auf überraschende Weise. Am Ende
> kann man sogar darüber lachen.
Es ist ein heißer Tag. Eine Freundin und ich treffen uns in einem
Brillenladen. Sie will sich eine [1][Brille] sowie eine Sonnenbrille mit
Sehstärke kaufen. Schon länger hat sie das vor. Zufällig gefällt ihr sofort
das erste Gestell, das sie aufsetzt. Dann suchen wir noch nach einer
schönen Sonnenbrille.
Die erste Verkäuferin, die uns bedient, wirkt etwas abgelenkt mit einer
anderen Kundin. Schließlich kommt eine andere Verkäuferin dazu, die Wärme
ausstrahlt. Meine Freundin fühlt sich sofort wohl bei ihr. Manchmal ist es
entscheidend, wer einen berät bei größeren Anschaffungen.
Die Verkäuferin macht mit ihr einen Sehtest und zeigt ihr dann
Sonnenbrillen, die uns bislang nicht aufgefallen sind. Ein Modell gefällt
ihr sofort. „Wenn sie beide Brillen zusammen nehmen, bekommen Sie einen
Rabatt“, sagt die Verkäuferin. Doch dann rechnet sie aus, wie viel die
Gläser zusätzlich noch zu den Brillengestellen kosten.
Meine Freundin entscheidet erst einmal, nur die Sehbrille zu nehmen und die
Sonnenbrille noch nicht. Am nächsten Tag entschließt sie sich dann doch
noch, die Sonnenbrille dazuzunehmen. Sie hat eine lange Autofahrt in den
Urlaub vor sich. Es wäre gut, beim Fahren eine Sonnenbrille mit Sehstärke
zu haben.
## Die Verkäuferin bleibt stumm
Etwa zwei Wochen später holt sie schließlich beide Brillen im
Brillengeschäft ab und hinterlässt mir kurz darauf eine Sprachnachricht:
„Mir ist etwas passiert“, sagt sie. „Ich muss dir eine Geschichte
erzählen!“
Ein paar Tage darauf erzählt sie mir im [2][Freibad] am Beckenrand, wie sie
allein im Brillenladen die beiden Brillen abgeholt hat: „Die nette
Verkäuferin vom ersten Mal war nicht da.“ Eine andere Verkäuferin habe ihr
die Brillen mit ihren Sehstärken-Gläsern rausgeholt. Während die
Verkäuferin hantierte, schaute meine Freundin auf die Rechnung, die auf dem
Tisch lag und war erschrocken über den Preis. So günstig waren die beiden
Brillen zusammen selbst mit Rabatt dann doch nicht.
Ich würde die Freundin von mir nicht als einen Menschen bezeichnen, der
Dinge laut für sich einfordert. Doch der höhere Preis löste in ihr aus,
dass sie klar sagte: „Dann möchte ich aber bitte auch ein Case haben.“ Die
Verkäuferin schaute sie stumm an. Sie antwortete nicht.
Die Freundin von mir ist als Kind zunächst englischsprachig aufgewachsen.
Vielleicht lag es daran, dass sie wie selbstverständlich Case sagte,
ausgesprochen etwa „keys“, und nicht beispielweise Etui. „Ich möchte für
beide Brillen zwei Case haben“, setzte sie hinzu. Die Verkäuferin schaute
sie weiter an, ohne etwas zu sagen.
Die Situation war merkwürdig. Warum reagierte sie nicht? Die Freundin von
mir wiederholte: „Ich möchte zwei Case haben.“ Die Verkäuferin wirkte etw…
verlegen. Fast eingeschüchtert. Wir können Ihnen einen Eis-Gutschein
anbieten, sagte sie dann schließlich.
„Einen Eis-Gutschein?“ Meine Freundin war irritiert. „Ich möchte keinen
Eis-Gutschein. Ich möchte zwei Case haben.“
„Aber wir haben kein Käs’“, sagte die Brillenverkäuferin. Eine Stille
entstand. „Käs’?“, fragte meine Freundin. „Ja, wir sind ein
Brillengeschäft. Wir haben keinen Käs’.“
„Ich meine Case. Brillenhüllen“, antwortete meine Freundin. „Ach sooo“,
sagte die Verkäuferin. Meine Freundin war perplex: „Sie dachten, ich hätte
Käs’ gemeint anstatt Case“, sagte sie.
„Ja. Ich dachte schon, sie wollten sich lustig machen“, sagte die
Verkäuferin etwas schüchtern. „Nein, natürlich nicht! Das war ein
Missverständnis.“ Schließlich bekam meine Freundin ihre zwei Etuis und
verließ den Laden. Das Missverständnis war ihr unangenehm.
Im Schwimmbecken lachten wir. Wie absonderlich muss es für die
Brillenverkäuferin gewesen sein, dass da eine Frau im Brillengeschäft vor
ihr so vehement nach [3][Käse] verlangte. Wie sie der Frau dann, um sie
beruhigen, sogar einen Eisgutschein anbot. Immerhin hatte sich die
Geschichte aufgelöst. Wer weiß, wie oft wir uns sonst zwischen Case und
Käs’ missverstehen.
6 Aug 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Christa Pfafferott
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Optiker
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