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# taz.de -- Die Wahrheit: „Brauchen Sie etwa eine Lesehilfe?“
> Die Wahrheit hat investigativ nachgerechnet: Seit 2016 hat CDU-Chef Merz
> bei der Brillen-Discounter-Familie Fielmann das Sagen.
Bild: Brillenkönig im Glück: Friedrich Merz kann sein Glück kaum fassen
Als der Hamburger Optikermeister Günther Fielmann 1972 in Cuxhaven sein
erstes Brillengeschäft aufsperrt, trägt Friedrich Merz im
nordrhein-westfälischen Brilon ein Kassengestell mit Fensterglas.
Knapp 17 Jahre alt ist der schlaksige passionierte Mofafahrer, und er will
hoch hinaus, deshalb das Fensterglas. In seinem Geburtsort Brilon ist der
Sohn eines Richters bekannt für seine Hechtsprünge mit Brille im
Waldfreibad Gudenhagen.
Mitten im Hochsauerlandkreis auch heute noch gelegen und im Sommer
geöffnet, trifft Joachim-Friedrich Martin Josef Merz, so sein ganzer Name,
im Sommer 1974 dort auf den doppelt so alten Günther Fielmann, 34, der
bereits seit 1961 seinen Jahresurlaub im Campingpark Brilon nahe dem
Waldfreibad Gudenhagen verbringt.
Sie gehen jeweils in Badehose bekleidet aneinander vorbei. Beide ahnen noch
nicht, dass sie 42 Jahre später brillentechnisch und vor allem geschäftlich
zusammenkommen werden. Keiner von ihnen wittert zum damaligen Zeitpunkt, es
ist ein ungewöhnlich heißer 17. Juli 1974, den für Merz lukrativen Share
Deal.
## Hechtsprung mit Brille auf der Nase
Friedrich Merz setzt, nachdem er im Waldfreibad Gudenhagen Günther Fielmann
passiert hat, der damals eine dunkelblaue Badehose mit Geldtascheneinsatz
trägt, zu einem erneuten, denn es ist an diesem Sommertag wirklich sehr,
sehr heiß, Hechtsprung mit Brille an. Der Sprung glückt, trotzdem bleibt
Merz allein, die Mädchen und Frauen beachten ihn einfach nicht.
Günther Fielmann fällt er gar nicht erst auf, der holt sich „nur“ ein
Wurstgulasch am Kiosk des Waldfreibads Gudenhagen, bevor ihm, angekommen
beim Fielmann’schen Vorzelt, auffällt, dass er ohne Brille losmarschiert
war. „Na, so was“, denkt sich Fielmann und genehmigt sich einen Eierlikör.
Dann widmet er sich erneut dem Auf- und Ausbau seines Filialnetzes,
mittlerweile sind es über 600 in Deutschland – auch dank des Merz’schen
Durchblicks. Doch dazu später mehr.
Wie heißt es schon bei Wilhelm Busch: „Wer durch des Argwohns Brille
schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut.“ Günther Fielmann kann damals
nichts mit diesem Spruch anfangen, „auch heute nicht“, wie er in einem
seiner seltenen Interviews zu Beginn der nuller Jahre sagt, und macht
einfach immer weiter in Brillen, auch Lesehilfen oder Nasenfahrräder
genannt.
Friedrich Merz hingegen macht nach seinen wilden, unerfüllten Jahren im
Waldfreibad Gudenhagen nicht einfach so weiter. Als Stipendiat der
Konrad-Adenauer-Stiftung fuchst er sich in das Funkamateurwesen ein. Der
heute 67-jährige ist mittlerweile ein waschechter „Ham“ von englisch „ham
radio operator für amateur radio operator“, wie Wikipedia weiß.
Merz besitzt demnach wie 62.710 andere Deutsche auch eine
„Prüfungsbescheinigung“, um senden zu dürfen. Das tut er heutzutage
ausgiebig sowohl in der Hamburger Firmenzentrale von Fielmann als auch
immer schon als „hochgradig politischer Anwalt“, wie der Briloner es einmal
in einem Funkspruch funkte.
## Wasserdichte Sause des Rotary Clubs Hochsauerland
Merz kann außerdem und bekanntlich fliegen. Mit seiner Diamond DA62 hat er
Günter Fielmann nach den „schwierigen, doch letztlich erfolgreichen
Business-Verhandlungen bezüglich meiner Übernahme der Fielmann AG in
Hamburg-Barmbek“ (O-Ton Merz) von Gmund am Tegernsee in die Hansestadt
geflogen. Das war 2016. Warum der heutige Arnsberger Appetit auf die
Einverleibung des Brillengiganten bekam und warum der bis dato als in der
Brillenbranche „knallhart“ geltende Fielmann senior dem Verkauf zustimmte,
hat mutmaßlich Gründe in einer komplett entgleisten, aber juristisch
wasserdichten Sause des Rotary Clubs im Hochsauerland zum Jahreswechsel
2015.
Das Gmundner Ferienhaus und die Fielmann AG gehören dem Klarinettenspieler
und derzeitigen Oppositionsführer im Deutschen Bundestag bis heute. Nach
monatelangem Auswerten von Kontoauszügen kann die Wahrheit das auf Heller
und Cent belegen. Merz hat demzufolge durch einen Share Deal das
Unternehmen Fielmann 2016 quasi als Ganzes übernommen.
Einzige Bedingung, die Günther Fielmann auf den letzten Vertragsmetern
durchsetzen konnte: Der CDU-Politiker und damalige
Blackrock-Aufsichtsratsvorsitzende trägt vertraglich bedingt seit April
2022 nun ein Fielmann-Brillengestell. „Als nette Geste an die Familie
Fielmann“, lässt Merz auf Anfrage ausrichten. Und falls man selber mal
„eine Lesehilfe“ brauche, könne man „sicher ins Geschäft kommen“.
15 Nov 2022
## AUTOREN
Harriet Wolff
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