# taz.de -- Betrug auf Fitnessapp Strava: Joggen oder joggen lassen? | |
> In Südostasien laufen „Strava-Jockeys“ für zahlende Kunden. Damit lassen | |
> sich die eigenen Fitness-Werte aufpolieren. | |
Bild: Warum eigentlich noch selbst schwitzen, wenn es auch andere für einen tu… | |
In holprigem Englisch bietet @dorst622 auf Singapurs Kleinanzeigenportal | |
Caroussel.sg seine Dienste unter dem Begriff „Strava Jockey“ an. Er laufe | |
Strecken auf Zeit, mindestens 5, maximal 20 Kilometer. Je größer die | |
Distanz, desto höher der Preis. „Läufe an gesonderten Locations mit | |
Preisaufschlag“, heißt es im Inserat, ohne Zahlen zu nennen. Treffpunkt ist | |
der Punggol Park im Nordwesten des südostasiatischen Stadtstaates. | |
[1][Strava ist eine fitnessorientierte Handy-App] mit einer Mischung aus | |
Sport- und Trainings-Tracking samt sozialem Netzwerk. Sie wird vor allem | |
von Läufern und Radfahrern genutzt. Nach Angaben der dahinter stehenden | |
gleichnamigen US-Firma aus San Francisco gibt es mehr als 120 Millionen | |
Nutzer in über 190 Länder. | |
Der vom schwedischen Wort sträva abgeleitete Name Strava bedeutet | |
„Streben“. Die per GPS erfassten Sportdaten etwa zu Geschwindigkeit, Dauer, | |
Route und Höhenmetern werden von der App dokumentiert und können mit den | |
eigenen Leistungen wie mit denen von Sportsfreunden verglichen werden. Auch | |
gibt es Bestenlisten und damit Vergleiche und Wettkämpfe im digitalen Raum. | |
[2][Gute Werte bezeugen die eigene Fitness,] steigern das Selbstwertgefühl | |
und beeindrucken Freunde und Kollegen. Das Geschäftsmodell der Strava | |
Jockeys nutzt diesen Geltungs- und Mitteilungsdrang, den auch andere | |
soziale Netzwerke fördern, aber auf unfaire und unsportliche Art, indem sie | |
Kunden gegen Geld ermöglichen, sich mit fremden Federn zu schmücken. „Wenn | |
es nicht auf Strava ist, ist es nie passiert,“ lautete bisher der Slogan | |
der App. „Wenn es nie passiert ist, ist es trotzdem auf Strava“, wäre jetzt | |
passender. | |
Mutmaßlich begann der Trend in Indonesien, [3][schrieb Singapurs | |
Staatssender Channel NewsAsia (cna) Mitte Juli auf seiner Webseite,] der | |
als erstes Medium darüber berichtete. Unter dem Hashtag #jokistrava hatte | |
am 3. Juli ein Nutzer namens @hahahiheho auf Indonesisch die wohl eher | |
satirisch gemeinte Nachricht auf X gepostet: „Übrigens, ich öffne einen | |
Strava Jockey Service. Aber die Person, die laufen wird, ist mein Bruder, | |
der ein guter Läufer ist. Der Preis ist abhängig von Tempo, Kilometer etc.“ | |
Bebildert war der Post mit einem Routenverlauf aus dem Videospiel Grand | |
Theft Auto: San Andreas. | |
## 10.000 Rupiah pro Kilometer | |
In kurzer Zeit ging der Post von @hahahiheho viral. Inzwischen wurde er | |
900.000-mal angesehen und brachte in Indonesien, wo es 1,2 Millionen | |
Strava-Nutzer geben soll, offenbar manchen dazu, sich selbst als Jockey | |
anzubieten. „Mein Hobby ist Laufen, so dachte ich, ich sollte die Situation | |
nutzen und daraus ein Geschäft machen,“ sagte der 17-jährige Wahyu | |
Wicaksono zu Channel NewsAsia. | |
Er berechne 10.000 indonesische Rupiah (etwa 57 Euro-Cent) pro Kilometer | |
bei einem Tempo von vier Minuten pro Kilometer. Laufe er nur halb so | |
schnell, koste es auch nur die Hälfte. Gezahlt werde, bevor er im | |
Strava-Account des Kunden eingeloggt loslaufe. | |
Einmal habe er bereits 100.000 Rupiah (5,70 Euro) am Tag verdient. Seine | |
Kunden hätten in der Regel mehr Geld als Zeit und seien älter als er, sagt | |
er. „Sie müssen tagsüber arbeiten und können nicht laufen gehen.“ Ihm | |
reiche ein Kunde pro Tag. „Das ist ein angenehmer Job, denn Laufen ist mein | |
Hobby.“ Er werde jetzt für etwas bezahlt, das er ohnehin aus Spaß mache. | |
## Verstoß gegen das Prinzip sportlicher Fairness | |
Manche Apps zahlen künstliche Währungen, kleine Belohnungen oder Boni aus, | |
wenn Nutzer hohe Werte erreichen. Und bei manchen Vielfliegerprogrammen ist | |
es auch möglich, gesammelte Bonusmeilen auf andere Personen zu übertragen | |
und so damit zu handeln. Kostenlose Apps und soziale Netzwerke leben davon, | |
dass sie Nutzerdaten und -profile an Werbekunden verkaufen. Dass jetzt | |
Sportler auf die Idee gekommen sind, ihre sportlichen Leistungen selbst zu | |
vermarkten, ist eigentlich folgerichtig. | |
Doch verstößt die Übertragung privater sportlicher Daten zu einem zahlenden | |
Kunden gegen das Prinzip sportlicher Fairness. Im Kampf um Anerkennung und | |
Geltung ist es eine Art Datendoping hinter dem Rücken von Sportsfreunden. | |
Wie geht Strava damit um? „Laut unseren Nutzungsbedingungen müssen | |
Strava-Athleten zustimmen, nur einen Account für ihren persönlichen | |
Gebrauch zu nutzen und diesen und die Zugangsdaten nicht mit anderen zu | |
teilen“, erklärte Strava-Sprecher James Foster auf Anfrage der taz. Wer | |
dagegen verstoße, werde von der Plattform ausgeschlossen. Das Risiko dürfte | |
für die Jockeys, die in fremdem Namen schwitzen, sehr gering sein, | |
zumindest viel geringer als für ihre Kunden. | |
24 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kolumne-Nullen-und-Einsen/!5478012 | |
[2] /Fitness-auf-Social-Media/!5926501 | |
[3] https://www.channelnewsasia.com/asia/indonesia-strava-jockey-trend-viral-ru… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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