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# taz.de -- Fehlende digitale Barrierefreiheit: Onlineshops haben zu viele Hür…
> Die Hilfsorganisation Aktion Mensch und Google haben Onlineshops
> getestet. Das Ergebnis sei „ernüchternd“. Die meisten sind nicht
> barrierefrei.
Bild: Der Kaufabschluss ist oft nicht möglich
Berlin taz | Vier von fünf Online-Shops in Deutschland sind nicht
barrierefrei. Das sagt der Testbericht von Aktion Mensch und Google, der
die 71 größten Onlineshops Deutschlands auf digitale Barrierefreiheit
getestet hat und heute in Berlin vorgestellt wurde.
Hürden verstecken sich nicht im Detail. Schon Auswahl und Kauf eines roten
Kleides in der passenden Größe sei – ohne Benutzen der Maus – online schw…
möglich, berichtet Sophie Geiken. Sie ist eine der Expert*innen, die die
Onlineshops getestet haben, und selbst körperlich oder kognitiv
beeinträchtigt sind. Geiken ist Protagonistin eines der kurzen Videos, die
in Kürze online gehen, und Hilfestellung bei der Beseitigung digitaler
Hürden leisten. Gerade für Menschen, die schlecht oder gar nicht sehen
können, seien Bedienungshilfen wie die Maus das falsche Instrument.
Online-Shops böten zwar oft Umwege über die Tabulatur-Taste – aber gerade
mit der könne man die passende Kleidergröße selten auswählen.
Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, sieht im Fehlen
digitaler Barrierefreiheit ein „massives [1][Exklusionsrisoko]“. Auch
Christina Marx von der Aktion Mensch nennt die Ergebnisse „ernüchternd“: Im
Vergleich zum Vorjahr schnitten die Shops noch schlechter ab. Gerade einmal
15 der 71 getesteten Onlineshops erfüllen die Mindestanforderung
[2][digitaler Barrierefreiheit]: „Bedienung durch Tastatur möglich“. 56
Shops scheiterten demnach bereits an der ersten Hürde und fielen durch.
Ab Juni 2025 sind digitale Hürden keine Option mehr: Als
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird der European Accessibility Act (EAA)
ins nationale Recht überführt und Unternehmen, die die Vorgaben nicht
erfüllen, sanktioniert. Das Gesetz verpflichtet Digitaldienstleister, ihre
Angebote auf digitale Barrierefreiheit – eigentlich Kernkompetenz der
usability – zu prüfen und an die Vorgaben anzupassen. Das Gesetz gilt für
alle Digitaldienstleister, ausgenommen sind nur kleine Unternehmen mit
weniger als zehn Beschäftigten und einem Umsatz unter zwei Millionen Euro.
Bei Nichterfüllung drohen Strafen bis 100.000 Euro.
## Unternehmen wird geholfen
Unabhängig vom Gesetz sei aber wichtig, dass Unternehmen verstehen, dass
Barrierefreiheit ureigene betriebswirtschaftliche Interessen beträfe,
appelliert Dusel. Rund 12.5 Millionen Menschen hierzulande seien
beeinträchtigt, acht Millionen davon schwer. Entgegen der allgemeinen
Wahrnehmung leben diese Menschen aber nicht „im Heim und geben kein Geld
aus.“ Nur rund 800.000 der Betroffenen bezögen Sozialleistungen vom Staat.
Unternehmen gäben viel Geld aus, um neue Zielgruppen zu erschließen. „Warum
dann gut ein Zehntel der Bevölkerung vom Einkauf ausschließen?“, kritisiert
Dusel.
Die UN-Behindertenrechtskonvention hat Deutschland bereits 2009
ratifiziert, hier gehe es also um keine „Charity-Veranstaltung“ oder „etw…
Nettes, was wir tun“, betont Jürgen Dusel. Im Zuge der Digitalisierung im
Nachhinein zu merken: „Die ist nicht barrierefrei!“ ist keine Option. Neben
der tiefen sozialen Dimension, sei Digitale Barrierefreiheit eben auch
„Qualitätsstandard moderner Infrastruktur“. Dusel, selbst stark in seiner
Sehkraft beeinträchtigt, stößt noch auf viele Hürden: „Versuchen Sie doch
mal, mit geschlossenen Augen einen Geldautomaten mit Touchscreen zu
bedienen“.
Hilfe stehe bereit sagt Michael Wahl, Leiter der Überwachungsstelle für
Barrierefreiheit und Informationstechnik des Bundes. Die Stelle berät neben
dem öffentlichen Sektor auch Unternehmen hinsichtlich Barrierefreiheit.
Hohes Potenzial bietet laut Wahl die Künstliche Intelligenz: Wollten
anspruchsvollere Dienste in Anspruch genommen werden, wie die barrierefreie
Darstellung von Graphen oder Schaubildern, helfe die Tab-Taste selten. Es
herrscht aber Informationsfreiheit – die muss also auch digital
barrierefrei garantiert werden.
Gerade mal zwölf der untersuchten Onlineshops seien soweit barrierefrei,
dass die meisten Tester*innen sie nutzen konnten. In Richtung der
anderen ist der Appell klar: „Fangt nicht erst in einem Jahr an, euch das
anzuschauen!“. Digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten, sei [3][weder
schwer] noch teuer – wenn die Barrierefreiheit bei der Programmierung auch
mitgedacht wird.
3 Jul 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Florian Nass
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Gesellschaftliche Teilhabe
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