# taz.de -- Jahrestag des Srebrenica-Massakers: Gedenken an die „Hölle auf E… | |
> Über 8.000 Jungen und Männer wurden am 11. Juli 1995 von Serben im | |
> bosnischen Srebrenica abgeschlachtet. Von Aufarbeitung kann keine Rede | |
> sein. | |
Bild: Eine bosnische Muslima betet am Donnerstag am Grab eines Verwandten in Po… | |
Split taz | Es ist wieder so heiß an diesem 11. Juli wie vor 29 Jahren. | |
Zehntausende Frauen und Kinder wurden unter den Augen von UN-Soldaten | |
zusammengetrieben. Mehr als 20.000 Männer versuchten, dem Kessel von | |
[1][Srebrenica] zu entfliehen – die multinationale, vor allem von Bosniaken | |
bewohnte Stadt, wurde seit 1995 von Truppen der serbischen Nationalisten | |
unter Ratko Mladić angegriffen. Die Männer versuchten über die Berge ins | |
befreite, 110 Kilometer entfernte, nicht von Serben besetzte Gebiet bei | |
Tuzla zu gelangen. | |
Die Hitze von weit über 30 Grad, der Durst, der ständige Beschuss durch | |
serbische Maschinengewehre sowie die furchtbare Sorge um die Mutter, den | |
Vater, den Bruder, die Freunde und vor allem um die im UN-Lager geblieben | |
Frauen und Kinder: All dies wurde von den Überlebenden später als „Hölle | |
auf Erden“ bezeichnet. | |
Dass die serbischen Soldaten sich noch einen Spaß daraus machten, eine | |
regelrechte Treibjagd auf die unbewaffneten Fliehenden zu veranstalten, ist | |
durch Augenzeugen sowie serbische Filmaufnahmen (des Militärs) belegt. | |
„Ich konnte mein Leid nicht einmal herausschreien, die Verfolger waren uns | |
zu nah“, berichtete kürzlich ein Überlebender, der auch dieses Jahr wieder | |
an dem jährlichen Gedenkmarsch teilnehmen will, der vor Jahren noch von | |
Tuzla aus nach Srebrenica führte. Die Veteranen sind älter geworden, viele | |
sind inzwischen gestorben. | |
## Identität verschleiern | |
Jetzt ist der Weg kürzer. Seit Dienstag sind 2.000 Menschen unterwegs, um | |
dem Leiden der Verfolgten und der über 8.000 Ermordeten zu gedenken. Auch | |
die Reihen der trauernden Mütter von Srebrenica lichten sich. Es werden | |
auch nicht mehr so viele Leichen gefunden, nur 14 werden dieses Jahr | |
begraben. Über 6.700 Grabsteine zählt man auf dem Gräberfeld. | |
Die Gelder für weitere Nachforschungen sind zwar nicht versiegt, es ist | |
aber mühsamer geworden, weitere Knochen zu bergen. Serbische Behörden | |
hatten vor 29 Jahren versucht, die Spuren zu verwischen und die | |
Massengräber nochmals geöffnet, die Leichenteile herausgeholt und woanders | |
begraben. Die Identität der Toten sollte unbekannt bleiben, ja sie sollten | |
als serbisch ausgegeben werden. Doch in Tuzla nach dem Krieg entwickelte | |
DNA-Analysen vereitelten diesen Versuch. | |
Vollständiges Leugnen ist nicht mehr möglich. Serbische Politiker, wie der | |
Präsident des serbisch dominierten Landesteils in Bosnien Milorad Dodik | |
oder der Präsident Serbiens Alexandar Vučić, schwanken zwischen Leugnung | |
und Teilwahrheiten. Angesichts der Beweise betrauerte Dodik am Donnerstag | |
angeblich die Opfer des Verbrechens, wies aber gleichzeitig auf die | |
serbischen Opfer in der Region hin. Ihnen hat man in Kravica ein Denkmal | |
gebaut. Unerwähnt bleibt, dass viele dieser Toten lokale serbische Soldaten | |
waren, die in Kroatien gekämpft hatten. | |
Als Deutschland und Ruanda im Mai 2024 eine Resolution in die | |
UN-Vollversammlung einbrachten, die zum Ziele hatte, den Genozid in | |
Srebrenica als weltweiten Gedenktag einzuführen, war die Bestürzung in der | |
nationalistischen serbischen Führung groß. Dodik verurteilte die Annahme | |
der Resolution scharf. Ausgerechnet in Srebrenica erklärte er, dass es | |
„keinen Völkermord gegeben hat“. | |
## Schwelender Konflikt | |
Zudem freute er sich: Staaten wie China, Russland und Indien hätten die | |
Resolution nicht unterstützt, der Westen habe „keine Mehrheit“. Der Plan, | |
den Serben Völkermord und moralische Disqualifikation aufzuerlegen, sei | |
gescheitert. Aber erst einmal blieb UN-Generalversammlung bei ihrer Linie: | |
Sie bezeichnete das Massaker von Srebrenica als „dunkelstes Kapitel“ des | |
Bosnienkriegs und als „größtes Massaker in Europa nach dem Holocaust“. | |
Bei einer Zeremonie in New York will sie der Getöteten am Jahrestag | |
gedenken. | |
Doch der Konflikt schwelt weiter. Am vergangenen Sonntag geriet [2][ein | |
Aufmarsch serbischer Militärkadetten im bosnischen-serbischen Prijedor] im | |
Rahmen eines Weltkriegsgedenkens zu einer Provokation. Das autokratische | |
Regime in der Republika Srpska jedenfalls manipuliert mit Lügen und | |
Propaganda: Dagegen demonstrierten serbische Oppositionelle am Donnerstag | |
für die Anerkennung des Genozids. Sie fürchten eine weitere Stärkung der | |
Achse Wladimir Putin, Viktor Orbán und Alexandar Vučić. | |
11 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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