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# taz.de -- Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: Eine Person, die Respekt l…
> Demokratisches Miteinander lebt vom Gespräch: Die Essayistin und
> Historikerin Anne Applebaum erhält den Friedenspreis des Deutschen
> Buchhandels.
Bild: Anne Applebaum versteht sich als liberalkonservative Demokratin
Die Entscheidung der Jury überrascht nicht. Sie ist in jeder Hinsicht
verständlich und gut begründet: Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
ist der polnisch-amerikanischen Historikerin und Journalistin Anne
Applebaum zuerkannt worden. Die wesentlich als Essayistin (im
quellengesättigten Metier als Geschichtswissenschaftlerin) wirkende, 1964
in Washington, D. C., geborene Public Intellectual habe „mit ihren so
tiefgründigen wie horizontweitenden Analysen der kommunistischen und
postkommunistischen Systeme der Sowjetunion und Russlands die Mechanismen
autoritärer Machtergreifung und -sicherung offengelegt und sie anhand der
Dokumentation zahlreicher Aussagen von Zeitzeug*innen verstehbar und
miterlebbar gemacht“, heißt es in der Begründung.
Applebaum lebt mit ihrer Familie seit vielen Jahren in Warschau. Ihr Mann
Radosław Sikorski ist Außenminister Polens. Sie absolvierte als Tochter
einer zu den besten Kreisen zählenden, im Reformjudentum beheimateten
Familie eine klassische amerikanische Ausbildung: Studium der Literatur und
der Geschichte an der Yale University, Marshall-Stipendium, London School
of Economics, journalistische Arbeit für alle einschlägigen Medien der
tonangebenden Reviere.
2008 war sie Fellow an der American Academy in Berlin, wo sie ihre größte
Tugend zeigte: Bereitschaft zur gründlichen Debatte, Anerkennung auch von
Argumenten, die ihren eigenen Gedanken bisweilen zuwider liefen. Applebaum
ist eine Person, die Respekt lebt. Ihr weltanschaulicher Fokus fußt auf der
Überzeugung, dass ein demokratisches Miteinander vom Gespräch lebt – und
durch es hergestellt wird. Dabei komme es nicht darauf an, ob nun
konservative oder liberale Positionen die besseren Argumente zeigen,
sondern dass überhaupt ein Austausch stattfindet.
## Korruption, Kontrolle, Propaganda
Applebaum zählt zu den schärfsten Kritikerinnen populistischer Politiken,
in den USA vor allem die der Republikaner unter Donald Trump. Den
Friedenspreis erhält sie nun vor allem für ihr Engagement in
postsowjetischen Fragen: Hierzu zählen Bücher wie „Die Achse der
Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich
gegenseitig an der Macht halten“ (im Herbst 2024), „Die Verlockung des
Autoritären“ (2021) und „Roter Hunger. Stalins Krieg gegen die Ukraine“
(2019). Zur Erklärung des Regimes Putins scheinen ihr Aspekte wie mafiöse
Strukturen, Geldgier und Korruption wichtiger als die Erwägung imperialer
Ziele.
Kritik heimste sie mit ihren Interventionen zum russischen Krieg gegen die
Ukraine ein, als sie die Aggression als „Genozid“ beschrieb, was
möglicherweise auch ihrer Empörung ob der vielen Schönrednereien (von
[1][mitteleuropäisch-pazifistisch] orientierten Szenen und völkischen
Milieus) zu den Motiven Wladimir Putins geschuldet war.
Die Geehrte, meint die Jury des Friedenspreises, mache deutlich, welche
Bedeutung [2][soziale Medien, Verschwörungstheorien und Nostalgie für die
Siegeszüge von Populisten] (wie Putin, Trump, Orban, Kaczynski) hätten.
Durch die differenzierte Herausarbeitung des Einflusses intellektueller
Spindoktoren zeige sie, wie Menschen manipuliert werden und welche
finanziellen Interessen dahintersteckten.
Anne Applebaum ist eine Preisträgerin, die nicht zum linken oder
linksliberalen Spektrum zählt. Sie versteht sich als liberalkonservative
Demokratin. In dieser Haltung würde sie alles unterstützen, was Autokraten
wie etwa Putin in Russland das Handwerk legt – aber dies mit lauteren
Methoden.
25 Jun 2024
## LINKS
[1] /Oldenburger-Carl-von-Ossietzky-Preis/!6011980
[2] /Interview-mit-Anne-Applebaum/!5760258
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Populismus
Donald Trump
US-Literatur
Pazifismus
Elite
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