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# taz.de -- Kritik aus Polen für Ungarns Mediengesetz: Alle schweigen, außer …
> Kein polnischer Politiker reagierte offiziell auf Ungarns Mediengesetz.
> Nur Anne Applebaum, Frau des Außenministers, schrieb einen Artikel in der
> "Washington Post".
Bild: Anne Applebaum. Sie erhielt für das Buch "Gulag" den Pulitzer-Preis.
Die Polen sind entsetzt, wenn sie nach Ungarn und Weißrussland blicken. Im
Osten lässt Präsident Alexander Lukaschenka die Wahlen fälschen und die
Opposition zusammenschlagen. Im Süden sichert sich Ungarns Premier Viktor
Orban die uneingeschränkte Medienkontrolle zu.
Er verstaatlicht die privaten Rentenersparnisse der Ungarn und verhängt
eine Krisensteuer, die vor allem ausländische Unternehmen trifft. "Das Ende
der ungarischen Medienfreiheit" titelte am Montag Polens größte
Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Ein paar Seiten weiter hieß es sarkastisch
"Freiheit auf weißrussisch" und "Unternehmer sind sauer auf Orban."
Dass Ungarn einen fulminanten Fehlstart hinlegte, als es am 1. Januar die
EU-Ratspräsidentschaft übernahm, bereitet polnischen Politikern größtes
Unbehagen. Denn in einem halben Jahr wird Polen turnusgemäß den Vorsitz
übernehmen. Dann möchte man nur ungern die Scherben aufkehren, die der
autoritär regierende Wiktor Orban womöglich hinterlassen könnte.
Eigentlich sollte der ungarisch-polnische Vorsitz in der EU ein
erfolgreiches Mitteleuropa-Jahr werden, insbesondere nach dem Debakel der
Tschechen in der ersten Hälfte 2009. So fuhr Mitte Dezember der polnische
Außenminister Radoslaw Sikorski nach Budapest und beschwor dort die "gute
Zusammenarbeit" und das "gemeinsame Interesse" der beiden Ländern an einer
hohen Reputation für die ganze Region.
Das "Knebelgesetz für Ungarns Medien" traf die Polen dann wie ein Schlag
aus heiterem Himmel. Offiziell mochte kein Politiker reagieren. Kurz vor
der gemeinsamen EU-Präsidentschaft wollte man es sich mit Orban und seiner
rechtsnationalen Partei Fidesz nicht verderben.
Doch Anne Applebaum, amerikanische Publizistin und Ehefrau des polnischen
Außenministers Sikorski, [1][publizierte einen scharfen Protestartikel] in
der Washington Post. Auch wenn Weißrussland und Ungarn nicht vergleichbar
seien, weil das eine Land nie auch nur den Versuch gemacht habe, das
kommunistische System zu überwinden, während das andere heute ein
anerkanntes Mitglied von EU und Nato sei, schreibt Applebaum, so "gibt
Ungarn den Europäern ein Beispiel, wie zerbrechlich eine Demokratie sein
kann - selbst dort, wo sie funktioniert".
Für die Weißrussen sei es ein Fluch, einen Staatschef zu haben, der so
unpopulär sei, dass er zur Gewalt greifen müsse, um an der Macht zu
bleiben. Für Ungarn hingegen sei es ein Fluch, einen Regierungschef zu
haben, der so populär sei, dass das Recht und die Verfassung ändern könne,
um ohne Gewalt an der Macht zu bleiben. Applebaum hält zwar die
sozialistische Vorgängerregierung für eine der "unfähigsten in ganz
Europa", die Ungarn in die Schuldenfalle getrieben und jegliche Reform
vereitelt habe, doch Orban habe nach seinem Wahlsieg vom Parlament nicht
nur die Kompetenzen des Verfassungsgerichts eingeschränkt, sondern auch ein
schwammig formiertes und daher gefährliches Medienkontrollgesetz
verabschieden lassen.
Polens Medien griffen den Artikel Applebaums dankbar auf. Die
rechtsnationale Tageszeitung Reczpospolita druckte ihn fast vollständig
nach. In einem Kommentar verteidigte das Blatt allerdings die Einschränkung
der Pressefreiheit, da diese nur die "dominierende Linke in den Medien"
treffen würde. Dennoch könne Orban mit dieser Politik scheitern. "Er sollte
nicht vergessen, dass Europa - obwohl das ungerecht ist - der Rechten
genauer auf die Finger schaut."
5 Jan 2011
## LINKS
[1] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2010/12/27/AR201012270…
## AUTOREN
Gabriele Lesser
Gabriele Lesser
## TAGS
Pazifismus
Elite
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