# taz.de -- Umstrittenes Mediengesetz in Ungarn: Alles nicht so gemeint | |
> Nach internationaler Kritik ist Ungarns Regierung auf Versöhnung aus. | |
> Gegenüber EU-Kommissionschef Barroso spricht Premier Orbán von möglichen | |
> Änderungen. | |
Bild: EU-Komissionspräsident Jose Manuel Barroso und Ungarns Premierminister V… | |
BUDAPEST taz | Der ungarische Premier Viktor Orbán hat José Manuel Barroso | |
versprochen, das umstrittene Mediengesetz zu ändern, sollte dies nötig | |
sein. Das berichtete der Chef der Europäischen Komission selbst, nachdem er | |
in Budapest mit Orbán ein Vier-Augen-Gespräch geführt hat. Der ungarische | |
Ministerpräsident habe Barroso gegenüber versichert, seine Regierung werde | |
das Gesetz im Einklang mit den Werten und Vorschriften der EU einführen. | |
Kleiner Haken: Das Regelwerk ist schon in Kraft getreten. | |
Orbán sagte wiederum, seine Partei habe die neue Medienbehörde nicht mit | |
der immensen Macht ausgestattet, wie berichtet werde. Sollte eine | |
internationale Prüfung trotzdem Mängel feststellen, so werde die Regierung | |
nachbessern. Er sei aber sicher, dass es dazu nicht kommen werde, fügte er | |
hinzu. | |
Die ungarische Regierung wurde von der internationalen Kritik der letzten | |
Wochen kalt erwischt. Die Strategen in Budapest dachten, das neue | |
Mediengesetz werde wegen der Weihnachtsfeiertage in der Welt kaum bemerkt | |
werden, und der Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft werde dann zu | |
einem grandiosen Triumph werden. | |
Selbst Regierungschef Viktor Orbán musste zugeben: Für Ungarn fing die | |
große europäische Aufgabe wegen des verheerenden Medienechos schlecht an. | |
Schuld daran seien die Journalisten im Ausland, sie hätten nämlich alles | |
falsch verstanden. In den letzten Tagen ging die Regierung in die | |
Offensive: Sie erstellte eine zweihundertseitige englische Übersetzung des | |
Gesetzestextes. Peinlich nur: Einige Paragrafen wurden nicht übersetzt. | |
Nachdem dies aufgeflogen war, versicherte die Regierung, die betroffenen | |
Paragrafen seien gar nicht relevant. Das ist nicht die Art und Weise, wie | |
man Vertrauen wieder aufbaut. | |
Orbán ließ noch vor dem Besuch von Barroso verlauten, wenn die | |
internationale Gemeinde nach der Prüfung des Gesetzes immer noch | |
Veränderungen wünsche, dann werde die Regierung diese auch vornehmen. Nach | |
Informationen der ungarischen Tageszeitung Népszabadság richtete der | |
Ministerpräsident seine Worte eigentlich nur an Barroso: Er wollte damit | |
verhindern, dass der Chef der Europäischen Komission das Problem in | |
Budapest anlässlich der Übernahme der Ratspräsidentschaft selbst anspricht. | |
Der Plan ist nicht ganz aufgegangen, aber zu einer Demütigung durch | |
Brüssel, die im In- und Ausland einige gefordert hatten, kam es nicht. Auch | |
das feierliche Gruppenfoto mit Komission und ungarischer Regierung wurde im | |
pompösen Kuppelsaal des Budapester Parlaments aufgenommen, ganz wie | |
geplant. | |
Am Vortag war der Ministerpräsident auch auf den Vorwurf autoritärer | |
Politik eingegangen: In gewohnt sarkastischer Manier sagte Orbán, während | |
seiner ersten Regierungszeit vor zwölf Jahren habe die internationale | |
Presse ihn mit Hitler und Mussolini verglichen, jetzt lese er, er sei Putin | |
oder Lukaschenko. Das, so müssten die Journalisten zugeben, sei doch | |
immerhin ein Fortschritt. | |
7 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Gergely Márton | |
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