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# taz.de -- Kommentar Ungarn und EU: Ungarn und die Hilflosigkeit der EU
> Konservativ-populistische Regierungschefs vom Schlage Orbáns sind ein
> Beleg für die Unfähigkeit der EU, Demokratiefeinde in den eigenen Reihen
> zur Räson zu bringen.
Würde die Europäische Union heute mit Ungarn über einen Beitritt
verhandeln, das Land hätte keine Chance, aufgenommen zu werden. Sein
restriktives neues Mediengesetz, das öffentlich-rechtliche wie private
Sender, Zeitungen und Internetportale einer staatlichen Zensurbehörde
unterwirft, widerspricht elementar den politischen Kriterien, die die Union
bei Verhandlungen mit Beitrittsländern anlegt.
So ist beispielsweise die mangelnde Unabhängigkeit der kroatischen Justiz
immer noch ein offenes Kapitel, das die Aufnahme des südosteuropäischen
Staates hinauszögert. Für die Europäische Union ist es jetzt ein
politisch-moralisches Dilemma, dass Ungarn bereits Mitglied ist. Für dieses
fehlt ihr jeder Lösungsansatz.
Die rechtskonservative Regierung in Budapest wird während ihrer
Ratspräsidentschaft im nächsten halben Jahr unter verschärfter Beobachtung
der Europäischen Union stehen. Punkt. Mehr auch nicht. Dies weiß auch der
mit einer Zweidrittelmehrheit in Budapest regierende Ministerpräsident
Viktor Orbán. Er wird deshalb tunlichst alles unterlassen, was nicht nur
Grüne und Sozialdemokraten provozieren könnte, sondern gar die
konservativen Brüder und Schwestern der EVP. Dann wird die Europäische
Union am 1. Juli feststellen, dass alles noch einmal gut gegangen sei.
Doch das ist ein Trugschluss. Konservativ-populistische Regierungschefs vom
Schlage Berlusconis, Haiders oder Orbáns sind ein Beleg für die Unfähigkeit
der Europäischen Union, Demokratiefeinde in den eigenen Reihen zur Räson zu
bringen und effektiv zu sanktionieren. Sie offenbaren einen strukturellen
Mangel in der politischen Konstruktion Europas. Zwar kann einem Mitglied
bei dauernden Verletzungen der gemeinsamen Grundsätze das Stimmrecht
entzogen werden, doch ehe man darüber unter allen Mitgliedstaaten eine
Übereinkunft erzielt hätte, wären längst neue Präsidentschaften ins Land
gegangen.
Die EU gibt ihren allzu gern proklamierten Anspruch preis, als Wahrerin von
Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Menschenwürde in der Welt
aufzutreten, wenn sie nicht einmal im eigenen Laden diese Werte durchsetzen
kann. Mit welcher Autorität sollte Viktor Orbán im nächsten halben Jahr vom
weißrussischen Präsidenten Lukaschenko Pressefreiheit einfordern, wenn
dieser nur ganz cool auf das neue ungarische Mediengesetz zu verweisen
braucht?
28 Dec 2010
## AUTOREN
Georg Baltissen
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