# taz.de -- Ungarn beschließt umstrittenes Mediengesetz: Auch die Privaten unt… | |
> Ungarns Parlament hat ein restriktives Mediengesetz für Fernseh- und | |
> Rundfunksender, Zeitungen und Internetportale verabschiedet. Eine neue | |
> Behörde wacht über die Inhalte. | |
Bild: Im Visier der Medienbehörde: Ungarns Medien können von der NMHH mit hoh… | |
BUDAPEST taz | Nur Stunden, nachdem das ungarische Parlament das neue | |
Mediengesetz des Landes verabschiedet hatte, legte Attila Mong vom | |
öffentlich-rechtlichen Radiosender Radio Kossuth am Dienstagmorgen eine | |
Schweigeminute in seiner Sendung ein. Man hatte ihm verboten, die neuen | |
Gesetze zu kommentieren. Deshalb ließ er als erster staatlicher | |
Medienvertreter die Stille für sich sprechen. Stunden später erhielt er | |
Arbeitsverbot, gefeuert wurde er noch nicht. | |
Die dramatische Aktion Mongs hat viele überrascht. Zwar demonstrierten | |
einige tausend Studenten in den letzten Wochen gegen das nun verabschiedete | |
Gesetz, und auch die linksgerichteten Medien versuchten sich in nicht | |
abgestimmten Einzelaktionen. Aber ein richtiger Aufschrei hat sich daraus | |
nicht ergeben. | |
Die Angestellten der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben Angst vor | |
einer Kündigung, die rechtsgerichteten Zeitungen applaudieren der | |
national-konservativen Fidesz-Regierung sogar. Als würde sich ein | |
Taxifahrer über höhere Spritpreise freuen, wunderte sich in einem | |
Leitartikel der Népszabadság, die größte politische Tageszeitung des | |
Landes. | |
Das Gesetz ist äußerst restriktiv. Auf mehr als 170 Seiten versucht es, | |
staatliche und private Fernsehsender, Radios, Zeitungen und Internetportale | |
zu regulieren. Selbst Blogs und in Ungarn verfügbare ausländische Medien | |
sind dabei erfasst. Die ungarische Regierung stellt alles unter die | |
Kontrolle einer neu geschaffenen Medienbehörde NMHH, die bei Verstoß gegen | |
die Regeln hohe Geldstrafen verhängen kann. | |
Zeitungen und Onlinedienste müssen im Falle eines Schuldspruchs bis zu | |
90.000 Euro hinblättern, private Fernsehsender sogar 750.000 Euro. Eine | |
solche Summe würden die kleineren Zeitungsredaktionen nie aufbringen | |
können, aber auch die größere dürften mit solchen Urteilen meist in die | |
Knie gezwungen werden. | |
Die ungarische Medienmitarbeiter sind jetzt schon eingeschüchtert. In den | |
Redaktionen geht die Angst um, man werde gefeuert, wenn man eine Geldstrafe | |
verschuldet. Und was darf man sich eigentlich noch erlauben? Die | |
Vorschriften dazu sind so vage formuliert, dass nur die Mitglieder der | |
Medienbehörde wissen, was ab dem 1. Januar 2011 in Ungarn noch geschrieben, | |
gesagt oder gezeigt werden darf. | |
Die Mitglieder der neuen Kontrollinstanz NMHH sind im übrigen alle von der | |
Regierungspartei Fidesz nominiert worden, einige haben nicht einmal | |
Berufserfahrung mit den Medien. Die Vorsitzende der NMHH, Annamária Szalai, | |
wurde von Ministerpräsident Viktor Orbán persönlich ausgewählt. Sie soll | |
neun Jahre, fast zweieinhalb Legislaturperioden, im Amt bleiben. Vorgestern | |
entschied das ungarische Parlament außerdem, dass Szalai selber | |
Verordnungen und Vorschriften erlassen kann. | |
Noch ist unklar, wie weit die Medienbehörde ihre fast uneingeschränkte | |
Macht nutzen wird. Die ungarische Presseagentur soll mit den drei | |
öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiokanälen vereint werden. Meldungen | |
und Kommentare werden dann von einer Zentralredaktion für alle sechs Sender | |
erstellt, die ohne Gebühren auch die Privaten bedienen soll. | |
Falls doch jemand wagen sollte, selber nachzufragen, wird er kaltgestellt. | |
Die Korrespondentin der regierungskritischen Népszabadság wollte beim | |
Londonbesuch von Premier Orbán bei der Pressekonferenz dabei sein. Ihr | |
wurde von ungarischer Seite mitgeteilt, sie sei in Downing Street 10 nicht | |
willkommen. Die Zeitung sollte lieber die Zusammenfassung der staatlichen | |
Agentur drucken. Népszabadság lehnte dankend ab. | |
21 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Gergely Marton | |
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