# taz.de -- Dokumentarfilm „Born To Be Wild“: Heute leben sie in riesigen V… | |
> In „Born To Be Wild – Eine Band namens Steppenwolf“ lässt Regisseur | |
> Oliver Schwehm alte Rockstars erzählen – auch von ihren deutschen | |
> Wurzeln. | |
Bild: Die dunkle Brille war nötig, nicht Statement: Sänger John Kay bei den D… | |
Bremen taz | Zuerst hatten sie ihre Band ja „The Sparrow“ genannt, aber als | |
„Der Spatz“ kann man nun echt keine Rockgeschichte schreiben. Ihr Produzent | |
schlug dann den Namen „Steppenwolf“ vor. Den Roman von Hermann Hesse hatte | |
zwar keiner in der Band gelesen, aber sie nahmen den Vorschlag trotzdem an | |
– denn: „Es klang gut!“ Vielleicht passte der Namen auch, weil zwei der | |
Bandmitglieder in Deutschland aufgewachsen waren, genauer, in | |
Norddeutschland: John Kay – als Joachim Fritz Krauledat – in Hannover, Nick | |
St. Nicholas – als Klaus Karl Kassbaum – in Plön. | |
Und so beginnt Oliver Schwehms Dokumentarfilm „Born To Be Wild – Eine Band | |
namens Steppenwolf“ dann auch mit Aufnahmen aus Niedersachsen und | |
Schleswig-Holstein. Darin erzählen Jugendfreunde der beiden späteren | |
Rockstars davon, wie sie in den frühen 1950er-Jahren zusammen in den | |
Kriegstrümmern spielten. Auch Klaus Meine sagt ein oder zwei Sätze in die | |
Kamera, schließlich macht der Film auch klar: Meines „[1][Scorpions]“ sind | |
dann doch nicht die einzigen Hannoveraner, die mit Rockmusik weltberühmt | |
wurden. | |
Vor allem erzählen aber Kay und St. Nicholas selbst – und das in einem | |
Deutsch, dem man anmerkt, dass es mal ihre Muttersprache war, die sie aber | |
halt nur noch sehr selten sprechen. Sie erinnern sich an ihre Kindheit im | |
schlagerseligen [2][Nachkriegsdeutschland] und daran, wie sie mit ihren | |
Familien nach Kanada auswanderten. In Toronto begannen sie dann in den | |
frühen 1960er-Jahren zusammen zu spielen – Blues zunächst. | |
John Kay war schon damals ein Sänger mit rebellischer Attitüde und einer | |
dazu passend tiefen, immer etwas aggressiv klingenden Stimme. Bassist St. | |
Nicholas blieb dagegen eher im Hintergrund. Beide zogen nach Los Angeles, | |
trennten sich und spielten wieder zusammen: eine harte Anti-Hippie-Musik, | |
was „Steppenwolf“ nicht zuletzt zur Lieblingsband der Hells Angels machte. | |
Sie stürzten sich in den kalifornischen Lebensstil, der so gern mit „Sex, | |
Drugs and Rock ’n’ Roll“ umschrieben wird – vom Zeitzeugen [3][Alice | |
Cooper], selbst ein einflussreicher Rocker, witzig umgemünzt zu „Ferraris, | |
Blondes and Switchblades“, also etwa: Sportwagen, Blondinen und | |
Rasierklingen. | |
John Kays ach so düstere Aura hatte indes ganz einfach medizinische Gründe: | |
Von Kindheit an litt er unter einer Sehbehinderung und hatte sehr | |
lichtempfindliche Augen, sodass er fast immer eine Sonnenbrille mit | |
besonders dunklen Gläsern tragen musste. Er war zudem noch farbenblind, und | |
als Peter Fonda der Band den Film „Easy Rider“ vorführte, um an die Rechte | |
für ihren Song „Born To Be Wild“ zu kommen, fragte Kay ihn nach der | |
Vorführung, ob der Film „in Farbe“ sei. | |
Der [4][„Easy Rider“-Film] machte den Song, die dritte Steppenwolf-Single, | |
dann zum Welthit. Von diesem Erfolg zehrte die Band bis in die | |
2000er-Jahre, als die inzwischen zerstrittenen Bandmitglieder in Gestalt | |
einer ganzen Reihe konkurrierender Nachfolgebands auf Tournee gingen. | |
Der deutsche Filmemacher Schwehm erzählt sehr detailreich vom Aufstieg und | |
Fall der Band, und hat zu jedem aufgeblätterten Aspekt der Geschichte teils | |
prominente Zeitzeugen befragen können: Neben Klaus Meine und Peter Fonda | |
treten auch der erwähnte Alice Cooper, Jello Biafra (ehemals Sänger der | |
Punkband Dead Kennedys), der Blues-Musiker Taj Mahal, Filmregisseur Cameron | |
Crowe und andere in kurzen, pointiert montierten Interviewpassagen auf. Vor | |
allem erzählen aber Kay und St. Nicholas selbst ihre Lebensgeschichten – | |
und wenn es da, wohl kaum vermeidlich, zu Widersprüchen in der Erinnerung | |
kommt, machen die diesen Film nur interessanter. | |
Schwehm hat sorgfältig recherchiert und unter anderem Mars Bonfire | |
aufgetrieben, Komponist von „Born To Be Wild“. Ob der noch die Rechte daran | |
hat und wie viel Geld er so bis heute an den Tantiemen verdiente, bekam er | |
leider nicht aus ihm heraus. Aber in einer fast schon hinterhältig | |
montierten Sequenz zeigt er, wie luxuriös diese alten weißen Männer heute | |
in ihren riesigen Villen leben – dank „Born To Be Wild“. | |
Als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent hat Schwehm eine gute Nase für | |
kuriose Geschichten. Und er versteht es, sie unterhaltsam in Filme | |
umzusetzen. Porträtiert hat er so etwa den westdeutschen „Winnetou“ Pierre | |
Brice, Arno Schmidt und Milli Vanilli; mit den Filmen „German Grusel“ über | |
die Edgar-Wallace-Filme und „Cinema Perverso“ über die Bahnhofskinos warf | |
er liebevolle Blicke auf gern auch mal abseitige deutsche Populärkultur. | |
Und mit [5][„Fly Rocket Fly!“] erzählte er 2017 die unglaubliche, aber | |
wahre Geschichte des deutschen Raketenbauers Lutz Kayser. | |
Langweilig sind seine Filme nie – auch wenn er in „Born To Be Wild“ den | |
Fans manchmal ein wenig zu viel Zucker gibt und auch einige nicht so gute | |
Songs und Auftritte zeigt. Dafür gibt es dann aber auch Zuckerli wie einen | |
Auftritt, bei dem Kay mit ungewohnter Rührung „Am Brunnen vor dem Tore“ | |
singt. Oder schlicht den Umstand, dass Helge Schneider für die deutsche | |
Fassung das Voice-over für Nick St. Nicholas eingesprochen hat. | |
Mit „Magic Carpet Ride“ hatten Steppenwolf noch einen zweiten Welthit, aber | |
die meisten ihrer Songs sind heute so gut wie vergessen. Ein Dutzend ist im | |
Film zu hören – wohl auch um zu zeigen, dass die Band gerade kein | |
One-Hit-Wonder war. | |
Kernstück, klar, ist „Born To Be Wild“, und dabei gelingt es Schwehm, den | |
Song immer wieder anders zu präsentieren. So etwa in der ersten | |
Demoversion, die lange als verschollen galt und die auch Kay selbst seit | |
langer Zeit zum ersten Mal wieder hört. Für den Abspann hat Schwehm | |
Instagram-Posts zusammengeschnitten: Laien bei der Interpretation, in zum | |
Teil sehr abenteuerlichen Versionen: wie um zu zeigen, wie ansteckend der | |
Schrei „Born To Be Wild!“ auch heute noch ist. | |
7 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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