# taz.de -- Film „A Killer Romance“: Ein Job, der ihm gefällt | |
> Die Komödie „A Killer Romance“ zerstört den Mythos des Auftragsmörders. | |
> Über die popkulturelle Obsession. | |
Bild: Mörderische Anziehung: Madison (Adria Arjona) und Gary Johnson (Glen Pow… | |
Gary Johnson (Glen Powell) ist die Unauffälligkeit in Person: ein nerdiger | |
Typ mit Brille und lahmen Kakihosen. Die Begeisterung, mit der er als | |
Collegelehrer zu Beginn von „A Killer Romance“ seinen Studenten von | |
Nietzsche erzählt – „den größten Genuss vom Dasein einzuernten, heißt: | |
gefährlich leben!“ – hat etwas Lächerliches. | |
„Und das von jemandem, der einen Honda Civic fährt“, flüstert einer seiner | |
Studenten die Augen verdrehend seinem Sitznachbarn zu. Aber natürlich | |
täuscht der Anschein. | |
Gary mag zwar kein gefährliches Leben führen, aber es ist eines voller | |
Leidenschaften: Man sieht ihn beim sorgfältigen Befüllen von | |
Vogelfutterbehältnissen und Fressnäpfen für mehrere Katzen. Aus dem Off | |
erzählt er von seinen in viele Richtungen ausschweifenden Interessen, die | |
von [1][„Birding“] über Technologie bis zur inneren Natur des Menschen | |
reichen. | |
Sie haben ihn zu einem doch eher ungewöhnlichen Nebenerwerb geführt: Im | |
Auftrag der Polizei von New Orleans verkabelt er Undercover-Agenten bei | |
verdeckten Ermittlungen. Seine Einheit hat sich auf einen Verbrechenstyp | |
spezialisiert: Sie versuchen, Menschen auf frischer Tat zu ertappen, die | |
Auftragsmörder engagieren wollen. | |
## Gary ist ein Naturtalent | |
Üblicherweise sitzt Gary bei diesen Operationen an den Abhörgeräten im | |
abgedunkelten Lieferwagen. Doch auf einmal heißt es, dass Kollege Jasper | |
(Austin Amelio), der sonst immer den Auftragskiller mimt, wegen sexueller | |
Übergriffigkeit – „alles Cancel-Culture-Bullshit!“ – vom Dienst suspen… | |
sei und deshalb nun schnell er, Gary, einspringen müsse. | |
Gary gerät kurz ins Schwitzen, aber schon als er die bequemen Shorts für | |
die Jeans seines Polizeikollegen tauscht, kommt ein gewisser „swagger“ in | |
seinen Gang, eine Großspurigkeit. | |
Und es kommt, wie es in Filmen wie diesen vermeintlich immer kommen muss: | |
Gary erweist sich als Naturbegabung. Beim Gespräch mit dem Verdächtigen, | |
dem er die eindeutige Mordauftragsabsicht entlocken muss, erfindet er zur | |
Betonung seiner Glaubwürdigkeit als Profikiller aus dem Stegreif ein paar | |
so blumige wie horrende Details, dass hinterher sogar seine Polizeikollegen | |
schwer beeindruckt sind. | |
Bis dahin könnte man noch denken, dass es dem Regisseur Richard Linklater | |
hier um die schon oft erzählte Verwandlung eines biederen Charakters in | |
einen interessanten Mann mit Abgründen geht. Aber unter der ihrerseits | |
unauffälligen Oberfläche einer ansprechenden Mischung aus Gangsterkomödie, | |
Film noir und Romcom trotzt der texanische Independent-Regisseur dem Thema | |
Profikiller einige ungewöhnliche Seiten ab. | |
## Auftragsmord als popkulturelle Erfindung | |
Zuerst wird regelrecht ein Mythos zerstört: Beim „Contract Killer“ oder | |
[2][„Hit Man“ (so auch der Originaltitel des Films)] handle es sich um eine | |
reine Erfindung der Populärkultur, erzählt Gary im College-Lehrer-Modus aus | |
dem Off. Warum solle irgend jemand dazu bereit sein, eine mögliche | |
Todesstrafe zu riskieren, um für gar nicht mal so viel Geld einen Menschen | |
zu töten? | |
Eine großartige Montage von alten und aktuellen, bekannten und abseitigen | |
Beispielen aus Film und Fernsehen unterstreicht, dass es sich tatsächlich | |
um eine weltweit verbreitete popkulturelle Obsession handelt. | |
Kurze Szenen aus Klassikern wie „This Gun for Hire“ (1942), Kultfilmen wie | |
„The Mechanic“ (1972), Insiderbeispielen wie dem japanischen „A Colt Is My | |
Passport“ (1967) oder aktuellen Serien wie dem australischen „Mr Inbetween�… | |
belegen, dass im Kino und auf dem Bildschirm kein Profikiller so ganz wie | |
der andere ist. | |
So entdeckt auch Gary die Metapher als Chance. Während er im Auftrag der | |
New Orleans Police ausnutzt, dass Menschen aller Couleur den Mythos | |
„Profikiller“ für wahr halten, findet er an seinem Job überraschend groß… | |
Gefallen. | |
Nicht an dem, was er spielt, sondern am Spielen selbst, an den | |
Verkleidungen dieses Popkulturkonstrukts „Hit Man“. Er recherchiert die | |
Verdächtigen mit wissenschaftlichem Eifer, um herauszufinden: Welches wäre | |
der jeweils richtige Profikiller für die habgierige Ehefrau, den neidischen | |
Nachbarn, das rachsüchtige Muttersöhnchen? | |
## Falscher Auftragsmörder trifft auf Femme fatale | |
So gut kann er sich bald auf seine Klientel einstellen, dass aus der | |
Begegnung mit Madison (Adria Arjona) ein echtes „meet cute“ wird. Madison | |
will ihren kontrollierenden Ehemann loswerden, aber als „Ron“ spürt Gary, | |
wie er Eindruck auf die junge Frau macht. Und auf einmal hat er keine Lust | |
mehr, sie zu überführen. Madison wiederum wird sich als wahre Femme fatale | |
erweisen, die „Ron“ bald dazu bringt, Dinge zu tun, die Gary von sich nie | |
für möglich hielt. | |
Mit verführerischer Leichtigkeit – und einem wunderbar gut aufgelegten | |
Schauspielensemble – dekonstruiert Linklater das Gewese des | |
Auftragskillers. Allerdings nicht, um ein falsches Bild der Wirklichkeit zu | |
korrigieren, sondern viel eher, um diese großartige Möglichkeit zu feiern, | |
die das Kino uns bietet: im imaginären Rollenspiel jene Gefahr in unser | |
Leben zu bringen, von der Nietzsche sich so viel Genuss versprach. | |
4 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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