# taz.de -- Ex-DDR-Fußballer über Spiel gegen BRD: „Wir hatten großen Resp… | |
> Bei der Weltmeisterschaft vor 50 Jahren schlugen die DDR-Fußballer im | |
> Hamburger Volksparkstadion die BRD mit 1:0. Harald Irmscher war dabei. | |
Bild: Deutsch-deutsche Geschichte: DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser trifft zum 1… | |
taz: Herr Irmscher, wie haben Sie sich gefühlt, als sie am 22. Juni 1974 | |
den Platz im Volksparkstadion betreten haben? | |
Harald Irmscher: Das war für mich und uns alle natürlich ein riesiges | |
Gefühl, erstmals bei einer Fußball-Weltmeisterschaft teilzunehmen. Dann | |
auch noch im Land des sogenannten Klassenfeindes, wie es damals behandelt | |
wurde. Und sogar in einer Gruppe zu spielen gegen die BRD, Chile und | |
zuletzt Australien. Für mich war es ein riesiges Erlebnis, dort in Hamburg | |
zu zeigen, dass auch die kleine DDR Fußball spielen kann. | |
Es war die einzige WM-Teilnahme der DDR. | |
Genau. Es war schon eine Sensation, dass diese zufälligerweise in der | |
Bundesrepublik stattfand und wir uns qualifiziert haben. Wir haben | |
sehnsuchtsvoll auf die Auslosung geschaut. Als wir in die Gruppe der BRD | |
gelost wurden, war das auch eine große Freude. Mal gegen die großen | |
Fußballer, die wir nur im Fernsehen gesehen haben, anzutreten. In Jena, wo | |
ich gespielt habe, konnten wir nahe der Grenze Westfernsehen erleben und | |
auch die Bundesliga oder Länderspiele sehen. | |
Die BRD trat mit vielen Legenden an. | |
Wolfgang Overath, Berti Vogts, Franz Beckenbauer, Sepp Maier und so weiter. | |
Wir hatten großen Respekt vor diesen Spielern. Gerd Müller vorne, der | |
Torjäger der Welt. Wo er auftrat, hat er getroffen. Das ist unnachahmlich. | |
Es war das einzige Spiel zwischen DDR und BRD. Was waren die Erwartungen in | |
der Kabine? | |
Ich kann mich erinnern, dass wir auf der Hinfahrt zum Spiel im Bus erfahren | |
haben, dass wir aufgrund des Ergebnisses zwischen Chile und Australien | |
bereits für die nächste Runde qualifiziert waren. Unser Kapitän, Bernd | |
Bransch, hat dann gesagt: „Jungs, jetzt können wir einfach einen | |
drauflegen. Jetzt können wir mal zeigen, dass wir Fußball spielen können.“ | |
Sie waren vollkommen auf den sportlichen Wettbewerb konzentriert? | |
An unsere Funktionäre ist sicherlich eine politische Einweisung gekommen. | |
Aber unser Trainer, Georg Buschner, war ein absoluter Fachmann und | |
intelligent genug, das von unser Mannschaft fernzuhalten. In der DDR | |
zählten Medaillen, es ging um politische Anerkennung. Ich kann mir | |
vorstellen, dass er von der Regierung politisch instruiert wurde. Er hat | |
unser aber nur fußballerisch vorbereitet, taktisch eingestellt – und uns | |
nicht verrückt gemacht. | |
Und wie war die Stimmung im Stadion? | |
Die Zuschauer haben natürlich zu ihrer eigenen Mannschaft gehalten. Aber | |
sie waren sicherlich auch interessiert, was der Osten macht. Es war keine | |
gehässige Atmosphäre seitens der Tribüne. Dieser Hass, den man vielleicht | |
hätte erwarten können, kam nicht. Letztlich hatte ich das Gefühl, dass auch | |
anerkannt wurde, dass wir als Sieger vom Platz gingen. | |
Sie gewannen das Spiel mit 1:0. | |
Und wir haben, denke ich, nicht glücklich gewonnen, wir haben durchaus auf | |
Augenhöhe agiert. Das Tor von Jürgen Sparwasser war hervorragend | |
herausgespielt. | |
Gab es unter den Spielern eine besondere Anspannung? | |
Wir haben uns beim Aufwärmen und auf dem Spielfeld nicht bekriegt, es gab | |
keine Bösartigkeiten. Beide Mannschaften wollten gewinnen, es hing ja auch | |
viel daran, politisch und finanziell, vom Ansehen. Das Spiel war als | |
Klassenkampf hochstilisiert, Ost gegen West. Das haben wir ehrlicherweise | |
aber fast gar nicht mitbekommen, so weit es ging. | |
Wie hat sich dieser Sieg angefühlt? | |
Wenn du bei einer WM den großen Favoriten schlägst, der sich am Ende auch | |
durchgesetzt hat, bist du natürlich wahnsinnig glücklich. Wir haben dann | |
auch das ein oder andere Bier getrunken. Sicherlich ein Holsten oder Jever, | |
wie sich das gehört in Norddeutschland. | |
Beide Mannschaften nahmen es sportlich? | |
Nach dem Spiel haben wir alle im Kabinengang noch Trikots getauscht. Auf | |
dem Platz war das natürlich von unseren Offiziellen nicht gerne gesehen, | |
wobei sie an dem Tag vielleicht auch ein Auge zugedrückt hätten. Ich habe | |
zu Franz Beckenbauer gesagt „Franz, das wäre mir eine große Ehre.“ Da hat | |
er zu mir gesagt „Ich muss aber erst zur Dopingkontrolle.“ Ich bin dann in | |
die Kabine und hätte nie geglaubt, dass Beckenbauer in unsere Kabine kommt. | |
15 Minuten später brachte er mir sein Hemd. Mittlerweile habe ich es meinem | |
Sohn geschenkt. | |
17 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Jonas Kähler | |
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