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# taz.de -- Sport im geteilten Deutschland: Binationale Kampfzone
> Eine Ausstellung zeigt, wie sich die beiden deutschen Staaten in den
> 50er-Jahren im "großen und kleinen Sportverkehr" begegneten, oft ohne
> ideologische Barrieren
Bild: Diese Tafel sollte die DDR-Athleten im Leistungszentrum in Kienbaum bei B…
LEIPZIG taz | Das Erste, was einem auffällt, ist ein großes Plakat mit
einer Trainingsjacke. Der Reißverschluss ist nicht ganz hochgezogen. Links
von ihm ist die Jacke blau und "DDR" ist da in weißen Großbuchstaben
aufgestickt. Darunter ist das Wappen dieses untergegangenen Staates zu
sehen: Hammer, Zirkel und der Ährenkranz auf schwarz-rot-goldenem Grund.
Rechts ist die Jacke in Weiß gehalten und mit dem Bundesadler versehen.
"Wir gegen uns. Sport im geteilten Deutschland" steht unten auf dem Plakat
geschrieben - am Eingang des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig. Das
sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch gut gemacht. Eine
Sportausstellung also ist hier im Ableger des Hauses der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland zu sehen.
Um was geht es da in den mehr als 1.100 Exponaten, die in mühevoller
Sammelarbeit in über zwei Jahren zusammengetragen wurden? Um das legendäre
Sparwasser-Tor bei der Fußball-WM 1974 in Hamburg vielleicht oder um den
Zieleinlauf zwischen Heide Rosendahl und Renate Stecher zwei Jahre zuvor
bei den Olympischen Sommerspielen in München? Zwei von vielen
Sportereignissen, die sinnbildlich für die deutsch-deutsche Sportgeschichte
stehen. Sportdramen, die sich im kollektiven Gedächtnis der seit zwanzig
Jahren wiedervereinten Nation tief eingegraben haben. Es geht, das vorab,
aber um viel mehr. Um mehr als nur um die Anhäufung und Darstellung solcher
Sportfossilien.
Die Ausstellung beschreibt den Sport und seine Entwicklung in Gänze und mit
all seinen Facetten. Als eine Art binationale Kampfzone mit hoher
Erlebnisdichte, als emotionale wie ideologische Kraftquelle beider
deutscher Staaten. Und das Spannendste daran sind seine Anfänge im
geteilten Deutschland bis zum Mauerbau 1961. Die Zeit des Wiederaufbaus des
Sports in Zeiten des Kalten Krieges, seine Etablierung, die ersten Erfolge,
die gemeinsamen Wettkämpfe, die Rückschläge, der "große und kleine
Sportverkehr", wie es offiziell genannt und vertraglich manifestiert wurde.
Merkwürdigerweise ist über diese Phase der deutsch-deutschen Sportbeziehung
bis heute nur wenig bekannt. Dabei ist sie die lebhafteste und spannendste
zugleich, auch wenn ein gemeinsamer historischer Fixpunkt wie
beispielsweise das Sparwasser-Tor fehlt.
Über 1.100 deutsch-deutsche Sportbeziehungen pro Jahr gab es bis zum
Mauerbau 1961. Oft spielten sie sich unspektakulär dies- und jenseits der
staatlichen Sportideologie und Staatsgrenzen ab. In Sporthallen in
Kleinstädten beim Freundschaftsvergleich zwischen Turnern und Handballern
oder in großen Fußballarenen wie dem Leipziger Zentralstadion. Hier trafen
sich am 6. Oktober 1956 der amtierende DDR-Meister Wismut Karl-Marx Stadt
und der mit nicht weniger als fünf Weltmeistern von 1954 bestückte 1. FC
Kaiserslautern zu einem Freundschaftsspiel. Über 100.000 Zuschauer strömten
ins Stadion. Ein bis heute gültiger Nachkriegsrekord in Deutschland für ein
Fußballspiel. Fritz Walter gelang ein legendäres Hackentricktor und das
Match endete 5:3 für das Spitzenteam aus dem Westen, was gar nicht so
wichtig war. Bei solchen Aufeinandertreffen von Sportlern aus dem geteilten
Deutschland war kaum etwas zu spüren von der höchst unterschiedlichen
Ausrichtung des Sports in Ost und West.
"Mit Sport ist gut Politik machen", das hatte der Staatsratsvorsitzende der
DDR, Walter Ulbricht, in den Fünfzigerjahren schnell erkannt. Er, der sich
selbst gerne als Sportler stilisierte, gab die Instrumentalisierung des
Sports offen als Ziel aus und propagierte es, wo immer es massenwirksam
ging. "Der Sport sollte beim Aufbau der neuen sozialistischen Gesellschaft
helfen, ihr dienen, sie etablieren und die Menschen für diesen neuen
Gesellschaftsentwurf begeistern", sagt Michael Barsuhn, der als Historiker
diese Leipziger Ausstellung mitgestaltet hat.
"Sportler sein ist gut. Sportler und fortschrittlicher Mensch sein ist
besser", so hieß die Losung der SED, die ihre erst 1957 gegründete
Sportorganisation, den Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB), fest im
ideologischen Griff hatte. Im Westteil wollte man den Sport politikfrei und
unabhängig halten, was aber nur leidlich gelang. So unterstützte der
bereits 1950 gegründete Deutsche Sportbund (DSB) die Bundesregierung unter
Kanzler Adenauer in ihrem Anspruch, die alleinige Vertretung Deutschlands
zu sein. Trotzdem förderten beide Seiten den deutsch-deutschen
Sportaustausch. Und gerade deshalb war die von der BRD betriebene
Isolierung der DDR in ihren frühen Jahren vielleicht nirgendwo sonst so
aufgebrochen wie im Sport. Zwar nahmen DDR-Sportlerinnen und Sportler weder
an den Olympischen Winterspielen 1952 in Oslo noch an den Sommerspielen im
selben Jahr in Helsinki teil oder an der Fußball-WM in der Schweiz zwei
Jahre später. Doch schon seit 1950 kooperierten die Sportfachverbände
eifrig. Es gab erste gesamtdeutsche Meisterschaften oder seit 1951 sogar
eine erste gesamtdeutsche Mannschaft der Tischtennisspieler. Das war
durchaus im Sinne der offiziellen DDR-Doktrin, der die gemeinsamen Teams
bis Mitte der 50er-Jahre prima in die rhetorische
Wiedervereinigungsoffensive passten. Erst dann änderte die DDR ihren Kurs.
Sie fürchtete die "Infiltration" ihrer Botschafter im Trainingsanzug durch
den Klassenfeind. Auch dem Deutschen Sportbund missfielen die
gesamtdeutschen Mannschaften mehr und mehr. Willi Daume, DSB-Präsident,
plädierte ab 1954 dafür, die DDR-Sportverbände international anzuerkennen.
In den Sportarten der Leichtathletik wie dem Radsport waren die
gesamtdeutschen Teams bei internationalen Wettkämpfen populär und beliebt.
Die Fans in Ost und West sahen sogar im gemeinsamen Mannschaftssport das
national verbindende Element und erhofften von ihm eine politische
Signalwirkung für eine zukünftige Wiedervereinigung. Die SED
instrumentalisierte zunächst diese Botschaft: Die ostdeutschen Sportler
waren angehalten, im persönlichen Gespräch mit ihren westdeutschen
Sportkameraden SED-Losungen ("Deutsche an einen Tisch") heranzutragen. Der
Westen jedoch wollte sich dieses Politisierungsgebaren nicht mehr gefallen
lassen. Der gesamte deutsch-deutsche Sportverkehr wurde im Herbst 1952 von
Seiten der BRD aufgekündigt. Erst als die DDR zwei Monate später im
"Berliner Abkommen" auf den politischen Missbrauch des Sportverkehrs
verzichtete, kam der Freundschaftsspielverkehr wieder ordentlich in Gang.
Jedoch hielt auch diese Entwicklung nicht lange vor. Mitte der
Fünfzigerjahre schwenkte die SED auf einen eigenstaatlichen Kurs um. Ein
propagandistisches "Spielen um die Einheit" hatte nun für die SED seinen
Zweck verloren. Trotzdem zog die DDR-Sportführung ihre Mannschaften aus dem
deutsch-deutschen Spielverkehr nicht zurück. "Die Fünfzigerjahre waren
geprägt durch ständige Kurswechsel auf sportpolitischer Ebene beider
Seiten", sagt der Sporthistoriker Barsuhn. Auch das macht die Ausstellung
so spannend. Zu sehen ist sie noch bis zum 5. April im Zeitgeschichtlichen
Forum in Leipzig.
Die Ausstellung "Wir gegen uns. Sport im geteilten Deutschland" ist bis zum
5. April 2010 im [1][Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, Grimmaische Straße
6, 04109 Leipzig]
30 Dec 2009
## LINKS
[1] http://www.hdg.de/leipzig/
## AUTOREN
Torsten Haselbauer
## TAGS
Fußball
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