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# taz.de -- Rechte Influencer: Echte Kerle für Tiktok
> Zwei Podcaster wettern gegen Wokeness, Verweichlichung und
> Ukraine-Hilfen. Anschlussfähig nach vielen Seiten sein – ein bewährtes
> Rezept.
Bild: Kiarash Hossainpour und Philipp Hopf streuen Hass mit ihrem Podcast
Jetzt werden sie seriös. Die faschistoiden Sprüche aus ihrer Anfangszeit
haben sie etwas zurückgefahren: die über die Todesstrafe als hygienische
Maßnahme gegen menschlichen Müll, über die sauberen Straßen im homogen
völkischen Polen und die Rockefellers als Erfindern des Feminismus zwecks
Zerstörung der bürgerlichen Familie. Mit derlei Krawall haben sich der
Stuttgarter Anlageberater Philip Hopf und Kiarash Hossainpour, ein
angeblich früh zu Geld gekommener „Finfluencer“ (ein Kofferwort für
Finanz-Influencer, d. Red.), eine „Community“ aufgebaut. Die fabriziert aus
dem wirren Weltbild der Podcaster ([1][„Hoss und Hopf“]) massenhaft
Hetz-Clips für Tiktok.
Jetzt sind sie milder geworden, aber immer noch ist für alle etwas dabei.
Sylt: eher harmlose Jungens und Mädchen, während dunkle Vergewaltiger frei
herumlaufen. Steuern: Raub am kleinen Mann. Die deutsche Frau: gebiert zu
wenig. Davos: die Zentrale der Matrix. In Russland gibt es keinen Genmais,
aber ein intaktes Familienbild. Klimawandel? „Fucking bullshit.“
Was ihren Erfolg mit rund 275.000 Abonnenten ausmacht, ist die
Erziehungsdienstleistung. Sinn- und orientierungsuchenden Jugendlichen
legen sie nahe, Routinen zu entwickeln, eiskalt zu duschen, sich ihrer
Ziele im Leben mit Meditation und Tagebüchern zu vergewissern, dankbar zu
sein für Erfolge, in die Natur zu gehen, Computerspiele zu meiden, vor
allem aber reich und erfolgreich zu werden. Denn Geld macht unabhängig und
frei. Alles nützlich, vor allem angesichts einer Zukunft, in der weder die
Rente noch der Arbeitsplatz, erschwingliche Reihenhäuser und der Billigflug
nach Sansibar mehr selbstverständlich sind – was die wohlmeinenden
liberalen Eltern Tag für Tag beklagen, ohne die Konsequenzen zu ziehen.
Derlei Anstiftungen zur Selbstverbesserung – für die es keine linken
Äquivalente gibt – gehen nahtlos über in schäumende Wut über die „weltw…
Agenda zur Abschaffung der männlichen Werte“ und Aufrufe zum Kampf, nein,
nicht gegen den inneren Schweinehund, sondern die innere fucking pussy, und
eine Dauersuada gegen alle Parteien, vor allem die geschlechtsverwirrten,
von einem Kinderbuchautor und einer viel zu dicken Frau geführten Grünen.
Anderthalb Jahre haben die beiden Gurus unter dem Radar einer schwindenden
klassischen Medienöffentlichkeit gesendet. Dann hat das Magazin Stern sie
entdeckt. Seither arbeiten sie verschärft mit geskripteten Texten – und
werden deutlich mit ihren Plädoyers für die einzige Partei, die gegen die
woke Antivolksfront antrete: Wenn nach der nächsten Bundestagswahl CDU
und Grüne das Land endgültig zugrunde gerichtet hätten, käme 2029 die AfD
zum Zuge.
Auch in diesen Tagen sind sie im Wahlkampfmodus, zitieren süffisant
SPD-Pensionär Sigmar Gabriel: „Wir werden Russland noch einmal so
niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion
gemacht haben.“ Oder Roderich Kiesewetter von der CDU: [2][„Wenn Europa die
Energiewende vollziehen will, braucht es eigene Lithiumvorkommen. Die
größten Lithiumvorkommen in Europa liegen im Donetsk-Luhansk-Gebiet. […]
Also wir haben hier auch ganz andere Ziele noch im Hintergrund […]]“
Antikapitalismus können sie auch.
Woher die Kriegsbegeisterung der „Systemparteien“ kommt? Antwort: Weil es
„im Kriegsfall keine Neuwahlen gibt“. Und weil „diese Leute selbst niemals
vorhaben, ihre Kinder an die Front zu schicken“, werde die Bevölkerung
wieder einmal nur „als Masse gesehen, als Kanonenfutter […].
Anti-elitärer Pazifismus von rechts – das könnte attraktiv sein, aber
antimilitärisch ist er nicht, denn: „Zu wissen, wie man sein Bett macht,
marschieren zu gehen, einfach mal eine gewisse Weise die Härte des Lebens
verspüren. Die meisten Leute, die ihre Sojalatte trinken, die wissen nichts
mehr über die Härte des Lebens, bis sie mal ganz hart damit konfrontiert
werden […]. Ich finde das gut, einfach einen Grundstock an innerlicher
Stärke, Resilienz, also Widerstandsfähigkeit und Disziplin aufzubauen.“
## Jürgen Kaube dreht frei
Pazifisten oder Freunde der AK47 – anschlussfähig sein nach allen Seiten,
das ist ein altbewährtes Rezept, wenn man drankommen will. Neuerdings sitzt
Philip Hopf nicht mehr so oft im kargen Studio, sondern ballert schon mal
aus einer großräumigen Villa mit Terrasse hoch am Hang über Stuttgart gegen
die „Bildungsidioten“ aus den ideologisch versifften Universitäten.
Ein anderes „Signal an den Elfenbeinturm“ kam neulich aus der FAZ.
[3][Co-Herausgeber Jürgen Kaube] wetterte gegen die
„Wirklichkeitsverweigerung“ der „Linken und Liberalen“, der
„Sachbuchrevolutionäre“ aus der woken „geschlossene Anstalt“. Die Stä…
der AfD bestehe darin, dass es die „Probleme (gibt), die von rechts
vorgebracht werden“, dass die Regierenden sich über die „drastischen
Missstände euphemistisch hinweglügen“. Kein konkretes Wort über die
Milliarden, die Not täten (Klima, Brücken, Schulen, KI), und die
Zukunftsverweigerung der FDP. Dafür ein erratischer Satz, bei dem es bei
mir aus weiter Ferne klingelte: „Die AfD hatte noch nie die Chance, sich an
einer Regierung zu beteiligen. Deshalb hatte sie auch noch nie die Chance,
sich und ihre großmäuligen Phrasen in einer Regierung zu blamieren.“
Die werden schon abwirtschaften? Ich will mal annehmen, Kaube hält das
nicht für eine Strategie; bei anderen bin ich nicht so sicher. Die
Radikalisierung auf den wackeligen Mittelplätzen der Gesellschaft dürfte
zunehmen, und Montesquieu sei mit uns, wenn es demnächst noch ein paar
demagogische Talente mehr jenseits von Alice Weidel und ein paar Medien
jenseits der Welt gibt, eine Allianz von Herren-Writern, echten Kerlen und
Leistungsträgern mit Sitzgruppe. Einstweilen ist die schöne Terrasse, vor
der Philip Hopf sitzt, ein Fake, eine Tapete: mal sind die Fenster rechts
und mal links. Ist ja vorerst noch egal, wo man einsammelt.
25 Jun 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Hoss_und_Hopf
[2] https://www.volksstimme.de/deutschland-und-welt/politik/cdu-mann-kiesewette…
[3] /Ausladung-von-Nancy-Fraser/!6001379
## AUTOREN
Mathias Greffrath
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