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# taz.de -- Finfluencer auf sozialen Medien: Komm in die Gruppe!
> Finanz-Influencer, sogenannte Finfluencer, versprechen ihren Followern
> Erfolg an der Börse. Manche bemühen sich um Aufklärung, andere um
> schnelles Geld.
Bild: Iced out: Mit viel Bling und protzigen Karren locken zwielichtige Finflue…
Wie gewohnt unrasiert und im schwarzen T-Shirt lädt der britische
Influencer und Ex-Aktienhändler Gary Stevenson in dem kurzen Facebook-Video
zu einer Whatsapp-Gruppe ein, wo er schlaue Börsentipps verspricht. Der
38-jährige Stevenson, ein Arbeiterkind, das während der Finanzkrise 2008
schnell zum Millionär wurde, ist laut eigener Darstellung und der seiner
vielen Fans [1][der beste Trader der Welt]. Sein zentrales Argument:
Ungleichheit sei schlecht für die Wirtschaft.
Stevensons Youtube-Kanal „Gary’s Economics“ hat inzwischen über 1,3
Millionen Follower, sein 2024 erschienenes Buch „Das Milliardenspiel“ ist
in seinem Heimatland zum Bestseller geworden. Sein Werdegang verschafft ihm
Glaubwürdigkeit. Publikationen von der Financial Times bis zum linken New
Statesman feiern ihn. Zu Recht?
Stevenson ist Teil einer boomenden Szene: den sogenannten Finfluencern –
Influencer, die sich auf Finanzthemen spezialisiert haben und ihre
Reichweite in sozialen Medien nutzen, um Wissen über Geld und Wirtschaft zu
vermitteln. Die Studie „Finfluencer Relations“ zählte im deutschsprachigen
Raum im Mai 2023 186 deutschsprachige Finfluencer mit rund 13 Millionen
Followern auf verschiedenen Social-Media-Kanälen. Im Mai 2024 waren es
schon 278 Finfluencer mit knapp 28 Millionen Followern. Die Zielgruppe:
überwiegend junge, digital affine Männer.
Finfluencer vermitteln Informationen zu Wirtschaftsthemen unterhaltsam über
persönliche Geschichten und Emotionen. Das erklärt Monika Kovarova-Simecek
der taz. Sie ist Professorin an der österreichischen Fachhochschule St.
Pölten und Co-Autorin der oben benannten Studie. Finfluencer vermitteln das
Gefühl, dass man sie kenne, sagt sie.
Die Beziehung zwischen Finfluencern und ihren Followern sei eine typische
parasoziale Beziehung: eine einseitige emotionale Verbindung, die jemand zu
einer medialen Persönlichkeit, wie einem Star, Influencer oder fiktiven
Charakter, entwickelt – obwohl sie diese Person im realen Leben nicht
kennt. Diese einseitige Beziehung kann zu einem falschen Gefühl von
Vertrauen führen, so die Expertin. Allerdings zeigten die Daten auch, dass
die meisten derer, die Finfluencern folgen, ihnen nicht blind vertrauen und
unterschiedliche Informationsquellen nutzen.
## Aktien und Anlagen stiften Sinn
Vermutlich trifft das Angebot der Finfluencer auf so viel positive
Resonanz, weil viele junge Leute in Deutschland wenig über Finanzthemen
wissen und sich gleichzeitig Sorgen über ihre finanzielle Zukunft machen.
Die Jugendwahlstudie 2025 zeigt, dass junge Menschen deutlich mehr
Zukunfts- und Finanzängste haben als ältere Generationen. Das gilt
besonders mit Blick auf steigende Lebenshaltungskosten, unsichere
Altersvorsorge und die Befürchtung, sich grundlegende Dinge wie Wohnen oder
Energie nicht mehr leisten zu können. Gut 40 Prozent der Generation Z –
zwischen ca. 1997 und 2012 geboren – geben an, es gebe derzeit nichts, das
ihnen Hoffnung gibt.
Da ist es durchaus sinnvoll, sich mit Aktien und Anlagen zu beschäftigen
und zu überlegen, wie man irgendwann mehr als nur das Notwendige auf dem
Konto haben könnte. Das Problem ist nur, dass die Finfluencer nicht nur
gute Tipps geben.
In Deutschland sorgte der Fall „Immo Tommy“ vergangenes Jahr für
Schlagzeilen. Ihm folgen auf verschiedenen Social-Media-Kanälen Millionen
Menschen. Er bezeichnet sich selbst als größten Immobilien-Influencer
Europas. Dabei machte er bei der Vermittlung überteuerter Immobilien und
riskanter Finanzierungen enorme Gewinne. Das zeigen Recherchen des NDR und
des Spiegels. Viele Käufer berichten, dass er ihnen Immobilien vermittelt
habe, deren Kosten deutlich über dem Marktwert lagen. Sanierungsarbeiten
wurden zugesagt, jedoch nicht oder nur teilweise durchgeführt und eigene
Provisionen wurden verschleiert.
Nicht alle Finfluencer sind so. Kovarova-Simecek nennt als Positivbeispiele
Kanäle wie „Finanzfluss“ und „Miss Moneypenny“. Diese vermittelten sac…
und fundiert Finanzwissen ohne direkte Kaufempfehlungen und wilde
Versprechungen von schnellem Geld. Das sei gerade in Deutschland wertvoll.
Im Vergleich zur Schweiz fehle hier beispielsweise ein
generationenübergreifender, kultureller Zugang zu Finanzwissen, sagt sie.
In der Schweiz sei daher der Einfluss der Finfluencer auch nicht annähernd
so groß wie hier.
Es ist aber leider nicht einfach, die Seriösen von den Unseriösen zu
unterscheiden. Verbraucherschützer und die Finanzaufsichtsbehörde [2][BaFin
warnen]: Viele Finfluencer verfügen nicht über die nötige Qualifikation,
ihre Empfehlungen sind oft oberflächlich, manchmal sogar schlicht falsch.
Eine Analyse des Finanzberatungsunternehmens Almond Financial ergab, dass
bis zu 87 Prozent der Finanztipps auf Tiktok potenziell irreführend sind.
Das Problem verschärft sich, [3][wenn Betrüger] gezielt auf
Messengerdienste wie Whatsapp oder Telegram ausweichen. Hier werden Nutzer
in Gruppen gelockt, in denen angeblich exklusive Tipps geteilt werden. Oft
steckt dahinter nichts als das Ziel, an persönliche Daten zu gelangen oder
ahnungslose Anleger zu riskanten Investitionen zu verleiten – bis hin zum
Totalverlust.
## Zweifel an Stevensons Selbstdarstellung
So auch beim eingangs erwähnten Facebook-Video von Stevenson. Auf
taz-Anfrage erklärte er, dieses sei ein Fake, er habe nie eine Whatsapp-
oder Telegram-Gruppe für Finanzberatung betrieben. Scheinbar handelt es
sich hier um ein KI-generiertes Video. Kurze Zeit später war das Video
nicht mehr auffindbar. Auf Telegram gibt es mehrere Fake-Gruppen, die mit
Namen und Foto von Stevenson werben – ein Betrug, sagt er.
Und Stevensons Selbstdarstellung als einer der besten Trader der Welt,
dessen Prognosen jedes Jahr wieder zutreffen? Wohl mindestens übertrieben.
[4][Die Financial Times] hat inzwischen eine ganze Reihe seiner alten
Kollegen interviewt, die dieser Darstellung widersprechen.
19 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.penguin.de/content/edition/excerpts/1076177.pdf
[2] https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2024/fa_…
[3] https://www.profinance.de/news/blog/finfluencer-und-ihre-risiken-was-verbra…
[4] https://www.ft.com/content/7e8b47b3-7931-4354-9e8a-47d75d057fff
## AUTOREN
Houssam Hamade
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