# taz.de -- Straßenstrich am Kurfürstenkiez: Sex, Drugs, Engel & Völkers | |
> Die Gentrifizierung des Kurfürstenkiezes schreitet voran. Dadurch werden | |
> Sexarbeiter verdrängt. | |
Bild: Einer der letzten sicheren Verrichtungsort für die Sexarbeiter*innen der… | |
BERLIN taz | Nicht jede*r auf dem Strich konsumiere Drogen, sagt Lonneke | |
Schmidt-Bink am Mittwochmorgen, aber viele. Einige Sexarbeiter*innen | |
seien in die Sexarbeit gelangt, um sich dadurch ihren Drogenkonsum zu | |
finanzieren, andere durch die Sexarbeit in den Drogenkonsum gelangt. Henne | |
oder Ei, hin oder her, eines steht für sie fest: „Der Ton auf der Straße | |
wird rauer.“ | |
Schmidt-Bink ist Sozialarbeiterin beim Frauentreff Olga, einer Anlauf- und | |
Beratungsstelle für drogenkonsumierende Frauen, Trans*frauen und | |
Sexarbeiterinnen an der Kurfürstenstraße. Am Mittwochmorgen veranstalten | |
sie im Rahmen der „Aktionswoche zum Internationalen Tag der Sexarbeit“ eine | |
Führung über den Straßenstrich im Kiez. | |
Es sind nur wenige Sexarbeiter*innen auf der Straße. „Viele haben | |
gestern ihr Bürgergeld bekommen und ruhen sich aus“, erzählt Schmidt-Bink. | |
Die Sexarbeiter*innen im Kiez seien sehr divers: von Minderjährigen | |
bis über 60-Jährige, die mit der Arbeit ihre „Rente aufbessern“ wollten, | |
seien alle vertreten. „75 Prozent der Straßensexarbeiter*innen hier | |
kommen aus Osteuropa“, sagt sie. Zunehmend kämen auch Personen aus | |
südamerikanischen Ländern, viele von ihnen Drittstaatler*innen ohne | |
Ansprüche auf Leistungen. „Manchen geht es richtig beschissen“, sie seien | |
obdachlos, drogenabhängig und psychisch labil. [1][Andere gingen der | |
Sexarbeit selbstbestimmt nach.] | |
## Mit Pizza beworfen | |
Anlass für die Aktionswoche ist der „Internationale Hurentag“ am 2. Juni, | |
ein inoffizieller Gedenktag, der auf die Diskriminierungen und | |
Stigmatisierungen aufmerksam machen soll, die Sexarbeiter*innen | |
täglich erleben müssen. Und die sind erheblich: „Sexarbeiter*innen wurden | |
von Anwohner*innen mit Wassereimern überschüttet und Pizzen beworfen“, | |
erzählt Schmidt-Bink. Alteingesessene Kiezbewohner*innen hätten eine | |
hohe Akzeptanz für die Sexarbeiter*innen und unterstützten diese, doch | |
der Kiez und die Bewohnerschaft habe sich in den letzten Jahren stark | |
verändert. | |
Wo früher Brachland war, stehen heute Neubauten und Alnatura-Märkte. Von | |
den neuen Bewohnern seien viele von der Sexarbeit nicht begeistert, sagt | |
Schmidt-Bink. Das könnten die Sexarbeiter*innen nur bestätigen. | |
„[2][Für sie hat sich durch die Gentrifizierung die Situation in vielerlei | |
Hinsicht verschlechtert],“ erzählt die Sozialarbeiterin. Früher hätten sie | |
ihren Geschäften und Drogenkonsum weitgehend unbeobachtet nachgehen können, | |
durch die Gentrifizierung sei dies zunehmend in die Sichtbarkeit gerückt. | |
Die Folge: weniger Kundschaft. | |
Zudem haben viele Stundenhotels schließen müssen, wodurch [3][mehr | |
Sexarbeit im öffentlichen Raum stattfinde]. „Das ist für die | |
Sexarbeiter*innen ungünstig“, sagt Schmidt-Bink. Denn die Straße ist | |
gefährlicher als geschützte Orte, Kunden seien „regelmäßig gewaltvoll“. | |
Ein Ort, an dem sich die Sexarbeiter*innen noch sicher fühlen, ist das | |
LSD-Sexkino an der Kurfürstenstraße, an dem sie Kabinen mieten und ihr | |
Geschäft verrichten können. „Seit Längerem steht jedoch im Raum, dass das | |
Gebäude abgerissen werden soll“, erzählt Schmidt-Bink. Es werde auch | |
darüber diskutiert, den Kiez zum Sperrgebiet zu erklären. | |
„Es kann sein, dass die Straße so unattraktiv wird, dass die | |
Sexarbeiter*innen verschwinden“, sagt die Sozialarbeiterin. Stellt | |
sich nur die Frage: wohin? „Wenn sie nicht mehr im offenen Raum sichtbar | |
sind, an wen wenden sie sich, wenn es brennt?“. Von der Politik fordert | |
Schmidt-Bink daher sichere Verrichtungsorte, einen Drogenkonsumraum und | |
24-Stunden-Notunterkünfte. Eine solche Infrastruktur würde auch die | |
Probleme mit der Nachbarschaft lindern. | |
5 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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