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# taz.de -- Gaby Coldewey Vor der Tür: Lost in Litauen
> Litauens Hauptstadt Vilnius verändert sich rasant. Im Bewusstsein der
> meisten Westeuropäer ist die Stadt jedoch noch nicht angekommen.
Bild: Neubauten in der litauischen Hauptstadt Vilnius
„Europa wächst zusammen“ – das klingt gut irgendwie. Danach, dass man si…
häufiger besucht, leichter zusammenkommt, sich besser versteht. „Grau ist
alle Theorie“, würde ich dagegenhalten.
Ich reise nach Vilnius. [1][Die litauische Hauptstadt] ist von Berlin so
weit entfernt wie Paris, Mailand oder Zagreb, gute 1.000 Kilometer. Doch
während Letztere im Bewusstsein der meisten Westeuropäer fest verankert und
gut erreichbar sind, ist das bei Ersterer ganz anders.
Gab es bis Anfang der 1990er noch eine direkte Bahnverbindung von Berlin in
die baltischen Staaten, änderte sich das mit deren Unabhängigkeit und dem
Ende der Sowjetunion 1991 sukzessive. Für eine klimafreundliche Bahnreise
müsste man aktuell in Warschau übernachten, denn der einzige Zug nach
Vilnius fährt hier frühmorgens ab. Für eine 17-stündige Busfahrt fühle ich
mich zu alt. Mit der Fähre von Kiel nach Klaipeda dauert es mehr als 24
Stunden. Ein Auto habe ich nicht. Bleibt ein Flug. Immerhin dreimal
wöchentlich gibt es eine Direktverbindung von Berlin.
Der Flughafen Vilnius wird gerade umgebaut. Touristen irren an Bauzäunen
entlang. Taxis sind nicht zu sehen, die temporäre Shuttlebusstation ist
nicht ausgeschildert. Doch halt, dort steht ein sonnengegerbter
Mittfünfziger. Auf seiner signalgelben Weste die Aufschrift: „Do you need
help?“
## Ein Bus nach Belarus
„Hallo, where do I find the bus to the city centre?“, frage ich freundlich.
„Avtobus?“, fragt er schüchtern zurück. Sein Russisch ist fließend, meins
ganz okay. Kurz darauf stehe ich an der Haltestelle. Zwei ältere Herren
beraten sich dort mit einem weiteren Gelbwestigen. „Perwyj i wtoroj
avtobusy idut do woksala“, erklärt der. Also, Bus Nr. 1 und 2 fahren zum
Bahnhof. Die kommen aber nicht, stattdessen fährt alle paar Minuten Bus Nr.
3 G vor. Englischsprachige Touristen, die wissen wollen, wohin der fährt,
scheitern an den litauischen Busfahrern. Nur einmal haben sie Glück: der
Fahrer ist Schwarz, sein Englisch fließend.
Schwarze Fahrer sind [2][ein Novum in Vilnius]. Die sehe ich hier zum
ersten Mal. Anderen geht es offenbar ähnlich. Ein Schwarzer Taxifahrer
beeindruckt die elegante ältere Russin neben mir sichtlich: „Otschen
koloritny taksi. Eto neobytschno“, murmelt sie. In etwa: „Ein sehr buntes
Taxi, sehr ungewöhnlich.“
Gerade als ich sie in ein Gespräch verwickeln will, stürmen fünf Mädchen
mit großem Gepäck auf den Gelbwestigen zu. „Gibt es keine Busse nach
Belarus mehr?“ Der Bahnverkehr nach Minsk ist aktuell eingestellt, aus
politischen Gründen. Doch, Busse fahren, „gleich hinter dem Hotel“.
Russisch ist hier die Lingua franca, es fühlt sich fast anachronistisch an.
Plötzlich schlägt die Gegenwart voll durch. Zuerst bestellt die Russin per
Smartphone ein Uber. Ob jemand mitwolle, fragt sie auf Russisch. Dann kommt
der Bus, der an Ikea, Lidl und Decathlon vorbei ins Zentrum rumpelt. Neben
einem McDonald’s muss ich umsteigen. In meinem Hostel spricht man fließend
Englisch, zum Frühstück gibt es Croissants und Kaffee mit Hafermilch.
Welcome to Lithuania!
6 Jun 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Gaby Coldewey
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