| # taz.de -- Karl-Lagerfeld-Promenade: Hamburg ehrt Body-Shamer | |
| > Hamburg ehrt verstorbenen Modeschöpfer, der Frauen mit seinen | |
| > Körpernormen das Leben schwer machte. Damit wird ein falsches Signal | |
| > gesetzt. | |
| Bild: Das Straßenschild „Karl-Lagerfeld-Promenade“ ist am Alsterfleet in d… | |
| Der Hamburger Senat veröffentliche vor wenigen Tagen ein Foto. Darauf hielt | |
| die Marketing-Chefin des Hamburger Abendblatts zusammen mit dem | |
| Kultursenator ein leuchtend blaues Straßenschild in die Kamera. Ein Stück | |
| Weg am Alsterfleet in zentraler City-Lage heißt fortan | |
| „[1][Karl-Lagerfeld-Promenade]“. | |
| Mit im Bild stehen ein Bezirksamtsleiter und ein Buchhändler. Der Senat | |
| teilt mit, dass die [2][Marketing-Chefin] und der Buchhändler die Idee zur | |
| Umbenennung hatten. Mit der neuen Promenade würdige die Stadt das | |
| Lebenswerk des 2019 Gestorbenen. Sein Stil und Habitus hätten ihn zum | |
| „Taktgeber der internationalen Modewelt“ gemacht. Sein künstlerischer Geist | |
| hätte in Hamburg Spuren hinterlassen. | |
| Aber nicht nur der. Als in New York vor einem Jahr eine große Modegala den | |
| Modezar würdigte, kritisierte laut Spiegel die britische Schauspielerin | |
| Jameela Jamil, man feiere einen Mann, der „öffentlich grausam zu Frauen, zu | |
| dicken Menschen, zu Immigranten und zu Überlebenden sexueller Übergriffe | |
| war“. | |
| Lagerfeld hatte sich nicht nur über die Metoo-Bewegung und Merkels | |
| Flüchtlingspolitik mokiert. Er äußerte sich wiederholt abwertend über | |
| Frauenkörper. „Keiner im Publikum will Frauen mit Rundungen sehen“, hatte | |
| er zum Beispiel im französischen Fernsehen gesagt und geklagt, dass | |
| Übergewichtige der Gesellschaft auf der Tasche lägen. Über eine Sängerin | |
| fiel ihm ein, sie sei „ein bisschen zu fett“. 2004 hatte Lagerfeld eine | |
| Kollektion für eine Textilkette entworfen und sich beschwert, die hätte | |
| gewisse Konfektionsgrößen einfach größer gemacht. | |
| ## Keine Zeit, um Biografien zu lesen | |
| Was er entworfen habe, sei „eine Mode für schmale, schlanke Leute“. Als die | |
| Zeitschrift Brigitte [3][normale Frauen statt Models aufs Titelblatt] | |
| brachte, fand er das nicht gut. „Da sitzen dicke Muttis mit einer Chipstüte | |
| vorm Fernseher und sagen, dünne Models sind hässlich.“ Übergewicht, so | |
| erklärte er schließlich im britischen TV, wäre gefährlicher als Magersucht. | |
| So einer bekommt nun ein Straßenschild in einer Innenstadt, die langsam | |
| verödet. Vielleicht auch, weil viele Frauen keine Kleidung in ihrer Größe | |
| finden. Denn die Durchschnittskonfektionsgröße der Frauen, die 44, zählt | |
| heute in manchem Modekaufhaus schon als Extra Large. Da würdigt man | |
| Lagerfelds Geist. | |
| Was er sagte, war seine Meinung. Aber braucht er ein Denkmal? Und wenn ja, | |
| wieso wurde nicht öffentlich darüber gestritten? Ist Bodyshaming okay? | |
| Lagerfelds Sprüche finden sich im Netz noch zuhauf. Werden die jetzt | |
| geadelt, wird ein falsches Signal gesetzt. | |
| Die Kulturbehörde äußert sich inhaltlich nicht. Eine Senatskommission habe | |
| den Straßennamen im April mit 26 weiteren beschlossen. Der Bezirk Mitte | |
| verweist auf eine Bezirksversammlung vom 23. November. Laut [4][Protokoll] | |
| fiel die als letzter Tagesordnungspunkt geführte Debatte kurz aus. Die FDP | |
| erläutert den Antrag. Grüne und Linke halten dagegen, dass unklar sei, was | |
| Lagerfeld für den Bezirk geleistet habe, und dass [5][zu wenig Straßen] | |
| nach [6][Frauen hießen]. Doch die regierende „Deutschland-Koalition“ aus | |
| SPD, CDU und FDP stimmt dafür. | |
| Man habe auch Lagerfelds kritische Äußerungen diskutiert, sagt | |
| FDP-Fraktionschef Timo Fischer der taz. Man würde das alles nicht selbst | |
| unterschreiben, aber da sei „nichts dabei, was einer Benennung entgegen | |
| steht“. Die Koalition habe den Antrag sehr kurzfristig eingebracht, | |
| berichtet hingegen die Grüne Fraktionsvorsitzende Henrike Wehrkamp. Da wäre | |
| keine Zeit gewesen, am Tag davor eine Biografie zu lesen. „Als der Antrag | |
| eingebracht wurde, war das sehr lapidar“, sagt sie. | |
| Die Hamburger Wissenschaftsbehörde, nebenbei für Gleichstellung und Bezirke | |
| zuständig, erklärt auf Nachfrage, die Diskussion um das Lebenswerk einer | |
| öffentlichen Person gehöre „differenziert geführt“. Neben persönlichen | |
| Äußerungen müsse man [7][die künstlerischen Verdienste] einbeziehen. Das | |
| sei hier geschehen. Sie schickt vorweg, sie lehne jede Herabwürdigung von | |
| Menschen aufgrund ihres Aussehens ab. Dann ist ja gut. | |
| 9 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Strassen-umbenennen/!5977275 | |
| [2] https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article242455040/Karl-Lager… | |
| [3] https://www.pz-news.de/home_artikel,-Brigitte-Nach-drei-Jahren-zurueck-zu-d… | |
| [4] https://sitzungsdienst-hamburg-mitte.hamburg.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=1037196 | |
| [5] https://www.hamburg.de/strassennamen/9916590/strassenbenennung-verschwiegen… | |
| [6] https://gruene-mitte.com/2021/02/04/oeffentlicher-raum-in-hamburg-mitte-wei… | |
| [7] /Nachruf-auf-Karl-Lagerfeld/!5571096 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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