# taz.de -- Lauterbach-Plan zur Homöopathie: Schwarz-grüne Front für Globuli | |
> Dürfen Krankenkassen weiter für Homöopathie zahlen? Im Petitionsausschuss | |
> des Bundestags sind sich CDU und Grüne einig, die Ampel zeigt mal mal | |
> wieder Risse. | |
Bild: Globuli führen zu neuen politischen Bündnissen im Bundestag | |
BERLIN taz | Der Mediziner Stefan Schmidt-Troschke operiert am Montag im | |
Bundestag mit dem großen Besteck. Dass der Gesundheitsminister den | |
Krankenkassen verbieten will, homöopathische Arzneimittel zu bezahlen, sei | |
„ideologisch gestaltete Gesundheitspolitik“. Zehntausende Menschen fühlten | |
sich „bevormundet durch solche Maßnahmen“. Für den anthroposophischen Arzt | |
und seine Mitstreiter*innen ist das Vorgehen „eine Art von Willkür“. | |
Vor den Mitgliedern des Petitionsausschusses darf der Berliner Kinderarzt | |
am Montag gegen das von ihm empfundene Unrecht anreden. Knapp 200.000 | |
Unterschriften hat die Eingabe, die er initiierte, nachdem | |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Jahresbeginn seinen Plan | |
offenbart hatte. Teil der Regelleistungen, die die Kassen bezahlen müssen, | |
sind homöopathische Mittel zwar ohnehin nicht. Als freiwillige | |
Zusatzleistung dürfen sie aber angeboten werden – was rund 70 Kassen auch | |
machen. [1][Das wollte Lauterbach unterbinden]. | |
Durch das Kabinett ging das dazugehörige Gesetz im Mai zwar ohne die | |
entsprechende Klausel. Der Bundestag, der abschließend entscheiden muss, | |
könnte sie aber wieder einfügen – und entsprechende Bestrebungen gibt es | |
bei einem Teil der Ampel-Abgeordneten. „Wir erachten das Problemfeld nicht | |
für erledigt“, sagt daher auch der Petent Schmidt-Troschke. | |
Er und eine Mitstreiterin, die Strahlentherapeutin Diana Steinmann, | |
argumentieren unter anderem mit der hohen Nachfrage nach Homöopathie in der | |
Bevölkerung – [2][laut einer Allensbach-Studie aus dem vergangen Jahr] | |
hätten 60 Prozent der Deutschen Erfahrung mit den Mitteln. Sie verweisen | |
auf die verhältnismäßig geringen Kosten – insgesamt geben die Kassen 300 | |
Milliarden Euro pro Jahr aus, für Homöopathie laut Lauterbach nur 20 bis 50 | |
Millionen Euro. Und sie bestehen auf der Wirksamkeit von Globuli und Co – | |
obgleich dafür in wissenschaftlichen Studien über den Placebo-Effekt hinaus | |
der Nachweis fehlt. | |
Interessanter als diese altbekannten Argumente sind im Bundestag aber die | |
Nachfragen der Abgeordneten. Denn sie geben Hinweise darauf, wie sich die | |
Fraktionen im weiteren Gesetzgebungsprozess positionieren könnten. | |
## Risse in der Ampel | |
Schon in den vergangenen Wochen hatte sich abgezeichnet, dass in der SPD | |
nicht nur Lauterbach ein Problem mit der Kostenübernahme hat. Die | |
ursprünglichen Pläne des Gesundheitsministers seien „wissenschaftlich | |
durchaus nachvollziehbar“ gewesen, sagt am Montag die Abgeordnete Annika | |
Klose. Bei der Herstellung homöopathischer Arzneimittel würden die | |
Wirkstoffe verdünnt, bis fast nichts davon übrig ist. „Sind sich alle ihre | |
Patientinnen und Patienten bewusst darüber, wie die Mittel hergestellt | |
werden? Sollte es eine Vorgabe geben, wie die Menschen darüber aufgeklärt | |
werden?“, fragt sie den Petenten. | |
Innerhalb der Ampelkoalition ist dieser kritische Blick allerdings nicht | |
Konsens. Die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer zielt darauf ab, dass die | |
Kassen auch andere Zusatzleistungen bezahlen, deren Wirksamkeit nicht | |
erwiesen ist, Lauterbach damit aber kein Problem habe. „Planen Sie denn | |
auch an anderen Stellen Ausschlüsse oder nur im Bereich Homöopathie und | |
anthroposophische Medizin?“, fragt sie Staatssekretär Edgar Franke, | |
ebenfalls SPD, der im Ausschuss das Gesundheitsministerium vertritt. | |
Der laviert während der anderthalbstündigen Sitzung: Einerseits wiederholt | |
er das Argument seines Ministers, dass die Kostenübernahme den | |
Patient*innen eine Wirksamkeit vorgaukle, die nicht nachgewiesen sei. | |
Andererseits verweist er darauf, dass die Klausel ja nicht mehr im | |
Gesetzentwurf stehe und nun das Parlament am Zug sei. Und schließlich | |
verweist er auf die Erfahrungen, die seine Frau einst bei den gemeinsamen | |
Kindern gemacht habe: „Wo die Kinder klein waren, haben viele | |
homöopathische Arzneimittel denen ausdrücklich geholfen.“ | |
Das greift wiederum die Grünen-Abgeordnete Rüffer auf: Ob das jetzt heiße, | |
dass das Thema für das Gesundheitsministerium endgültig vom Tisch ist? So | |
will sich der Staatssekretär dann aber doch nicht verstanden wissen. | |
Dazu muss man sagen: Dass sich Lauterbach im Kabinett nicht durchsetzen | |
konnte, lag an den Grünen. Vor ihrer Regierungszeit [3][hatten sie intern | |
noch heftig über ihre Haltung zum Thema gestritten]. Jetzt wollen es die | |
Homöopathie-Gegner*innen in der Partei aber nicht auf eine erneute | |
Polarisierung ankommen lassen – die Zeiten sind ohnehin aufgeheizt genug. | |
Auf der anderen Seite machte sich vor allem der Landesverband aus der | |
Anthroposophen-Hochburg Baden-Württemberg gegen Lauterbachs Pläne stark. | |
Vorerst hat sich dieser Flügel durchgesetzt. | |
## CDU dankt wirklich sehr ausdrücklich | |
Im Bundestag sind die Grünen aktuell aber nicht die einzigen Freund*innen | |
der Homöopathie. Noch klarer positioniert sich im Petitionssausschuss die | |
CDU. Die Abgeordnete Simone Borchardt sagt in Richtung des Petenten: „Ich | |
danke Ihnen sehr ausdrücklich, wirklich, für diese Petition.“ Und ihr | |
Fraktionskollege Andreas Mattfeldt befürchtet im Falle einer Streichung | |
wirtschaftliche Schäden bei Weleda und anderen Produzenten: „Rechnen Sie | |
mit Insolvenzen unter den Herstellern?“, fragt er das Ministerium. | |
Keine ganz eindeutige Positionierung zeigen derweil die Abgeordneten Sören | |
Pellmann (Linke) und Christian Bartelt (FDP), der im Zahnarztkittel aus | |
seiner eigenen Praxis zugeschaltet ist. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist | |
in der Sitzung nicht vertreten – und die AfD nutzt den Termin einmal mehr, | |
um sich an der Coronapandemie abzuarbeiten: Dass kein einziges | |
homöopatisches Mittel die Anforderungen erfüllt, um offiziell als | |
Arzneimittel zu gelassen zu sein, könne kein Argument gegen die | |
Kostenübernahme sein, sagt der Abgeordnete Gereon Bollmann. Bei den | |
Covid-Impfstoffen sei das ja auch nicht entscheidend gewesen, behauptet er: | |
„Das war alles nicht endgültig zugelassen!“ | |
Eine Empfehlung zum Umgang mit der Petition trifft der Ausschuss am Montag | |
noch nicht. Federführend wird über die Zukunft der Kassenleistungen aber | |
ohnehin der Gesundheitsausschuss beraten. Wann der Bundestag abschließend | |
diskutiert und abstimmt, ist noch nicht bekannt. | |
Korrekturhinweis: In einer ersten Version des Textes stand, der Petent sei | |
im Ausschuss von seiner Berliner Praxiskollegin Anne Steinmüller | |
unterstützt worden. Tatsächlich handelte es sich aber um die | |
Strahlentherapeutin Diana Steinmann aus Hannover. Wir bitten für den Fehler | |
um Entschuldigung. | |
3 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Homoeopathie-als-Kassenleistung/!5982516 | |
[2] https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/IfD/sonstige_pdfs/2023_03_15_Presse… | |
[3] /Gruene-und-Homoeopathie/!5652485 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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