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# taz.de -- Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile: Auf dem Weg zur Gedenkst�…
> Die ehemalige Sektensiedlung Colonia Dignidad soll zu einem Ort des
> Erinnerns werden. Chile will nun Teile des Geländes ihren Besitzern
> entziehen.
Bild: Hat mit seinen Enteignungsplänen überrascht: Chiles Präsident Boric
Berlin taz | Chile will Teile der ehemaligen Colonia Dignidad enteignen, um
auf dem Gelände einen Gedenkort einzurichten. Das [1][verkündete] der
chilenische Präsident Gabriel Boric überraschend am Samstag. „Die
Herausforderung der Menschenrechte und der Erinnerungskultur kennt keine
Grenzen“, erklärte Boric drei Tage nach einem Treffen der
chilenisch-deutschen Regierungskommission zur Aufarbeitung der Colonia
Dignidad, die seit 2017 an der Errichtung eines Gedenk-, Dokumentations-
und Lernortes arbeitet. Als „Ergebnis dieser Kooperation“ [2][verkündete]
Boric, die Regierung habe „einen Prozess zur Enteignung von Teilen des
Geländes“ in Gang gesetzt, „darunter auch das frühere Haus von Paul
Schäfer“.
Der 2010 im Gefängnis in Santiago de Chile verstorbene Schäfer war die
Führungsfigur der 1961 in Chile gegründeten deutschen Sektensiedlung. Die
Bewohner:innen mussten jahrzehntelang Zwangsarbeit verrichten und waren
sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Während der Diktatur (1973–1990)
kooperierte die Führung der Siedlung mit dem Geheimdienst, der ein
Folterlager auf dem Gelände errichtete. Etwa hundert Gefangene wurden dort
ermordet und verscharrt, später wieder ausgegraben und verbrannt. Sie sind
bis heute verschwunden.
In der Siedlung, die inzwischen Villa Baviera heißt und als Firmenholding
privater Aktengesellschaften organisiert ist, leben derzeit rund 130
Personen. Sie betreiben Landwirtschaft und – für die Angehörigen der
Verschwundenen besonders verletzend – einen Hotel-Restaurant-Betrieb in
bayerischem Stil. Einen Gedenkort gibt es bislang nicht.
Das „frühere Gelände des Terrors und des Todes“ solle nun in einen „Ort…
Erinnerung und der Zukunft“ verwandelt werden, so Boric. Er erklärte,
„gemeinsam aus dem Süden Chiles und aus Deutschland mit einer Stimme die
Botschaft des ‚Nie wieder‘ in die Welt“ zu senden. „Wir werden eine
Trägereinrichtung gründen, die die Umsetzung einer Gedenkstätte übernimmt�…
konkretisierte der Leiter der Menschenrechtsabteilung im Außenministerium,
Tomás Pascual, gegenüber der taz. Dabei werde ein [3][Konzept für einen
Gedenk-, Dokumentations- und Lernort] einfließen, das Expert:innen im
Auftrag beider Regierungen 2021 erstellt haben.
Boric bald zu Besuch in Deutschland
Die Bundestagsabgeordneten [4][Renate Künast] (Grüne), [5][Isabel
Cademartori] (SPD) und [6][Jan Korte] (Linke) begrüßten die Entscheidung
Borics, ebenso der in der Colonia Dignidad aufgewachsene Rechtsanwalt
Winfried Hempel. Er [7][fordert], dass die Gedenkstätte alle Opfer
vertritt.
Die chilenische Rechtsanwältin Mariela Santana [8][zeigte sich überrascht]
von der Ankündigung, begrüßte sie aber und forderte
Beteiligungsmöglichkeiten für alle Betroffenen und die von ihr vertretenen
Angehörigen von Verschwundenen.
Die Bewohner:innen der Siedlung waren auf diese Entwicklung nicht
vorbereitet und fühlen sich überrumpelt. Astrid Tymm und Harald Lindemann
sind in der Colonia Digniad aufgewachsen und wurden schon als Kinder schwer
misshandelt und leben bis heute unter prekären Bedingungen. Tymm sorgt sich
darum, ob sie oder andere ihre Wohnung verlieren oder das Gelände verlassen
müssen.
Lindemann meint allerdings, „es ist so weit gekommen, weil sich Direktoren
(die Leitungspositionen in den Aktiengesellschaften der Villa Baviera
besetzen, d. Red.), den Angehörigen der Verschwundenen gegenüber oft
feindlich verhalten“ haben. Er erinnert daran, dass Ende 2023 sogar ein
symbolischer Gedenkstein gestohlen wurde, den Angehörige von Verschwundenen
selbst errichtet hatten.
Er beklagt, dass wenige Personen innerhalb der Villa Baviera Macht und
Vermögen besitzen. Im März hatte das Paar zusammen mit anderen
Bewohner:innen auf der Zufahrtsstraße zur Villa Baviera für die
Zuteilung von Land und Nachzahlung von Löhnen demonstriert. Nun stehen sie
deswegen innerhalb der Siedlung unter Druck.
Wie diese Fragen nun gelöst werden können und welche Rolle Chile und
Deutschland im Zusammenhang mit der Gedenkstätte haben werden, könnten
beide Regierungschefs klären, wenn Boric ab dem 10. Juni in Deutschland zu
Besuch ist.
2 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=N1I-GNeAd-E
[2] https://x.com/GobiernodeChile/status/1796959214457229770
[3] /Verbrechen-der-Colonia-Dignidad-in-Chile/!5783546
[4] https://x.com/RenateKuenast/status/1797011077038760073
[5] https://x.com/isacademartori/status/1796998220523909490
[6] https://x.com/jankortemdb/status/1797234733094522916
[7] https://x.com/WinfriedHempel/status/1796984355660660989
[8] https://x.com/Malesanta1/status/1797090386361393591
## AUTOREN
Ute Löhning
## TAGS
Chile
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50 Jahre Putsch in Chile
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