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# taz.de -- Kundgebung gegen Colonia Dignidad: Protest vor Haus von Sekten-Tät…
> Schleppende Aufklärung seit Jahrzehnten: Angehörige von Opfern der
> Colonia Dignidad fordern Täter auf, sich zu äußern. Sie kämpfen um
> Anerkennung.
Bild: Kundgebung in Krefeld am 26. August: Aufklärung gefordert
Krefeld taz | Eine ruhige Wohnsiedlung im nordrhein-westfälischen
Krefeld-Oppum: Etwa fünfzig Personen haben sich am Samstag zu einer
Kundgebung versammelt und halten Fotos von verschwundenen chilenischen
Oppositionellen. In dem Wohnhaus, vor dem die Kundgebung stattfindet, lebt
seit Kurzem Hartmut Hopp (79), der frühere Leiter des Krankenhauses der
Colonia Dignidad und rechte Hand des 2010 verstorbenen Sektenchefs Paul
Schäfer.
Auf Transparenten fordern die Menschen [1][Aufklärung der Verbrechen der
Colonia Dignidad] und Gerechtigkeit für die Opfer der deutschen
Sektensiedlung in Chile, in der ab 1961 ein Regime von sexualisierter
Gewalt und Zwangsarbeit herrschte und wo während der chilenischen Diktatur
(1973 bis 1990) [2][Hunderte Oppositionelle gefoltert und Dutzende ermordet
wurden]. „Seit fast fünfzig Jahren suche ich meinen Vater und meinen Bruder
“, sagt Juan Rojas Vásquez, der in der Umgebung der Colonia Dignidad
aufgewachsen ist und heute in Stuttgart lebt.
Am 13. Oktober 1973 wurden sein Bruder Gilberto und sein Vater Miguel
verschleppt und vermutlich in der Colonia Dignidad ermordet. Ihr Schicksal
wurde nie aufgeklärt. Vásquez ist sich sicher, dass Hopp, der als
Verbindungsmann der Colonia Dignidad zum chilenischen Geheimdienst DINA
galt, weiß, was seinen Angehörigen in der Colonia Dignidad widerfahren ist.
Hartmut Hopp lässt sich an diesem Samstag nicht blicken. In Chile ist er
wegen Beihilfe zu Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch Minderjähriger
rechtskräftig zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er entzog sich dieser Strafe,
indem er sich nach Deutschland absetzte. Seit 2011 lebt Hopp weitgehend
unbehelligt in Krefeld. Deutschland liefert ihn als deutschen Staatsbürger
nicht an Chile aus, lehnte auch einen chilenischen Antrag ab, nach dem er
seine Haftstrafe in Deutschland absitzen sollte.
## Verbrechen in Deutschland straflos geblieben
Schließlich stellte die deutsche Justiz auch eigenständige strafrechtliche
Ermittlungen gegen Hopp und auch gegen andere Führungspersonen der Colonia
Dignidad ein. In Deutschland sind die Verbrechen der Colonia Dignidad
straflos geblieben, in keinem Fall kam es zur Anklageerhebung. Mehrere
frühere Führungsangehörige der deutschen Siedlung, die mit
Interpol-Haftbefehl gesucht wurden, finden in Deutschland ein
Rückzugsgebiet. Währenddessen geht [3][die politische Aufarbeitung nur sehr
langsam voran.]
Die Regierungen Deutschlands und Chiles haben zwar erklärt, in der
Ex-Colonia Dignidad, der heutigen Villa Baviera, [4][eine Gedenk- und
Dokumentationsstätte errichten zu wollen]. Bisher floriert dort allerdings
vor allem ein Tourismusbetrieb mit Hotelrestaurant im bayerischen Stil.
Das Bochumer „Bündnis Solidarität und Erinnerung“, das sich rund um den 5…
Jahrestag des Putsches in Chile zusammengefunden hat, fordert eine
Wiederaufnahme der strafrechtlichen Ermittlungen wegen der Verbrechen der
Colonia Dignidad in Form eines Strukturermittlungsverfahrens. Wenige Tage
vor dem Internationalen Tag der Opfer des Verschwindenlassens am 30. August
hat es diese als „Funa“ bezeichnete Kundgebung organisiert.
## Opfer kämpfen für Anerkennung
„Eine Funa ist eine chilenische Protestform, die sich speziell gegen
straffreie Täter wendet“, sagt die Menschenrechtsreferentin bei der
Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum, Bianca Schmolze, „Dabei zieht man in
Scharen und lautstark vor die Häuser der Täter und macht darauf aufmerksam,
dass hier jemand lebt, der straffrei Verbrechen gegen die Menschheit zu
verantworten hat.“ Im Laufe des Tages werden Flugblätter in der
Nachbarschaft verteilt, wo bisher nicht bekannt war, dass Hopp hier lebt.
Von der Colonia Dignidad hätten sie natürlich schon viel gehört, sagen
interessierte Anwohner:innen, die nicht namentlich genannt werden wollen,
„aber es ist ja was anderes, wenn das hier so direkt vor der Tür ist“.
Für Bianca Schmolze geht es darum, „Anerkennung des Erlittenen zu
erreichen“ und mit vielfältigen Aktionen deutlich zu machen, dass die
Überlebenden nicht alleine da stehen. Denn das Verschwindenlassen von
Personen trifft vor allem auch deren Angehörige. „Solange nicht klar ist,
was das Schicksal der geliebten verschwundenen Person ist, dauert das
Verbrechen an, es ist nicht abgeschlossen und die Suche nach den
Verschwundenen geht weiter. Die Angehörigen werden diesen Kampf auch
weiterführen, bis sie endlich erfahren, was mit ihren Geliebten passiert
ist.“
27 Aug 2023
## LINKS
[1] /Ex-Ermittler-zu-Colonia-Dignidad/!5934244
[2] /Deutsche-Sektensiedlung-in-Chile/!5932637
[3] /Gedenkstaette-Colonia-Dignidad/!5909211
[4] /Colonia-Dignidad-in-Chile/!5926437
## AUTOREN
Ute Löhning
## TAGS
Colonia Dignidad
sexueller Missbrauch
Chile
Sekte
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50 Jahre Putsch in Chile
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Colonia Dignidad
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