# taz.de -- Robert-Rössle-Straße in Pankow: Die unsichtbaren Frauen | |
> Die Robert-Rössle-Straße soll umbenannt werden. Und zwar in | |
> Cécile-Vogt-Straße. Angekündigt wurde dieses Vorhaben bereits vor zwei | |
> Jahren. | |
Bild: Die Berliner übernehmen es einfach selbst, wie bei der Umbenennung der M… | |
Berlin ist eine von Männern dominierte Stadt. Den Eindruck bekommt man | |
jedenfalls, wenn man beim Schlendern und Shoppen auf die Namen der Straßen | |
und Plätze achtet. Blochplatz, Böttgerstraße, Charles-Corcelle-Ring, um nur | |
ein paar Namen in Wedding zu nennen. Egal aber ob Mitte oder Marzahn, | |
erinnert wird vor allem an historische männliche Persönlichkeiten, mal | |
bekannter, mal weniger bedeutend. Wer war noch gleich Otto Franke, | |
Namensgeber einer Straße in Treptow-Köpenick? Auch egal, Hauptsache | |
männlich. | |
[1][Es ist logisch, dass viele alte Straßennamen männlich geprägt sind, | |
einfach aufgrund der Zeit], aus der sie stammen. Wenn Bezirke dann aber | |
doch mal Straßen umbenennen, bleiben diese häufig männlich, was eine Form | |
der strukturellen Diskriminierung von Frauen darstellt. Ein Blick in die | |
Tabellen von Straßen und Plätzen der verschiedenen Bezirke führt das | |
Problem vor Augen. „w“ steht für historische weibliche Personen, „vw“ … | |
weibliche Vornamen, „fw“ für fiktive weibliche Personen. | |
Die Kürzel brauchen sich Betrachter*innen eigentlich nicht merken, denn | |
sonderlich häufig tauchen sie in den Tabellen nicht auf. Den Frauenanteil | |
bei Straßennamen von 50 Prozent, wie er zum Beispiel von | |
Friedrichshain-Kreuzberg angestrebt wird, erreicht kein einziger Bezirk. | |
Das Problem: Straßennamen sind eben nicht nur „Schall und Rauch“. Wir | |
erinnern uns täglich an die Namensgeber, wenn wir durch die Straßen laufen. | |
Sie finden sich auf Anschriften von Briefen, Paketen und Ausweisen wieder. | |
[2][Sie spiegeln die Gesellschaft wider, in der wir leben.] Und die ist, | |
wie auch [3][die Straßennamen], geprägt von Männern. Nach Neubenennungen | |
wie dem Rio-Reiser-Platz in Kreuzberg könnte es nun einen Hoffnungsschimmer | |
für die Sichtbarkeit von Frauen geben: Die Robert-Rössle-Straße im Pankower | |
Ortsteil Buch soll in Cécile-Vogt-Straße umbenannt werden. | |
## Keine Straßen für Nazis | |
Robert Rössle ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Umbenennung von | |
Straßen schneller vonstatten gehen sollte. Denn Rössle war ein Arzt der | |
NS-Zeit, der sich, wenn auch offiziell kein NSDAP-Mitglied, für die | |
„Vernichtung lebensunwerten Lebens“ – wie er es nannte – einsetzte. Hin… | |
kamen Forschungen über die Pathologie der Familie, wobei er von den | |
jüdischen Familien profitierte, die das Regime in den Suizid trieb. | |
[4][Dies begrüßte er auch ausdrücklich in einem Schreiben, über das die taz | |
berichtete.] | |
Kurzum: Robert Rössle war kein Mensch, dem man gedenken möchte. | |
Dementsprechend sollte auch die Umbenennung eigentlich vom Bezirksamt | |
vorangetrieben und erwünscht sein. Ein Gutachten über die Hirnforscherin | |
Cécile Vogt sollte dem Bezirksamt Pankow bis Ende März vorliegen. | |
Tatsächlich ist es auch gut zwei Monate später noch nicht fertig. Auf | |
Nachfrage teilt die zuständige Stadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) | |
jetzt mit, dass das Gutachten für Juni erwartet wird. | |
[5][Der Bezirk will vermutlich einen weiteren Fauxpas à la Rössle | |
vermeiden] und geht dementsprechend akribisch bei dem neuen Gutachten vor. | |
Alles streng nach Plan. Was übersetzt auch bedeutet: [6][Es hat sich ewig | |
fast nichts getan]. Und das schon seit zwei Jahren. Bereits im Juni 2022 | |
wurde über den neuen Namen abgestimmt. Das Bezirksamt verweist auf die | |
vielen bürokratischen Schritte, an denen es sich entlang hangeln muss, | |
bevor die Straße umbenannt werden kann. | |
In einem Schreiben aus dem vorangegangenen Jahr, das der taz vorliegt, ist | |
die Rede von Abstimmungen mit dem Vermessungsamt Pankow, einer | |
Widerspruchsfrist, die abgewartet werden muss, und so weiter und so fort. | |
Selbst wenn Änderungen von Straßennamen mit einem hohen bürokratischen | |
Aufwand verbunden sind – bei anderen Bezirken scheint die Hürde geringer zu | |
sein. | |
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg teilt auf Anfrage der taz mit, der | |
Prozess zur Umbenennung von Straßen würde erfahrungsgemäß in etwa 12 Monate | |
dauern. Das Bezirksamt Pankow erklärt, dass sich der Prozess um eine „nicht | |
einzuschätzende Zeit“ verlängern kann, wenn eine Straße nach historischen | |
Persönlichkeiten benannt werden soll und Gutachten erstellt werden müssen. | |
Cécile-Vogt-Anhänger*innen warten jedenfalls schon deutlich länger als | |
12 Monate auf ihre neuen Straßenschilder. | |
26 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Carlotta Kuhlmann | |
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