# taz.de -- Frankfurter Prozess gegen Gruppe Reuß: Reichsbürger ohne Reue | |
> Im Terrorprozess gegen die Gruppe um Prinz Reuß in Frankfurt will die | |
> Verteidigung Freisprüche erreichen – ist aber schon jetzt teils | |
> zerstritten. | |
Bild: Der Prinz und sein Anwalt Hans-Otto Sieg (re.) | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Noch hat sich [1][im Prozess gegen die | |
Führungsriege der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Verschwörung um Heinrich | |
XIII. Prinz Reuß] keiner der neun Angeklagten zu den Vorwürfen geäußert. | |
Doch bereits nach dem zweiten Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht in | |
Frankfurt ist klar: Mit reuevollen Geständnissen dürfte eher nicht zu | |
rechnen sein. | |
„Mein Mandant steht auf der Grundlage des Grundgesetzes und der | |
Rechtsordnung“, sagte Rechtsanwalt Roman von Alvensleben, einer von vier | |
Verteidigern [2][des als Rädelsführer angeklagten Prinz Reuß], am | |
Donnerstag. Nie habe der Frankfurter Immobilienunternehmer Gewalttaten | |
gegen den Staat geplant. Von „Märchen“ sprach der Anwalt. | |
Prinz Reuß, seinen acht Mitangeklagten sowie 18 weiteren Männern und | |
Frauen, denen [3][in Stuttgart] und München der Prozess gemacht wird, wirft | |
die Bundesanwaltschaft die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung | |
und Hochverrat vor. Die „Patriotische Union“ soll [4][einen bewaffneten | |
Angriff auf den Bundestag geplant haben]. Der Aufbau von 286 | |
„Heimatschutzkompanien“ hatte laut Anklage schon begonnen. | |
Ideologischer Antrieb soll dabei auch der Glaube an die antisemitische | |
QAnon-Verschwörungserzählung gewesen sein: dass pädophile Eliten in | |
unterirdischen Tunneln Kinder missbrauchen. Und dass jedoch schon bald ein | |
mächtiger internationaler Geheimbund, die „Allianz“, einmarschieren und die | |
Kinder befreien werde. | |
## Uneinigkeit unter den Verteidigern | |
Reuß-Verteidiger Hans-Otto Sieg nahm dieses [5][Hoffen auf die „Allianz“] | |
nun zum Anlass, die Entlassung seines Mandanten aus der Untersuchungshaft | |
zu fordern. Die „Patriotische Union“ habe erst mit dem Einmarsch dieser | |
Geheimarmee aktiv werden wollen, erklärte Sieg: „Da es die ‚Allianz‘ nie | |
gab, war von Anfang an objektiv klar, dass es zu einem Umsturz nie kommen | |
würde.“ | |
Dass es sich bei QAnon um herbeihalluzinierten Irrsinn handelt, ist unter | |
den Verteidiger*innen indes nicht unumstritten. Am Ende des ersten | |
Verhandlungstags hatte Martin Schwab, Juraprofessor aus Bielefeld und | |
Verteidiger seiner Parteifreundin Johanna Findeisen-Juskowiak aus der | |
[6][Coronaleugner*innen-Partei „Die Basis“], der Bundesanwaltschaft | |
einseitige Ermittlungen vorgeworfen – weil sie nicht nach den Tunneln mit | |
den gequälten Kindern gesucht habe. Man dürfe, erregte sich der | |
Hochschullehrer, das nicht einfach als Verschwörungserzählung abtun. | |
Es ist nicht die einzige Uneinigkeit. Bei Vitalia B., der Lebensgefährtin | |
von Prinz Reuß, haben sich Pflichtverteidigerinnen und Wahlverteidiger | |
schon so zerstritten, dass sie offenbar nicht einmal mehr miteinander | |
reden. Wahlverteidiger Thomas Nirk nutzte sogar sein Eröffnungsstatement | |
für Angriffe auf seine Kolleginnen. Seiner programmatischen Ansage aber | |
widersprachen auch sie nicht: „Die Verteidigung ist angetreten, die | |
Unschuld der Mandantin zu beweisen.“ | |
Andreas Wölfel schließlich – ein rechtsextremer Szeneanwalt, der den | |
[7][ehemaligen KSK-Soldaten Peter Wörner] vertritt – kritisierte das | |
angeblich unverhältnismäßige Vorgehen der Justiz, inklusive | |
Verschwörungsgeraune: „Es besteht der Verdacht, dass das Strafverfahren auf | |
dem Rücken der Angeklagten missbraucht wird, um von anderweitigem Versagen | |
abzulenken.“ | |
Mehrere Angeklagte, darunter Prinz Reuß und die ehemalige | |
AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, wollen sich auch | |
noch persönlich einlassen. Wann sie das tun werden, ist allerdings offen. | |
Weil zu den ohnehin bereits mehr als 800 Ordnern mit Akten gerade sechs | |
weitere hinzukamen, beantragten die Verteidiger*innen die Aussetzung | |
des Verfahrens – oder zumindest eine längere Unterbrechung. Bis zur | |
kommenden Woche muss das Gericht darüber entscheiden. | |
23 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Joachim F. Tornau | |
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