| # taz.de -- Nahost-Proteste an Sciences Po: Kaderschmiede als Protesthochburg | |
| > Trotz eines Debatten-Versuchs gehen die Nahost-Proteste an der Sciences | |
| > Po weiter. Zuletzt stellt die Uni auf Online-Betrieb um. Die | |
| > Regionalbehörden wollen die Subventionen kürzen. | |
| Bild: Ein Demonstrant wird von Polizisten bei der Räumung eines propalästinen… | |
| Paris taz | Als „Schwindel!“ bezeichnet der Student Hubert Launois auf dem | |
| Netzwerk X die „Townhall“- Debatte an der französischen Eliteuniversität | |
| Sciences Po. Sie war am [1][Donnerstag als Reaktion auf die | |
| Studierendenproteste zum Nahostkonflikt] organisiert worden. Zwar seien | |
| alle Studierenden, Lehrkräfte und Beschäftigten eingeladen worden, und alle | |
| Meinungen, auch kompromisslos klingende, konnten friedlich geäußert werden, | |
| so Launois. Doch ein Dialog zwischen den verhärteten Lagern scheint vorerst | |
| nicht möglich zu sein. Die Mitglieder des Comité Palestine fühlen sich als | |
| „Judenhasser“ und „Sektierer“ verunglimpft, ihre Kritiker werden als | |
| „Faschisten“ beschimpft. | |
| Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas war | |
| es an der Sciences Po, dem Institut für politische Studien, mehrfach zu | |
| pro-palästinensischen Kundgebungen und Spannungen gekommen. Studierende | |
| besetzten in der vergangenen Woche Teile des Gebäudes oder blockierten | |
| Zugänge. Es gab mehrfach Auseinandersetzungen. | |
| Am Donnerstagabend lösten Sicherheitskräfte ein Protestlager mit etwa 300 | |
| Studierenden auf, am Folgetag wurden bei dem Versuch einer Besetzungsaktion | |
| 91 Personen vorübergehend festgenommen. Die Uni stellte schließlich auf | |
| Online-Betrieb um. Die meisten Gebäude blieben am Freitag geschlossen und | |
| die Polizei sperrte Zufahrtsstraßen ab. | |
| Launois verstehe sein politisches Engagement als seine „Pflicht“. Der | |
| Zeitung La Croix erzählt er, er sei Friedensaktivist, motiviert von | |
| christlichen Ideen. Dabei sei er weder ein Mitglied der Partei La France | |
| insoumise noch ein Teil der Bewegung Comité Palestine. Über die Debatte und | |
| auch das Verhalten der Schulleitung sei er enttäuscht. „Sie hat weder | |
| angekündigt, die Partnerschaften mit israelischen Universitäten und | |
| Unternehmen überprüfen zu wollen, noch versprochen, auf weitere | |
| Polizeieinsätze zu verzichten.“ | |
| ## Keine Fakultät wie andere | |
| Der Befehl zu den Einsätzen kommt von ganz oben. Premierminister Gabriel | |
| Attal will mit hartem Durchgreifen vermeiden, dass sich die | |
| Besetzungsaktionen noch weiter ausbreiten und zu gewaltsamen Konflikten | |
| eskalieren. Attal will zudem verhindern, dass Frankreichs Eliteschule für | |
| Politik wie die Columbia-Universität in New York zur Hochburg dieser | |
| Proteste wird. | |
| Sciences-Po in Paris ist nicht bloß eine Fakultät wie andere. Sie ist nach | |
| Harvard die beste Schule für Politologie und Internationale Beziehungen und | |
| wurde 1872 als Kaderschmiede der Republik gegründet. Zahllose | |
| Spitzenpolitiker und Persönlichkeiten der Kultur oder Wirtschaft haben hier | |
| studiert: Schriftsteller wie Paul Claudel und Marcel Proust, aber auch | |
| Minister, Regierungschefs und Staatspräsidenten wie François Mitterrand, | |
| Jacques Chirac und Emmanuel Macron gehören zu ihren Absolventen. | |
| Ein Diplom des Instituts des Études Politiques (IEP) gilt in Frankreich | |
| immer noch als Referenz bei der Nominierung von Ministern und | |
| Premierministern. Kombiniert mit dem Abschluss der Nationalen | |
| Verwaltungshochschule (ENA) als Garantie für eine Spitzenkarriere. Lange | |
| war der Eintritt in diese Eliteschule den Kindern aus privilegierten | |
| Familien vorbehalten. Erst seit etwas mehr als 25 Jahren wurde sie auch für | |
| besonders begabte Schüler*innen aus sonst benachteiligten Quartieren der | |
| Banlieue und vermehrt für Absolventen aus dem Ausland geöffnet. | |
| Dabei nahm die Meinungsvielfalt der Studierenden zu. Seit Jahren schon wird | |
| Sciences Po wegen ihrer Solidaritätsveranstaltungen mit Unterdrückten in | |
| reaktionären Kreisen als „Hort des Wokismus“ bezeichnet. Erst kürzlich | |
| titelte Le Figaro „Sciences Po beugt sich dem Druck der Islamo-Gauchisten“. | |
| Die Proteste sind nur der letzte Tropfen gewesen, welches das Fass für die | |
| Rechten zum Überlaufen brachte. | |
| ## Druck von Rechts | |
| Als Konsequenz hat Valérie Pécresse, die konservative Vorsitzende der | |
| Hauptstadtregion, die Streichung der jährlichen Subventionen von rund einer | |
| Million Euro angekündigt. „Eine Minderheit von Radikalisierten, die zum | |
| antisemitischen Hass aufrufen und von LFI (La France insoumise) und deren | |
| islamo-gauchistischen Alliierten instrumentalisiert werden, dürfen nicht | |
| der gesamten universitären Gemeinschaft ihr Gesetz diktieren“, so die | |
| Erklärung von Pécresse. | |
| Für Eric Ciotti, Vorsitzende der konservative Partei Les Républicains (LR), | |
| geht das nicht weit genug. Er kritisiert, die Regierung sei viel zu | |
| nachsichtig mit den Demonstrierenden von Sciences Po und wirft der | |
| Schulleitung vor, sie würde den Aktivisten „mit der Einstellung von | |
| Disziplinarverfahren einen Blankoscheck für antisemitische Forderungen“ | |
| ausstellen. | |
| Die LFI dagegen macht dieses Klima der Repression zum Hauptthema ihrer | |
| laufenden EU-Wahlkampagne. Die Kandidatin Rima Hassan war in dieser Woche | |
| zusammen mit der LFI Fraktionsvorsitzenden der Nationalversammlung, | |
| Mathilde Panot, wegen ihrer Unterstützung der Aktionen bei Sciences-Po zu | |
| einer polizeilichen Anhörung vorgeladen. Ihr wird die „Verherrlichung von | |
| Terrorismus“ vorgeworfen. | |
| 4 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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