# taz.de -- Rasierklingen-Falle im Wahlkampf: Hamburger SPD-Politiker verletzt | |
> Als er umgeworfene Plakate wieder aufstellte, schnitt sich SPD-Politiker | |
> Olcay Aydik an einer verdeckten Rasierklinge. Nun ermittelt der | |
> Staatsschutz. | |
Bild: In Zeiten von Plakatvandalismus ungewöhnlich heil: Werbeschild für die … | |
HAMBURG taz | In Hamburg ist parallel zur Europawahl der Wahlkampf für die | |
sieben Bezirke in vollem Gange. Dabei wurde Olcay Aydik, ein junger | |
SPD-Politiker aus dem Bezirk Mitte, durch eine verdeckt angeklebte | |
Rasierklinge verletzt. Rasierklingen an Plakaten habe es schon im | |
vorherigen Jahr gegeben, berichtet er. Da aber Wahlkämpfer aller Parteien | |
nach dem [1][Angriff auf den Dresdner SPD-Politiker Matthias Ecke] sehr | |
sensibilisiert sind, hat er Anzeige erstattet. | |
Er mag nicht so gern als Opfer in der Zeitung stehen, sagt der 26-jährige | |
Jura-Doktorand. Von einem „Rasierklingen-Attentat“ zu schreiben, wie die | |
Bild es tat, sei übertrieben. Trotzdem habe ihn der Vorfall sehr | |
schockiert. | |
Es passierte am Sonntagmorgen. Die Holzstellschilder mit den Fotos der | |
Bezirkskandidaten stehen schon seit einigen Wochen an Hamburgs Straßen, so | |
auch an der Ecke Hammer Steindamm/Carl-Petersen-Straße im [2][Wahlkreis | |
Hamm, wo Aydik kandidiert]. Doch bisher durfte damit nur für | |
Veranstaltungen geworben werden, erst 30 Tage vor der Wahl sind direkte | |
Wahlaufrufe erlaubt, das war vergangenen Freitag. Und da beginnt der Kampf | |
um die guten Plätze. | |
Er habe in der Nacht gehört, dass zahlreiche Holzstellschilder von den | |
Laternen abgerissen und ins Gebüsch geschmissen wurden, berichetet Aydik. | |
Er sei morgens mit einem Team von acht ehrenamtlichen Helfern verabredet | |
gewesen, um die SPD-Stellwände mit neuen Plakaten mit Wahlaufrufen zu | |
überkleben. | |
Doch weil die sich verspäteten und die Plätze so wertvoll sind, habe er | |
schon mal begonnen, ein weggeworfenes Doppelschild wieder aufzustellen. Als | |
er anfasste, um es richtig in Position zu bringen, habe er mit der rechten | |
Rückhand die Rückseite des zweiten Plakats berührt. „Als ich die Hand | |
gelöst hab, tat es richtig weh“, sagt er. Er vermutete einen Holzspan. Doch | |
als er die Rückseite betrachtete, sah er am Rand der Holzfläche eine mit | |
Klebeband befestigte Rasierklinge. | |
Der Schnitt war nicht tief, sagt er. Drum ließ sich Aydik von einem Helfer | |
aus seinem Team einen Verband mitbringen und setzte die Plakatierung fort. | |
Gleich danach habe er die Polizei informiert. Zwei Beamte hätten sich dann | |
die Plakatwand angeguckt und sie zur Spurensicherung mitgenommen. Die | |
Klinge fanden sie vor Ort nicht, allerdings wurde laut Aydik auch nicht | |
intensiv gesucht. | |
Doch seine Verletzung war dokumentiert. Wie ein Sprecher der Polizei | |
erklärt, ermittelt nun der Staatsschutz wegen „gefährlicher | |
Körperverletzung und Sachbeschädigung der Plakate“. Es sei nicht | |
auszuschließen, dass es sich um eine [3][politisch motivierte Straftat] | |
handelt. | |
„Für jemanden, der noch nie Wahlkampf gemacht hat, klingt das extrem | |
schlimm“, sagt Aydik. „Aber wir hatten solche Sachen schon mehrfach.“ Auf | |
Plakate seien Sticker mit rechten Sprüchen geklebt worden, unter denen | |
Rasierklingen kleben. „Deswegen machen wir die nur noch mit Spachtel ab.“ | |
Die Stimmung beim Aufstellen der Plakate auf der Straße sei aber | |
grundsätzlich sehr gut. „Es gibt auch Leute, die pöbeln. Aber die meisten | |
Passanten sagen uns: ‚Es ist klasse, dass Sie das machen.‘“ Beides habe er | |
in dem Ausmaß in den zehn Jahren davor noch nicht erlebt. Aydik trat mit 15 | |
bei den Jusos ein und ist Vize-Vorsitzender des SPD-Ortsvereins | |
Hamm-Borgfelde. | |
Dass der Ton in diesem Wahlkampf rauer ist, sagt auch Manuel Preuten, | |
Sprecher des SPD-Landesverbandes. [4][Direkte Übergriffe wie in Dresden] | |
habe man Gott sei Dank noch nicht erlebt. „Aber Beschädigungen stellen wir | |
schon im starken Maße fest.“ | |
Bei Hamburgs Grünen gab es in diesem Wahlkampf „glücklicherweise bisher | |
keine größeren Vorfälle“, wie die Landesvorsitzende Maryam Blumenthal sagt. | |
Aber Beleidigungen und Drohungen gegen grüne Kandidierende und Wahlhelfende | |
zum Beispiel an Infoständen seien „mittlerweile an der Tagesordnung“. Und | |
wenngleich auch die Grünen viel Zuspruch erführen, würden auch bei ihnen | |
Plakate „in großem Maße beschädigt und entfernt“. | |
Das berichtet auch Ralf Dorschel, Pressesprecher der Linken. Seine Partei | |
hängte am Freitag zum Beispiel in Altona Plakate auf. „Von denen auf der | |
Großen Bergstraße hängt heute kein einziges mehr, das nicht beschädigt | |
ist.“ Auch an der Max-Brauer-Allee seien „etliche nicht mehr zu retten“. | |
Das sei ärgerlich. So viel Geld habe man nicht, „dass wir die noch mal | |
aufstellen“. | |
17 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Rechter-Angriff-in-Dresden/!6008416 | |
[2] https://hamm-borgfelde.spd-hamburg.de/vorstand | |
[3] /Politisch-motivierte-Kriminalitaet/!5931920 | |
[4] /Angriff-auf-SPD-Politiker-in-Dresden/!6008560 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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