# taz.de -- 1. Mai in Berlin: Die Stille im Blank | |
> Die Clubs verzichten in diesem Jahr auf Politpartys – das liegt auch an | |
> der Spaltung der Szene durch den Gazakrieg. | |
Bild: An diesem 1. Mai schlangenfrei: das About:Blank am Ostkreuz | |
Berlin taz | Der 1. Mai steht an, und das About:Blank am Ostkreuz bleibt | |
rund um den Feiertag einfach zu. [1][Zum Tanz in den Mai muss man einen | |
anderen Berliner Club besuchen.] Es lässt sich durchaus als Statement | |
begreifen, wenn der Partyladen mit dem stärksten politischen | |
Sendungsbewusstsein in der Stadt an dem Tag, an dem für viele die | |
Politisierung einfach mit zur Routine gehört, dicht bleibt: Das Blank tickt | |
eben anders als die anderen. Nach der dreitägigen Feier des 14. Geburtstags | |
letztes Wochenende braucht man vielleicht außerdem auch erst einmal eine | |
Pause. | |
Für die meisten anderen Berliner Clubs ist die [2][Walpurgisnacht eine | |
stinknormale Möglichkeit, einfach eine weitere Party zu schmeißen]. | |
Explizit politisch sind sie alle nicht und implizit so sehr wie jede andere | |
Feier in einem Club am Wochenende. Schließlich gehört es zum | |
Selbstverständnis der Berliner Clubszene, dass hier immer ein wenig gegen | |
die Verhältnisse getanzt wird. Gegen den Sexismus und Rassismus da draußen, | |
vor dem die Clubs in ihrer Funktion als inklusive und diverse Safer Spaces | |
schützen sollen. Und der Rausch der Nacht samt ausschweifendem Hedonismus | |
wird verstanden als eine ständig wiederkehrende Absage an die Regelwerke | |
der spießigen Mehrheitsgesellschaft, denen man auf dem Dancefloor und im | |
Darkroom wenigstens für ein paar Stunden entkommen kann. Wenn man es so | |
sieht, ist jeder Clubbesuch politisch genug, sodass man rund um den 1. Mai | |
nicht auch noch ausdrücklich so tun muss, als würde man keinen Rave, | |
sondern eine Demo veranstalten. | |
Dass die Clubszene am diesjährigen 1. Mai auf eindeutige politische | |
Statements verzichtet, ist vielleicht auch zu begrüßen. Denn seit dem 7. | |
Oktober, seit dem Überfall der Hamas auf Israel, ist sie gespalten wie noch | |
nie. In weiten Teilen findet sich wenig Empathie mit den Opfern in Israel, | |
dafür umso mehr und ausdrucksstärker mit denen in Gaza. Und wer über den | |
stark angestiegenen Antisemitismus nicht schweigen will wie das | |
About:Blank, bekommt aus Teilen der Szene Gegenwind. DJs, die im Blank | |
auflegen, werden von Streitern für die palästinensische Sache gegängelt | |
oder angeprangert. Seit Wochen wird der Club regelmäßig mit Exkrementen | |
beschmiert. | |
Auf diese Art der Politisierung hätte auch Jens Schwan, Gründer der | |
Technoparade „Zug der Liebe“, gern verzichtet. Seine Veranstaltung habe er | |
gegründet, um ein Zeichen gegen Pegida und andere rechtsnationale Umtriebe | |
zu setzen, sagt er. Die Repolitisierung der Szene habe er sehr begrüßt. | |
Seit dem 7. Oktober sei er sich aber nicht mehr sicher, ob er diese Haltung | |
überdenken müsse. | |
Sulu Martini vom About:Blank beobachtet ebenfalls ein angestiegenes | |
politisches Bewusstsein bei Teilen der Szene in den letzten Jahren. Er | |
erinnert an das Bündnis „Reclaim Club Culture“, das unter anderem 2018 zur | |
Rave-Demo „AFD wegbassen“ aufgerufen hatte. Auch dass kritisiert werde, | |
dass im KitKat-Club anscheinend rechtslastige Türsteher umtriebig sein | |
können, führt er auf verstärktes politisches Engagement bei so manchen | |
Ravern zurück. | |
[3][Politisches Bewusstsein müsse sich in der Clubkultur auch gar nicht | |
unbedingt in bestimmten Bekenntnissen zeigen], wie das am 1. Mai üblich | |
ist, findet er, sondern in der Praxis. Wie divers ist das Line-up der | |
Partynacht? Gibt es ein Awareness-Team? Welche minoritären Personengruppen | |
sind sichtbar auf dem Dancefloor? Um diese Fragen kümmern sich tatsächlich | |
immer mehr Berliner Clubs und nicht bloß das Blank. Und zwar das ganze Jahr | |
über und nicht bloß rund um den 1. Mai. | |
30 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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