# taz.de -- Kulturzentrum Oyoun in Neukölln: „Politische“ Insolvenz befür… | |
> Das Kulturzentrum wartet verzweifelt auf zugesagte Lotto-Gelder und | |
> vermutet politischen Druck hinter der Verzögerung. Die Lottostiftung | |
> verneint das. | |
Bild: Noch residiert das Oyoun in der Lucy-Lameck-Straße. Aber angeblich hat d… | |
BERLIN taz | Das Kulturzentrum Oyoun sieht sich durch die Nicht-Auszahlung | |
von Lotto-Geldern der Insolvenz-Gefahr ausgesetzt. „Für unser Projekt | |
‚Gadag‘ hat uns die Lottostiftung im September 2023 eine Förderung von | |
80.000 Euro zugesagt. Das Geld haben wir bis heute nicht erhalten“, sagt | |
die Geschäftsführerin des Oyoun, Louna Sbou, am Montag der taz. | |
Um die bereits angefallenen Kosten für das Projekt leisten zu können, habe | |
der Trägerverein Kultur Neudenken einen Kredit von 54.000 Euro* aufnehmen | |
müssen, den man aber ohne die Projektgelder kaum werde zurückzahlen können. | |
„Lottostiftung und Kulturverwaltung setzen Oyoun damit ernsthaft der Gefahr | |
aus, insolvent zu gehen“, so Sbou. Sie vermutet, genau das sei auch die | |
Absicht hinter diesem Vorgehen. | |
Das Oyoun als Nachfolger der Werkstatt der Kulturen in der Neuköllner | |
Lucy-Lameck-Straße hat sich seit Anfang 2020 als Veranstaltungsort für | |
postmigrantische und queerfeministische Kultur etabliert. [1][Seit vorigem | |
Herbst liegt das Haus jedoch mit der Verwaltung von Kultursenator Joe | |
Chialo (CDU) im Clinch]. Hintergrund ist vor allem eine Veranstaltung der | |
„Jüdischen Stimme“ im Oyoun Anfang November. Der Verein gilt vielen wegen | |
seiner Haltung zum Hamas-Terroranschlag vom 7. Oktober als antisemitisch. | |
Zum Jahresende hat die Verwaltung die Strukturförderung für das Oyoun | |
eingestellt, nach ihrer Darstellung ist die Förderung ohnehin „regulär“ | |
ausgelaufen. Das Oyoun sagt dagegen, ihm sei eine Förderung bis Ende 2025 | |
zugesagt worden. Dazu läuft aktuell noch ein Rechtsstreit. Der Antrag des | |
Oyoun auf eine einstweilige Verfügung, damit bis zum Entscheid in der | |
Hauptsache erst mal weiter Geld für Miete und Gehälter gezahlt wird, wurde | |
von Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Etwa zehn | |
Oyoun-Leute arbeiten dennoch ehrenamtlich weiter und halten den Laden unter | |
großen Schwierigkeiten am Laufen. | |
## „Wir hatten eine feste Zusage“ | |
Unabhängig davon hat der Träger für einzelne Vorhaben Förderungen bekommen, | |
darunter für das besagte Projekt [2][„Gadag – Fäden der Erinnerung“], d… | |
laut Oyoun eigentlich bis August hätte laufen sollen. Ende Februar sei | |
ihnen jedoch von der Lottostiftung mitgeteilt worden, sie müssten das | |
Projekt bis Ende April abwickeln, so Sbou. Man habe daher die | |
Vorbereitungen intensiviert und auch die zugesagten Gelder abrufen wollen. | |
Doch dann habe die Stiftung erklärt, aufgrund des „Insolvenzrisikos“ von | |
Oyoun könne man das Geld nicht komplett auszahlen, sondern nur Ausgaben für | |
eingereichte Rechnungen erstatten. „Wir haben daher den Kredit aufgenommen, | |
auch um internationale Künstlerinnen bezahlen zu können, die in | |
Vorleistungen für ‚Gadag‘ gegangen sind.“ Die Rechnungen habe man wie | |
besprochen eingereicht, aber bis heute keine Erstattung bekommen. Ob dies | |
überhaupt rechtens sei, würden ihre Anwälte derzeit prüfen. „Wir hatten ja | |
eine feste Zusage und einen Zuwendungsbescheid, darauf muss man sich doch | |
verlassen können“, sagt Sbou. Sie nimmt an, dass es politischen Druck auf | |
die Lottostiftung gibt, aber das wäre „rechtsstaatlich absolut | |
inakzeptabel“. | |
Der Stiftungsrat der Lotto-Stiftung ist mit Mitgliedern des Senats und des | |
Abgeordnetenhaus besetzt [3][und entscheidet, welche Projekte gefördert | |
werden]. Fachlich vorbereitet wird die Entscheidung in der | |
Kulturverwaltung, dort sitzt die „fachkundige Stelle“ der Lottostiftung. | |
Aktuell besteht der Stiftungsrat aus den Senatorinnen Franziska Giffey | |
(SPD) und Felor Badenberg (parteilos, für CDU), dem Regierenden | |
Bürgermeister Kai Wegner (CDU), SPD-Fraktionschef Raed Saleh, dem | |
CDU-Fraktionsvorsitzenden Dirk Stettner und der Grünen-Abgeordneten Silke | |
Gebel. | |
Die Vorständin der Lottostiftung Berlin, Marion Bleß, weist die Vermutung | |
zurück, wegen Oyoun sei politischer Druck auf die Stiftung ausgeübt worden. | |
„Es gibt ein paar formal-rechtliche Bedingungen, ob die erfüllt sind, ist | |
noch in der Prüfung“, sagte sie der taz. Dies sei aber nichts Besonderes, | |
sondern „Routine“. Dass das Projekt nur bis Ende April bewilligt wurde, sei | |
zudem von Oyoun selbst ursprünglich so beantragt, betonte Bleß. „Später | |
wollten sie das nach hinten verschieben, aber das hat der Stiftungsrat | |
nicht mehr genehmigt.“ | |
Geschäftsführerin Sbou erwidert, das Oyoun habe die Verlängerung des | |
Projektes beantragt, weil die Kulturverwaltung darum gebeten habe, da | |
aufgrund des Konflikts der schon bewilligte Eigenanteil der Verwaltung von | |
5.000 Euro nicht mehr zur Verfügung stehe. Darum sei ein neuer Finanz- und | |
Zeitplan notwendig geworden. „Uns war auch von der Lottostiftung | |
signalisiert worden, dass dem nichts im Wege stehe.“ | |
*In einer ersten Version war von 40.000 Euro die Rede. Die Zahl hat Oyoun | |
nach Veröffentlichung des Artikels nach oben korrigiert. | |
13 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kulturzentrum-Oyoun-in-Berlin-Neukoelln/!5999103 | |
[2] https://oyoun.de/unsere-arbeit/gadag/ | |
[3] https://www.lotto-stiftung-berlin.de/index.php/stiftung-kopf/stiftungsrat | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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