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# taz.de -- #MeToo-Prozess gegen Harvey Weinstein: Historisches Urteil aufgehob…
> Unerwartet hebt ein New Yorker Gericht das Urteil gegen Harvey Weinstein
> auf – die #MeToo-Bewegung ist bestürzt. Die wichtigsten Fragen und
> Antworten.
Bild: Verfahrensfehler: Das Urteil gegen Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung …
Was ist passiert?
Ein Berufungsgericht hat am Donnerstag ein [1][historisches Urteil gegen
Harvey Weinstein] wegen Sexualverbrechen aufgehoben. In einer
überraschenden Entscheidung haben die Richter in der US-Ostküstenmetropole
New York der Berufung des 72-Jährigen und seiner Anwälte stattgegeben.
Weinstein wurde 2020 im US-Bundesstaat New York wegen Vergewaltigung und
sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. In dem aufsehenerregenden
Prozess ging es im Kern um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 eine
Produktionsassistentin zum Oralsex gezwungen und eine weitere Frau 2013
vergewaltigt haben.
Warum wurde das Urteil aufgehoben?
Grund für die Widerrufung sollen Verfahrensfehler in der Vorinstanz sein.
Demnach stützte sich die Anklage in dem damaligen Prozess auch auf
Zeugenaussagen, die nicht Teil der Anklage waren. „Wir kommen zu dem
Schluss, dass das erstinstanzliche Gericht fälschlicherweise Zeugenaussagen
über nicht zur Anklage gebrachte, mutmaßliche frühere sexuelle Handlungen
gegen andere Personen als die Kläger der zugrunde liegenden Straftaten
zugelassen hat“, schrieb der Vorsitz der Gerichtskammer. Die Entscheidung
der sieben Berufungsrichter fiel mit 4:3 denkbar knapp aus.
In der Entscheidung zur Aufhebung des Urteils von 2020 wird die Zulassung
der zusätzlichen Zeuginnen als schwerwiegender „Fehler“ des damaligen
Richters James Burke bezeichnet: „Die einzigen Beweise gegen den
Angeklagten waren die Aussagen der Klägerinnen, und das Ergebnis der
Gerichtsentscheidungen bestand einerseits darin, ihre Glaubwürdigkeit zu
stärken und den Charakter des Angeklagten vor den Geschworenen zu
schmälern.“ Die Staatsanwaltschaft wollte mithilfe der weiteren Zeuginnen
zeigen, dass die Taten Weinsteins einem wiederkehrenden Muster folgten.
Wieso ist der Fall so aufsehenerregend?
Der [2][erste Prozess gegen Weinstein in New York] markiert einen
Meilenstein in der Rechtsgeschichte. Denn die ehemalige Hollywood-Größe
wurde vor allem auf Basis der Aussagen von Zeuginnen für schuldig befunden
wurde, obwohl er selbst stets seine Unschuld beteuerte. Materielle Beweise
spielten in dem Verfahren eine untergeordnete Rolle.
Der Fall Harvey Weinstein war zudem der Anfang der [3][weltweiten
#MeToo-Bewegung]. Mehr als 80 Frauen hatten Weinstein sexuelle Übergriffe
vorgeworfen. Die Anschuldigungen gegen den Produzenten wurden im Herbst
2017 von der New York Times und dem Magazin New Yorker veröffentlicht.
Weinsteins Masche war es den übereinstimmenden Aussagen der Frauen zufolge,
junge Schauspielerinnen unter der Vorgabe, er halte sie für talentiert und
wolle ihnen bei ihrer Karriere helfen, in Hotelzimmer zu locken. Dort
verlangte er dann sexuelle Handlungen von ihnen. Der Staatsanwaltschaft
zufolge nutzte Weinstein dabei seine herausragende Machtposition in
Hollywood aus, um sich die Frauen gefügig zu machen. Als Produzent von
Filmen wie „Pulp Fiction“ oder „Gangs of New York“ war er sehr erfolgre…
für „Shakespeare in Love“ gewann Weinstein auch einen Oscar.
Kommt Weinstein jetzt wieder auf freien Fuß?
Nein. Trotz der Entscheidung vom Donnerstag bleibt Weinstein im Gefängnis.
In einem zweiten Strafprozess in Los Angeles, in dem es ebenfalls um
Sexualverbrechen ging, war er 2023 zu [4][16 Jahren Gefängnis verurteilt]
worden – zusätzlich zu den 23 Jahren in New York. Bei dem [5][Prozess in
Los Angeles] hatte eine Jury Weinstein im Dezember 2022 wegen
Sexualverbrechen in drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, schuldig
gesprochen. Unter den Klägerinnen war unter anderem Jennifer Siebel, die
jetzige Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom.
Ob in New York ein neues Verfahren gegen Weinstein eingeleitet wird, muss
nach Angaben der New York Times Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg
entscheiden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte gegenüber dem
Magazin The Daily Beast, man werde „alles in unserer Macht Stehende tun, um
diesen Fall erneut zu verhandeln“. Weinstein sitzt in einem Gefängnis im
Bundesstaat New York etwa vier Stunden Autofahrt von Manhattan.
Nach Aussage von Weinsteins Anwalt Arthur Aidala soll sein Mandant nun
näher an die Metropole verlegt werden. Er könne zurück vors Gericht kommen
und seine Sicht der Dinge darlegen: „Er brennt darauf, seine Geschichte vom
ersten Tag an zu erzählen.“ Aidala betonte, sein Team habe von Anfang an
„gewusst, dass Weinstein keinen fairen Prozess bekommen hat“.
Wie reagieren Betroffene und Aktvist*innen der #metoo-Bewegung?
Entsetzt reagierten Aktivist*innen und Betroffene auf die Entscheidung
des Berufungsgerichts. Am Donnerstag meldete sich die [6][Aktivistin und
Gründerin der MeToo-Bewegung], Tarana Burke, zu Wort. Sie sei tief
bestürzt, sagte Burke auf einer Pressekonferenz. Aber dies sei kein Schlag
für die Bewegung, sondern ein [7][„Weckruf“ zum Handeln].
Auch Schauspielerin Ashley Judd (56), die 2017 in einem investigativen
Artikel der New York Times mit anderen Frauen erstmals Weinsteins
Übergriffe öffentlich geschildert hatte, rief zur Fortsetzung des Kampfes
gegen sexuelle Gewalt auf. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes sei
„unfair gegenüber den Opfern“, sagte sie. „Wir leben immer noch in unser…
Wahrheit. Und wir wissen, was passiert ist.“
Die Anwältin Lindsay Goldbrum, die mehrere Klägerinnen gegen Weinstein
vertritt, bezeichnete die neue Entscheidung der Richter in New York nach
Angaben des Senders ABC News als „Rückschritt für die Rechtsstaatlichkeit�…
Bei einem so mächtigen Mann wie Weinstein seien die fraglichen
Zeugenaussagen entscheidend gewesen, um die Behauptung der Verteidigung zu
widerlegen, dass die sexuellen Begegnungen einvernehmlich gewesen seien.
Eine Reaktion kam am Donnerstag von der Schauspielerin Mira Sorvino. Die
Oscar-Preisträgerin („Geliebte Aphrodite“) war eine der ersten Frauen, die
dem US-Filmproduzenten sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten.
„Entsetzt!“, schrieb die 56-Jährige auf der Plattform X (vormals Twitter).
„Seit wann lassen Gerichte Beweise für Verhaltensmuster nicht zu, die
frühere schlechte Taten belegen?“taz/dpa |
26 Apr 2024
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