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# taz.de -- Rekord-Streik nahe Leipzig: Schrottfirma sperrt Streikende aus
> Der Arbeitskampf bei SRW metalfloat dauert schon 180 Tage an. Nun ist er
> weiter eskaliert. Ministerpräsident Kretschmer ruft zu Verhandlungen auf.
Bild: Michael Kretschmer (CDU, l), Ministerpräsident von Sachsen, am 29.2.2024…
Auf einem Zettel am Werkstor informierte Geschäftsführer Thomas Müller
seine streikenden Arbeiter:innen am Montagmorgen, dass er sie nun
ausgesperrt hat. „Mit der Aussperrung erkläre ich gleichzeitig ein
Hausverbot für das ganze Gelände“, steht darauf. Die Recycling-Firma SRW
metalfloat in Espenhain, südlich von Leipzig, reagiert damit auf die
Mitteilung der Arbeiter:innen, ihren Streik am 180. Tag zu „unterbrechen“.
Arbeiten dürfen sie nun trotzdem nicht.
Stattdessen zahlt die [1][IG Metall nun weiter Streikgeld]. Deren
Gewerkschaftssekretär Michael Hecker erklärte, die Unterbrechung sei ein
Versuch gewesen, mit der Firma SRW und der Scholz Gruppe, dem
Mutterkonzern, eine Gesprächsebene herzustellen: „Aber der bleibt seiner
aggressiven Linie aus den vergangenen Monaten treu.“
Von SRW und der Scholz Gruppe heißt es hingegen, die Unterbrechung sei nur
eine vermeintliche Friedensgeste. Der Konzern vermutet einen Trick. Würde
man die Streikenden wieder eingliedern, könnten sie unangekündigt ihre
Arbeit niederlegen, heißt es. Das würde die Produktion von SRW schädigen.
„Wir können aber das Risiko nicht eingehen, unsere Betriebsabläufe zu
gefährden“, so der Geschäftsführer. Außerdem könne das Unternehmen seine
streikenden Arbeitnehmer:innen nicht so schnell wieder in den Betrieb
eingliedern.
Ein Teil der Belegschaft hatte sich dem Streik nicht angeschlossen und
arbeitet weiterhin. In den rund sechs Monaten des Streiks hat SRW die
Produktion verändert, um sie mit weniger Beschäftigten aufrechtzuerhalten.
Eine erneute Änderung sei zeitaufwendig.
Das sei vorgeschoben, entgegnet Gewerkschafter Hecker. Die Beschäftigten
hätten dem Geschäftsführer Resturlaub angeboten, um dem neuen Schichtplan
mehr Zeit zu geben. Mit der Aussperrung wolle die SRW nur Stärke
demonstrieren, glaubt er. „Das ist ein absoluter Skandal. Eine Aussperrung
bei Streiks gab es 40 Jahre lang nicht.“
## Streik für Tarifvertrag
Kern des Konflikts ist weiterhin: Die Streikenden [2][bestehen auf einen
Tarifvertrag], die Scholz Gruppe lehnt einen solchen ab. Sie möchte
stattdessen interne Betriebsvereinbarungen. Damit habe man gute Erfahrungen
gemacht, könne flexibel auf Konjunkturveränderungen reagieren, und die
Arbeitnehmer:innen hätten trotzdem Rechtssicherheit. „Falls sich nicht
an den Vertrag gehalten würde, könnten sie klagen“, heißt es.
Allerdings böten Tarifverträge für Beschäftigte mehr Sicherheit. Sie
könnzen beispielsweise nicht einfach vom Arbeitgeber aufgekündigt werden,
hält Gewerkschafter Hecker dagegen. „Der Tarifvertrag ist das einzige
Werkzeug, das den Sozialpartnern kollektiv rechtssichere Regelungen
bietet.“
Der Arbeitskampf in Espenhain zieht weite Kreise. Im vergangenen halben
Jahr haben verschiedene Politiker:innen den Streik besucht, darunter
auch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Auf taz-Anfrage sagte
dieser nun, er achte die verfassungsrechtlich gebotene Tarifautonomie, frei
von staatlichen Einflussnahmen. Trotzdem appelliere er an die beteiligten
Parteien, eine Lösung herbeizuführen.
Der Linken-Bundespolitiker Gregor Gysi war im Februar ebenfalls in
Espenhain und sagte auf Anfrage der taz nun: „Die Aussperrung von
Beschäftigten, die ihren Streik unterbrechen wollen, halte ich für
verfehlt.“ Vom Geschäftsführer habe er gehört, dass dieser nicht mit der IG
Metall verhandeln wolle. „Gewerkschaften sind aber die
Interessenvertreterinnen der Beschäftigten“, erklärt Gysi der taz. Er wolle
sich erneut an die Gewerkschaft und den Geschäftsführer der Scholz Gruppe
wenden.
Auch Henning Homann, Landesvorsitzender der SPD, hat die Streikenden
mehrfach besucht, kritisiert nun das Vorgehen von SRW und fordert
Konsequenzen: „Wer so mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgeht,
sollte auch keine öffentlichen Aufträge oder Förderung erhalten.“
Für die Streikenden sei die Situation frustrierend, sagt Michael Hecker.
Einzelne haben sich neue Arbeitgeber gesucht, darunter auch der
Betriebsratsvorsitzende. Aufgeben wollen die Streikenden aber nicht.
6 May 2024
## LINKS
[1] /Monatelanger-Streik-in-Recycling-Werk/!5997152
[2] /Milliardeneinbussen-durch-Tarifflucht/!5968349
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
Streik
Streikrecht
IG Metall
GNS
Streik
GDL
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
Streik
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