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# taz.de -- Laute Autos in Berlin: Viel Lärm um – fast – nichts
> Was kann man gegen aufheulende Motoren in den Straßen tun? Theoretisch
> gibt es Mittel, praktisch passiert in Berlin herzlich wenig.
Bild: Straßenlärm nervt – besonders wenn er abslichtlich erzeugt wird
Berlin taz | Der Sommer naht, und damit die Zeit der Poser. Durch alle
Straßen und Gassen rammeln wieder vermehrt tiefergelegte und aufgemotzte
Verbrenner, deren LenkerInnen Freude daran haben, nicht nur CO2 und
Feinstaub, sondern auch gehörig Dezibel in die Umwelt zu entlassen. Anders
gesagt: Wenn’s warm wird, röhren nicht nur die Hirsche lauter, sondern auch
die Autos und Motorräder.
Dabei hat das P-Wort längst Eingang in den offiziellen Sprachgebrauch
gefunden: Von „Poserlärm“ spricht man in der Senatsverkehrsverwaltung und
hat diesen schon lange auf die To-do-Liste im Kampf gegen akustische
Verschmutzung gesetzt. Nur passiert ist bislang wenig, und wenn man sich
die gerade veröffentlichte Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage des
SPD-Abgeordneten Lars Rauchfuß zu Gemüte führt, wird sich daran auch so
schnell nichts ändern.
Rauchfuß wollte wissen, was [1][aus dem „Lärmblitzer“-Experiment geworden
sei], das Mobilitätssenatorin [2][Manja Schreiner (die Älteren erinnern
sich)] vor fast einem Jahr am Ku’damm einläutete. Damals wurde an einem
Lichtmast die sogenannte „Hydre“ montiert, eine in Frankreich entwickelte
Kombination aus Lärmsensor und Kamera, die bei Überschreitung einer
festgelegten Lärmschwelle Bilder von den VerursacherInnen schießt.
Sie sei „gespannt“ auf die Ergebnisse, sagte Schreiner damals, ließ aber
schon durchblicken, dass LärmposerInnen in absehbarer Zeit nichts zu
befürchten haben würden. Denn das Land hat kaum Mittel, überlautes Fahren
zu sanktionieren. Schon die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO), auf die
es hier ankommt, enthält lediglich ein vages Gebot, angemessene Lautstärken
nicht zu überschreiten.
In der Antwort auf Rauchfuß heißt es nun, eine weitere Erprobung von
„Hydre“ sei zwar „wissenschaftlich interessant“, es fehle aber an den
rechtlichen Grundlagen dafür, das Gerät darüber hinaus einzusetzen. Einen
definierten „Lärmdeckel“ gebe es nun mal nicht. Derzeit – fast 10 Monate
nach Abschluss des Versuchs – analysiere die TU Berlin immer noch die zur
Verfügung gestellten Daten, etwa um zu ermitteln, welche Gründe im
konkreten Fall zur Lärmbelästigung führten. Man befinde sich auch im
Austausch mit der Stadtverwaltung von Barcelona, die das System jetzt auch
mal testen wolle.
## Zwischen Bohrer und Flex
Im Übrigen war es nicht so, dass „Hydre“ nicht funktioniert hätte – im
Gegenteil: Laut dem vor einiger Zeit veröffentlichten Abschlussbericht
erfassten die empfindlichen Ohren des Geräts in zwei Monaten fast 2.500
Fahrzeuge, die 82 Dezibel überschritten. Im Schnitt verursachten die
KrachmacherInnen (mehr als die Hälfte davon auf dem Motorrad) 85 Dezibel,
ein Lärmpegel irgendwo zwischen Bohrmaschine und Flex, die Spitzenwerte
überschritten sogar 100 Dezibel, was schon einer Kreissäge oder einem
Martinshorn in wenigen Metern Entfernung entspricht.
Immerhin: Ein bisschen Problembewusstsein hat das Ganze vielleicht
geschaffen. Wie viel, wird sich zeigen, wenn – so jedenfalls das Vorhaben
der Verwaltung – im Juli der neue 5-jährige Lärmaktionsplan vorgelegt wird.
Der wird dann auch – vielleicht, denn es könnte länger dauern – das lange
angekündigte Konzept für nächtliches Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen
enthalten. Dessen Einhaltung kann man – wenn man denn will – schon heute
kontrollieren. Und wer fährt bei dieser Geschwindigkeit schon so richtig
krass laut?
Wobei: Den Motor im Leerlauf heulen zu lassen, das kriegen dann eigentlich
doch alle hin, die das Motto „Wir sind hier und wir sind laut“ auf ihre
Weise interpretieren.
6 May 2024
## LINKS
[1] /Laermblitzer-am-Kurfuerstendamm/!5934707
[2] /Berlins-CDU-Verkehrssenatorin-Schreiner/!6008045
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
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Manja Schreiner
Lärmaktionsplan
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