# taz.de -- Sexdiversity-Forschung in Lübeck: „Ein gesellschaftlicher Lernpr… | |
> Im Forschungsbereich „sexdiversity“ der Uni Lübeck erforschen 27 | |
> Wissenschaftler*innen interdisziplinär die Bedeutungen des | |
> Körpergeschlechts. | |
Bild: Die Debatte ums Gendern ist ein Teil des Themas Sexdiversity: Protest-Pla… | |
HAMBURG taz | Was genau ist eigentlich das biologische Geschlecht? Und | |
welche Folgen hat seine Kategorisierung? Es sind Fragen, die in | |
Gesellschaft und Wissenschaft zurzeit vielfach und kontrovers diskutiert | |
werden – denn viele Menschen lehnen Geschlechtskategorien jenseits von | |
„Mann“ und „Frau“ weiterhin konsequent ab, oftmals mit der – inzwisch… | |
widerlegten – Begründung, dass es biologisch betrachtet nur zwei | |
Geschlechter gebe. | |
Seit Anfang April befasst sich der neue Sonderforschungsbereich (SFB) | |
„sexdiversity“ an der Universität zu Lübeck mit der Erforschung der | |
Vielfalt des biologischen Geschlechts – interdisziplinär und „frei von | |
ideologischen Scheuklappen“, erklärt Prof. Dr. Christoph Rehmann-Sutter, | |
Leiter der Stelle und Professor für Theorie und Ethik in den | |
Biowissenschaften. Die DFG fördert die Stelle für vorerst vier Jahre mit | |
knapp zwölf Millionen Euro. | |
Dafür erarbeiten insgesamt 27 Forschende aus Medizin, Biologie, Neuro-, | |
Geistes- und Sozialwissenschaften in 17 Teilprojekten die | |
naturwissenschaftlichen und soziokulturellen Bedeutungen des | |
Körpergeschlechts und dessen Auswirkungen. So untersucht das Projekt | |
„Überwindung der Binarität des Geschlechts in genetischen Studien“ die | |
wissenschaftliche Idee, das biologische Geschlecht als Spektrum und nicht | |
als binäre Kategorie zu betrachten. Die Leitung des | |
Sonderforschungsbereichs übernimmt die Universität Lübeck, beteiligt an der | |
Forschung sind aber auch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und | |
die Christian-Albrecht-Universität zu Kiel. | |
## Über wissenschaftliche Grenzen hinweg | |
„Sexdiversity“ ist damit vermutlich die weltweit erste Forschungsstelle, | |
die das biologische Geschlecht so facettenreich erforscht. Und das wurde | |
auch längst Zeit: „Viele trans*, inter* und nicht-binäre Menschen (TIN) | |
haben ein sehr gebrochenes Verhältnis zur Medizin, weil sie über Jahrzehnte | |
hinweg einem Geschlecht einfach zugeordnet, übergangen und nicht anerkannt | |
wurden“, sagt Rehmann-Sutter. „Wir sehen in unserer Forschungsstelle die | |
Chance, aus der Vergangenheit zu lernen und die Medizin künftig so zu | |
gestalten, dass sie Betroffenen hilft und bessere gesellschaftliche | |
Strukturen entstehen.“ Außerdem sei es wichtig, das Körpergeschlecht auch | |
als Teil der eigenen Identität zu verstehen, mit der Menschen Erfahrungen | |
machen und Beziehungen eingehen. | |
Die einzelnen Projekte werden nach dem Bottom-up-Prinzip erarbeitet und von | |
einer Steuerungsgruppe begleitet – so soll garantiert werden, dass die | |
Zusammenarbeit über die wissenschaftlichen Grenzen hinweg erfolgt. | |
Dabei sieht der Institutsleiter die Kunst vor allem darin, „die | |
Zusammenarbeit auch für Medizin und Naturwissenschaften erfolgreich zu | |
organisieren, so dass die interdisziplinäre Arbeit auch in Zukunft weiter | |
verfolgt wird.“ Denn bisher hatten es insbesondere die [1][Genderstudies] | |
schwer, von ihnen anerkannt und integriert zu werden. | |
Gleichzeitig könnte der Standort des neuen SFB in Deutschland nicht besser | |
gelegen sein: Die Lübecker Universität forscht bereits seit Jahren zu den | |
[2][Varianten der Geschlechtsentwicklung], wodurch sie reichlich Expertise | |
bereitstellen kann. | |
Außerdem möchte „sexdiversity“ den Universitätscampus strategisch | |
einbeziehen: „Wir wollen Studierende und Betroffene einladen, sich an den | |
Formulierungen der Fragestellungen zu beteiligen und klarmachen: Es ist | |
sinnvoll, sich für sich selbst zu engagieren“, betont Rehmann-Sutter. | |
Zwar gestalte sich der Diskurs über das biologische Geschlecht zurzeit noch | |
sehr schwierig, aber es sei auch die Aufgabe der Stelle, offen für | |
[3][verschiedene Perspektiven] zu sein und sie aufzunehmen. „Wir befinden | |
uns im Moment in einem gesellschaftlichen Lernprozess. Daran möchte sich | |
der neue Sonderforschungsbereich konstruktiv und sachlich beteiligen.“ | |
6 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Lasyan | |
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