| # taz.de -- 47 Frauen segeln über den Atlantik: „Keine durfte nur zuschauen�… | |
| > Mehrere Wochen lang überquerten 47 Frauen auf einem Segelschiff den | |
| > Atlantik. Die Fotografin Verena Brüning hat die Stimmung an Bord | |
| > festgehalten. | |
| Bild: Die Crew bedient gemeinsam das Gangspill, um das Dinghi anzuheben und dan… | |
| wochentaz: Frau Brüning, Sie sind zusammen mit 46 anderen Frauen in 24 | |
| Tagen über den Atlantik gesegelt, von Teneriffa nach Martinique. Wie kam es | |
| dazu? | |
| Verena Brüning: Ich habe schon einige Reportagen auf Traditions- und | |
| Frachtsegelschiffen fotografiert. Seit ein paar Jahren gibt es auf der | |
| Ostsee Törns nur für Frauen, auf dem Segelschiff „Roald Amundsen“. Die | |
| Kapitänin und ein paar andere hatten den Wunsch, eine Atlantiküberquerung | |
| nur mit Frauen zu organisieren. Das hat es noch nie gegeben, und da wollte | |
| ich natürlich mit meiner Kamera dabei sein. | |
| Der Törn wurde beworben, im Winter 2022/23 war es so weit. Es sind Frauen | |
| aus ganz Deutschland mitgefahren, junge und ältere. Mussten sie alle einen | |
| Segelschein haben? | |
| Nein, Segelerfahrung war keine Voraussetzung, aber einige hatten sie | |
| natürlich. Und es macht auch Sinn, bei einer Atlantiküberquerung vorher zu | |
| wissen, wie seefest man ist. Manche waren vorher noch nie auf einem | |
| Segelschiff. Es war aber allen klar, dass sie mit anpacken müssen, keine | |
| durfte nur zuschauen. | |
| Hat die Arbeit Spaß gemacht? | |
| Auf jeden Fall. Viele haben es sehr genossen, am Ruder zu stehen. Ich fand | |
| das am schönsten bei Nacht. Manchmal konnte ich nach den Sternen steuern | |
| und habe mich gefühlt, als wäre ich in ein Zeitloch gefallen. Auch die | |
| Ausbildung und Knotenkunde haben Spaß gemacht, selbst das Deckschrubben und | |
| auch mal das Kloputzen. | |
| Echt? Das hieße ja, auf dem Schiff macht praktisch alles Spaß. | |
| Einige hatten Probleme mit dem Kombüsendienst. Das ist wirklich anstrengend | |
| bei Seegang und stickiger Luft, vielen wurde schlecht. Dabei war die | |
| Stimmung in der Kombüse immer besonders gut. | |
| Hatten Sie manchmal Angst? | |
| Um Segel zu setzen, mussten wir hoch hinaufklettern. Für das obere Segel, | |
| das Royalsegel, auf 28 Meter, und das bei ordentlich Wind und Wellengang. | |
| Wer nicht zur Crew gehörte, wie ich, war nicht verpflichtet dazu, aber | |
| viele wollten das unbedingt. Ich auch, natürlich zum Fotografieren, aber | |
| auch zum Ein- und Auspacken des Segels. Wir haben das in der Regel nur bei | |
| Tageslicht gemacht, aber in einer Vollmondnacht bin ich mit einer Frau aus | |
| der Crew zum Segeleinpacken hochgeklettert und konnte beim Abstieg kaum | |
| sehen, wo ich hintrete. Da sind mir an Deck die Knie weggesackt. Aber ich | |
| war auch stolz. | |
| Waren Sie nicht gesichert? | |
| Wir trugen Klettergurte und haben uns bei den Arbeiten oben auf der Rah | |
| oder an schwierigen Stellen beim Klettern gesichert, aber nicht die ganze | |
| Zeit. | |
| Mit Ihren Fotos haben Sie den Bildband „Windsbraut“ gestaltet. Was bedeutet | |
| der Titel? | |
| „Windsbraut“ ist ein Wetterphänomen, ein Wirbelwind oder Sturmwind, und | |
| wird in der Literatur mitunter als Metapher für eine Femme fatale | |
| verwendet. Wie passend für unser Abenteuer auf See! | |
| Die Bilder sehen harmonisch aus. Wenn man mit 47 Personen nonstop | |
| aufeinanderhängt, gibt es da nicht automatisch Zoff? | |
| Wenn man alle 8 Stunden für 4 Stunden Wache hat, also keine Nacht mal | |
| richtig durchschläft, dann hat man kaum Zeit, sich zu streiten. Wenn es | |
| Konflikte gab, wurde darüber geredet und nach Lösungen gesucht. Als | |
| wirklich mal zwei Frauen etwas aneinandergeraten sind, wurden sie in zwei | |
| unterschiedliche Wachen gesteckt und haben sich dann kaum noch an Deck | |
| gesehen. Damit war das auch geklärt. | |
| Was war der s chönste Moment auf der Fahrt? | |
| Das waren so viele. Bei Sonnenaufgang oben auf dem Mast stehen. Ein | |
| Minkwal, der uns einen halben Tag lang begleitet hat und immer wieder unter | |
| dem Schiff durchgetaucht ist. Leuchtendes Plankton bei Nacht. An Silvester | |
| herrschte Flaute, da haben wir den einzigen Badestopp auf unserer Reise | |
| gemacht, bei 5.000 Meter Wassertiefe. Ich war leider nicht schwimmen, ich | |
| habe fotografiert. | |
| Wie blicken Sie heute auf die Fahrt zurück? | |
| Ich glaube, für alle war es am Ende eine besondere Reise. Es herrschte eine | |
| Stimmung von gegenseitigem Empowerment. Eine der jüngeren Frauen hat sich | |
| danach entschieden, Bootsbauerin zu werden, eine andere möchte sich zur | |
| Maschinistin ausbilden lassen. Eigentlich sind alle auf dieser Reise über | |
| sich hinausgewachsen, das stärkt und hallt nach. | |
| 7 May 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
| Jens Uthoff | |
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