# taz.de -- Revolutionäre 1.-Mai-Demo in Berlin: Hinterm Lauti die wabernde Me… | |
> Über mangelnden Zulauf kann die Revolutionäre 1.-Mai-Demo nicht klagen – | |
> aber die alten Organisationsformen lösen sich zunehmend auf. | |
Bild: Ein eskalierender Straßenkampf ist in diesem Jahr ein unwahrscheinliches… | |
BERLIN taz | Die Entfremdung von Berlins linker und linksradikaler Szene | |
von ihrem eigentlich größten Event – der Revolutionären 1.-Mai-Demo – hat | |
sich in den vergangenen Jahren verfestigt. Von jenen organisierten Gruppen | |
und Akteuren, die das Jahr über die Kämpfe von Sozial- und Mietenpolitik | |
bis Antifaschismus prägen, war auch dieses Jahr im Vorfeld so gut wie | |
nichts zu hören: keine Werbeposts, keine eigenen Aufrufe, schon gar keine | |
Organisation eigener Demoblocks. | |
Die Zurückhaltung der Szene abseits der kommunistischen Kader- und | |
trotzkistischen Kleinstorganisationen wird man der Demo selbst auch wieder | |
ansehen: Einem mit Transparenten umrahmten, lautstarken ersten Block der | |
organisierenden Gruppen folgt eine wabernde Menge, deren politischer | |
Charakter kaum auszumachen ist: wenig Banner oder Parolen, keine | |
Lautsprecherwagen und Reden. | |
1. Mai, 18 Uhr, das bleibt für die meisten zwar ein Bezugs- und Treffpunkt, | |
die Zahlen von bis zu 20.000 Teilnehmer:innen sprechen dafür – aber | |
gemeinmachen wollen sich viele mit der Demo nicht mehr. Das mag auf ihr | |
Image als inhaltsschwache Krawalldemo zurückgehen, hat aber aber noch mehr | |
mit ihrem Wandel zur inhaltlosen Party-Demo zu tun. Eine Rolle spielt zudem | |
die politische Verengung des Vorbereitungsbündnisses. In diesem wirken | |
hauptsächlich antiimperialistische Gruppen, international zwar, aber ohne | |
Beteiligung aus dem anarchistisch-autonomen oder postautonomen Spektrum. | |
Verstärkend kommt dieses Jahr ein Thema dazu, das schon seit Jahren | |
zumindest brodelte: die Palästina-Frage, die von den | |
Organisator:innen als Auseinandersetzung zwischen Kolonialisierten | |
und Unterdrückern gedeutet wird. Die Lust vieler Berliner | |
Aktivist:innen auf die Demo ist auch daher begrenzt, aus Angst vor | |
Vereinnahmung oder gar Antisemitismus-Vorwürfen. Anders als etwa die | |
Kurden-Frage, die in der Vergangenheit mitunter eine große Rolle auf der | |
Demo spielte, taugt jene des Nahostkonflikts für viele eben nicht für | |
uneingeschränkte, linke Solidarität. | |
## Solidarisierung mit Palästina | |
Die Veranstalter:innen jedenfalls haben sich nicht darum bemüht, das | |
Thema, das so viel Spaltpotenzial wie kein anderes birgt, mit Zurückhaltung | |
zu behandeln. Die Kriegsfrage steht im Vordergrund, das Demo-Plakat zeigt | |
eine Aktivistin auf Panzern mit Kufija, und auch der kurze Aufruf verweist | |
auf Palästina und die „Hetze“ gegen palästina-solidarische Strukturen. F�… | |
viele ist das legitim, aber für viele eben auch zu einseitig. | |
Auch die Demo-Route scheint darauf ausgelegt, vor allem die | |
palästina-politisierte, migrantische Jugend Neuköllns entlang von | |
Karl-Marx-Straße und Sonnenallee einzusammeln. In ihr sehen die | |
Veranstalter:innen von Migrantifa und Co. auch unabhängig der | |
Gaza-Politisierung schon seit Jahren das potenziell revolutionäre Subjekt. | |
Das durchgehipsterte Kreuzberg mit seinen altautonomen Überbleibseln spielt | |
dabei kaum noch eine Rolle. Die Befriedung von Kreuzberg 36 durch das | |
MyFest wirkt nach, obwohl die organisierte [1][Kiez-Party schon wieder | |
ausfällt]. | |
Auch wenn die fast schon traditionell durchgestochene Gefahrenanalyse der | |
Polizei an die B.Z. noch immer eine Gefahr in „gewaltorientierten | |
Linksextremisten des autonomen und postautonomen Spektrums“ sieht, scheint | |
die Palästina-Frage derzeit viel eher für Konflikt geeignet, erst recht | |
nach den [2][Auflösungen von Palästina-Kongress] und -[3][Camp]. Eine | |
politisch hoch sensibilisierte Polizei trifft auf eine Klientel, die – | |
mitunter durch biografische Verknüpfungen – hoch emotionalisiert auf den | |
Gazastreifen guckt. | |
Ein Eingreifen aufgrund von Sprechchören und anschließende Eskalation sind | |
nicht ausgeschlossen. Es ist ein Szenario, das auch die | |
Organisator:innen befürchten. Die „Kooperationsgespräche“ zwischen | |
Anmeldern und Polizei hätten gezeigt, dass „jede Solidaritätsbekundung mit | |
dem palästinensischen Volk als antisemitisch diffamiert“ werde, schreiben | |
sie in einer Mitteilung. Ergo: Man rechnet mit „zahlreichen, willkürlichen, | |
gewalttätigen Übergriffen, Einschüchterungs- und | |
Kriminalisierungsversuchen“. | |
Ein eskalierender Straßenkampf ist dennoch ein unwahrscheinliches Szenario, | |
denn dafür fehlt es schlicht an Militanten. Dieses Potenzial ist schon | |
lange am Schwinden. Zum Lohn darf sich dann die Innensenatorin alljährlich | |
für den [4][„friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten“] rühmen. Für viele | |
Linke stehen inzwischen ohnehin andere Demos im Vordergrund. Die | |
feministische Vorabenddemo verspürt noch eher einen Hauch von Black Block, | |
die Grunewald-Demo steht für die verbindenden Inhalte. Und am Abend rund um | |
den Hermannplatz guckt man eben mal – ohne viel Hoffnung auf Revolution. | |
29 Apr 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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