# taz.de -- Revolutionäre 1. Mai-Demo in Berlin: Rote Fahnen und Kufijas | |
> Mehr als 10.000 Menschen haben an der traditionellen 18-Uhr-Demo | |
> teilgenommen. Propalästinensische und kommunistische Gruppen gaben klar | |
> den Ton an. | |
Bild: Revolutionärer 1. Mai in Berlin: Ein weiteres Jahr ohne großen Krawall | |
BERLIN taz | Die Berliner Revolutionäre 1. Mai-Demo ist am Abend ohne | |
Zwischenfälle zu Ende gegangen. Nach zwei Stunden erreichte der Zug wieder | |
seinen Ausgangspunkt. Mit geschätzt mehr als 10.000 Demonstrant:innen | |
in der Spitze fiel sie kleiner aus als in den vergangenen Jahren. Große | |
linke und linksradikale Gruppen hatten sich erneut herausgehalten. | |
Bestimmendes Thema des Abends war [1][die Solidarität mit Palästina]. | |
Der Startpunkt der Demo lag erstmals am Südstern, Kreuzberg zwar, aber fern | |
vom ursprünglichen Heimatkiez SO36. Angemeldet wurde eine Route durch | |
Neukölln, entlang von Karl-Marx-Straße und Sonnenallee, also auch durch das | |
Zentrum der Berliner Nahost-Proteste der vergangenen Monate. | |
Auf dem Fronttranspi eines geschlossenen ersten Blocks mit überwiegend | |
vermummten Demonstrant:innen prangen die Forderungen: „Konzerne | |
enteignen. Kriegstreiber entwaffnen. Kapitalismus zerschlagen.“ Gegen halb | |
7 setzt sich der Zug in Bewegung, zunächst ohne enges Polizeispalier. | |
Während vorne die roten Fahnen dominieren, folgen Blöcke mit | |
Palästina-Fahnen erst hinter dem Bündnis-Lauti, von dem „Viva, viva | |
Palästina“-Rufe angestimmt werden. | |
Der Zug ist lang: Die letzten Demonstrant:innen am Südstern gehen erst | |
los, als der erste Block schon fast den Hermannplatz erreicht hat. Die | |
Polizei spricht später von 11.000 Teilnehmer:innen, die Veranstalter von | |
25.000 bis 30.000. Diese Angabe ist nach taz-Schätzungen allerdings stark | |
übertrieben. | |
## Banner Drop und Bella Ciao | |
Im Verlauf der Demo werden einmal Bengalos gezündet, mehrfach steigt am | |
Rande Feuerwerk auf. Während auf der Straße Demonstrant:innen Fahnen | |
hochhalten, die die Freilassung des kurdischen PKK-Führers Abdullah Öcalan | |
fordern, wird von einem Dach in der Karl-Marx-Straße ein großes Banner mit | |
seinem Konterfei heruntergelassen. In der Sonnenallee beschallen Anwohner | |
den Zug mit Bella Ciao, alle stimmen ein. | |
Die Palästina-Solidarität ist nicht zu überhören. Keine kommunistische | |
Gruppe kommt ohne entsprechende Slogans aus, überall wird der „Genozid“ | |
angeprangert, immer wieder die „Intifada“ beschworen. Jene Teile, in denen | |
sich die Palästina-Fahnen und Symbole besonders tummeln, werden argwöhnisch | |
von Polizist:innen begleitet, nur sie sind auch behelmt. Trotz | |
vereinzelter beanstandeter Transparente, die auch zweimal zum Stopp der | |
Demo führen, bleibt die Lage ruhig, zu Zusammenstößen kommt es nicht. | |
Andere Themen, wie Mieten- oder Umweltpolitik finden quasi nicht statt. | |
Einzig ein feministischer Block mit etwa 200 schwarz vermummten | |
Teilnehmer:innen setzt einen anderen Schwerpunkt. Nach zwei Stunden | |
erreicht die mittlerweile geschrumpfte Demo, die sich zwischenzeitlich auf | |
etwa einen Kilometer Länge erstreckte, wieder den Südstern. | |
## Im Eiltempo durch die Auflagen | |
Gestartet war das Vorprogramm mit Auftritten mehrerer Rapper:innen | |
bereits anderthalb Stunden vor dem traditionellen Demostart um 18 Uhr. | |
Sollte es die Idee der Veranstalter:innen gewesen sein, mit Auftritten | |
wie von Teuterekordz die „proletarische Jugend“ Neuköllns, oftmals | |
migrantischen Ursprungs, anzusprechen – so ging sie auf. Das Publikum ist | |
divers: Junge Frauen mit Hijab mischen sich mit Bikiniträger:innen, | |
dazwischen verteilen die Kader des Bundes der Kommunist:innen ihre | |
Zeitung „Die Proletin“. Titelthema: der „Völkermord“ an den | |
Palästinenser:innen. | |
Auflagen der Polizei, die vor allem darauf zielten, volksverhetzende | |
Aussagen und positive Bezugnahmen auf verbotene Organisationen zu | |
verbieten, werden von einem Redner unter dem Jubel des Publikums in | |
Rekordtempo verlesen. Eine erzwungene Wiederholung wird von „Ganz Berlin | |
hasst die Polizei“-Sprechchören begleitet. | |
Eine Rednerin der Migrantifa spricht in einer wütend vorgetragenen Rede von | |
der Ausbeutung migrantischer Arbeiter:innen, die „dem Nazi-Opa den Arsch | |
abwischen oder den Spargel ernten“. Gleichzeitig halte man her als | |
„Sündenböcke“, wenn man mal wieder „zu laut auf der Sonnenallee“ war.… | |
Redner des „Kommunistischen Aufbaus“, Sohn eines Flüchtlings aus dem | |
Gaza-Streifen, spricht von der „Leistung“ der RAF und der „Angst des | |
Staates“ vor einem „Zusammenschluss der revolutionären Massen“. | |
## Kein 1. Mai ohne Großaufgebot der Polizei | |
Die Polizei hatte trotz der [2][vergangenen beiden Jahre, die so friedlich | |
wie seit 1987 nicht mehr verliefen], wieder auf ein Großaufgebot von bis zu | |
6.000 Einsatzkräften gesetzt. Angesichts des Nahost-Konflikts [3][hatte sie | |
eine „kribbelnde Grundstimmung“ ausgemacht]. | |
Die Organisator:innen der Demo hatten ihrerseits nach den | |
Kooperationsgesprächen mit der Polizei davon gesprochen, dass „jede | |
Solidaritätsbekundung mit dem palästinensischen Volk als antisemitisch | |
diffamiert“ werde und vor „willkürlichen, gewalttätigen Übergriffen, | |
Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuchen“ gewarnt. | |
Aktualisiert um 21.21 Uhr. | |
1 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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