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# taz.de -- Comeback der K-Gruppen: Ein Heilsversprechen für junge Kader
> In Berlin hat sich eine Revolutionäre Kommunistische Partei gegründet.
> Das Energielevel der rund 200 jungen Menschen beim Parteitag sackte
> schnell ab.
Bild: Sehen so „revolutionäre Kommunisten“ aus? Ein Delegierter auf der Gr…
Berlin taz | Am Stadtrand von Berlin, in einem eher Misstrauen erweckenden
Hinterhof eines Spandauer Gewerbegebiets, zeigt ein verblasstes Schild den
Weg zur „Nostalgie“. Dies ausgerechnet ist der Name des Saals, wo sich an
diesem Samstagmorgen die Revolutionäre Kommunistische Partei (RKP) gründet.
In Grüppchen strömen die sehr jungen Kommunist:innen herbei, über 200
sind laut Parteiangaben erschienen. Im Schnitt dürften sie kaum älter als
20 Jahre sein. Einige haben sich Kufijas um ihren Kopf gebunden, andere
tragen Hammer-und-Sichel-Jutebeutel.
Die Stimmung ist euphorisch. „Willkommen zu diesem historischen Moment, auf
den ihr schon das ganze Jahr gewartet habt“, ruft eine Rednerin vom Podium
unter Applaus. Doch dieses Energielevel sackt schnell ab.
Auf die Begrüßung folgt eine über zweistündige Rede eines Referenten, dem
gefühlt einzigen Mann über 40 im Raum, über die weltpolitischen
[1][Perspektiven des Kommunismus]. Nach jedem Satz der englischen Rede
folgt eine Liveübersetzung – da können sich einige der Revolutionäre ein
Gähnen nicht unterdrücken.
## Die „verdiente Führung“ der „Arbeiterklasse“
Die RKP ist ein Phänomen. Die zahllosen Videos [2][auf ihren
Social-Media-Kanälen] sind ein Ausflug in eine abstruse Parallelwelt. Ein
junger Mann sagt da zum Beispiel in die Kamera, er sei in der RKP, „um der
Arbeiterklasse ihre verdiente Führung zurückzugeben“. Lukas Kutschera,
Sprecher der RKP, sagte der taz, man definiere sich in der Partei als
„revolutionäre Kommunisten“ und „orthodoxe Marxisten“.
Ansonsten steht die RKP in der Tradition des Trotzkismus. Sie ist Teil der
[3][Revolutionary Communist International (RCI)], einer internationalen
trotzkistischen Vereinigung, die bis zum Juni dieses Jahres noch
International Marxist Tendency (IMT) hieß.
Seit Jahren versucht die IMT recht erfolglos, die sozialdemokratischen
Parteien insbesondere in Europa von innen revolutionär zu drehen. Doch seit
Kurzem verfolgt sie eine neue Strategie: den Aufbau von revolutionärer
Kaderparteien. Über 40 nationale Sektionen soll es weltweit geben, viele
davon gründen sich derzeit als Partei neu.
## Teil eines größeren Trends
Dabei ist die Revolutionäre Kommunistische Partei Teil eines größeren
Trends. Autoritäre kommunistische Gruppen haben in den letzten Jahren in
der radikalen Linken Berlins Aufwind erfahren. Auf dem 1. Mai, lange fest
in der Hand der autonomen und antiautoritären Linken, [4][prägen die roten
Schlauchschals inzwischen das Demobild].
In der Palästina-Bewegung sind orthodox ausgerichtete antiimperialistische
Gruppen [5][ebenfalls zentraler Akteur]. Auf vielen Demos werden inzwischen
Zeitungen wie Der Kommunist, das Hausblatt der RKP, verteilt. Zuletzt hatte
auch die stalinistische Kommunistische Organisation (KO) einen
Parteigründungsprozess eingeleitet.
Was treibt junge Linksradikale in eine Partei, deren Theorie und Optik in
der Weimarer Republik stecken geblieben scheint? Bei einer Zigarette vor
dem Parteitag erzählt ein junger Kommunist, wie er sich von der
antiautoritären Linken entfremdet hat. „Die waren mir zu chaotisch“, sagt
er.
Die Rede sei immer vom Kampf gegen den Kapitalismus gewesen – aber es habe
kein Konzept existiert, wie dieser auch wirklich zu überwinden ist. „Die
RKP ist die einzige Partei, die wirklich die Revolution erkämpfen will“,
sagt er. Zum ersten Mal in seinem Leben spüre er: „Sozialismus in unseren
Lebzeiten ist möglich.“
## Ausdruck autoritärer Zeiten
Tobias Helfst vom antiautoritär-kommunistischen [6][“… ums Ganze!“-Bünd…
warnt davor, die RKP als Skurrilität abzutun. „Wir als radikale Linke haben
diese Entwicklung viel zu lange nicht ernst genug genommen“, sagt er.
Helfst sieht in der RKP einen Ausdruck autoritärer Zeiten, die sich auch in
der radikalen Linken niederschlagen.
Viele junge Linke, die zwischen Krieg, Krise und Unsicherheit aufwachsen,
seien auf der Suche nach Halt. „Ich kann verstehen, dass man das findet in
so einer Partei, die mit einer Art Heilsversprechen daherkommt und bei der
man dann auch noch selbst die Avantgarde sein und den Führungsanspruch
übernehmen kann“, sagt Helfst.
Und tatsächlich ist auch die Erzählung, die der Referent auf dem Parteitag
kompliziert entfaltet, eigentlich eine einzige Selbstvergewisserung: Ja,
manchmal wirkt es, als würde alles immer schlimmer – in Wirklichkeit sind
hier aber Kräfte der Geschichte am Werk, die bereits die neue Revolution
vorbereiten.
„Die organische Krise des Kapitalismus schlägt sich auf das Bewusstsein
nieder, insbesondere in der Jugend, die nichts anderes kennt als dieses
System im Niedergang“, sagt Parteisprecher Kutschera. Auch dass viele
Jugendliche AfD wählen, sei eigentlich nur ein Symptom, dass die Leute
„radikale Antworten außerhalb des Systems suchen“.
Wenn man es recht bedenkt, könnten die Zeiten für Kutschera deshalb
eigentlich kaum besser sein. „Wenn wir jetzt die radikalisierte Jugend
organisieren, haben wir eine Chance, was zu reißen“, sagt er.
Derzeit seien in der Partei etwa 300 Kommunist:innen aktiv. Doch in
fünf Jahren, ist er sich sicher, werden es schon Tausende sein. „Stell dir
mal vor, welche Wirkmacht wir da hätten“, sagt Kutschera. Und sieht dabei
für einen Moment wie ein junger Mensch aus, der sich auf die Zukunft freut.
Es ist ein selten gewordener Anblick.
1 Dec 2024
## LINKS
[1] /Erfolgsrezept-fuer-linke-Parteien/!6033226
[2] https://www.instagram.com/rkp_de/
[3] https://marxist.com/manifesto-of-the-revolutionary-communist-international.…
[4] /Revolutionaere-1-Mai-Demo-in-Berlin/!6008168
[5] /Revolutionaere-1-Mai-Demo-in-Berlin/!6004976
[6] https://www.umsganze.org/
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
Kommunismus
Autoritarismus
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Parteitag
Spandau
Radikale Linke
Schwerpunkt Femizide
KPÖ
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
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