Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Orangen und Inflation: H₂O-Saft aus der Mogelpackung
> Orangensaft wird teurer, der Inhalt schlechter. Hersteller versetzen das
> Produkt mit Wasser und Aromen – verkaufen aber zu hohen Preisen.
Bild: Die weltweite Orangenproduktion geht stark zurück
Zunächst fällt es beim Einkauf kaum auf. Nicht beim schnellen Griff ins
Saftregal. Es hört sich oft auch gut an. Der deutsche Fruchtsafthersteller
Eckes-Granini nennt ein Produkt jetzt zum Beispiel „hohes C Juicy Balance
Orange“, vorne auf der Verpackung der Hinweis: „40 % weniger Zucker“. Son…
sieht alles dem Fruchtsaft mit dem Namen „hohes C“ ähnlich, den das
Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Nieder-Olm schon seit 1958
herstellt. Er enthält 100 Prozent Fruchtsaft. Juicy Balance nicht. Es sind
darin nur 59 Prozent enthalten. Der Rest: Wasser mit Aroma und Vitamin C.
Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg beobachtet das Angebot in
deutschen Supermärkten und Discountern genau. Er untersucht, wie Kundinnen
und Kunden getäuscht werden bei Preisen und Qualität. Bei dem Saft handele
es sich um eine besonders „unauffällige Masche“, „Skimpflation“ genann…
Das ist eine Wortschöpfung aus [1][Inflation] und dem englischen „to
skimp“. Knausern heißt das, einsparen. Valet: „Da wird Orangensaft gespart,
mit Wasser verdünnt.“
Zählt nicht, dass weniger Zucker drin ist? Das habe nichts mit einer
besseren Qualität zu tun, so Valet: „Im Gegenteil muss mit Aromen
nachgeholfen werden, damit das Getränk noch nach echtem Fruchtsaft
schmeckt.“ Und: Die Herstellungskosten gingen runter, doch nicht
entsprechend der Preis. Auch Fleisch, passierte Tomaten, Rapsöl oder
Marzipan würden mit günstigen Produkten wie Wasser, Füllstoffen oder Aromen
gestreckt, erklärt Valet. Und eben Saft.
Die Deutschen sind Weltmeister im Safttrinken: 28 Liter Saft und Nektar
trank jede und jeder im vergangenen Jahr, am meisten Orangensaft, dicht
gefolgt von Apfelsaft. Doch Saftliebhaber müssen sich auf Änderungen
einstellen. Die Zeiten sind nicht die besten, [2][die Ware ist knapp].
## Orangenkrankheit breitet sich aus
Beispiel Orangensaft: Rund 80 Prozent des global gehandelten Orangensafts
stammen aus Brasilien. Er wird meist als Konzentrat exportiert, der frisch
gepresste Fruchtsaft wird also bis auf einen kleinen Teil seines
ursprünglichen Volumens eingedickt. Der Transport wird so leichter, erst
beim Safthersteller wird später das entzogene Wasser wieder zugesetzt. Die
Produzenten in Brasilien kämpfen seit Jahren mit einem Bakterium, das eine
Orangenkrankheit auslöst und so ganze Plantagen verwüstet. Citrus Greening
heißt die Krankheit, auch bekannt als Gelber Drache.
Auch in Florida macht sie sich breit. Dort hat der [3][Hurrikan „Ian“] der
Orangenernte im September 2022 dann den Rest gegeben. „Die Plantagen in
Florida werden nicht nachgepflanzt. Sie werden jetzt eher zu lukrativerem
Bauland“, erklärt Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbandes der
deutschen Fruchtsaft-Industrie. Und Orangensaft aus Spanien? „Dort fehlt
Wasser“, sagt Heitlinger. Der Einbruch in der Orangenproduktion habe dazu
geführt, dass sich die Preise für die Rohware innerhalb der vergangenen
drei Jahre verfünffacht hätten. Er liege jetzt für einen Liter bei einem
Euro. Dazu kämen Logistik, Verpackung, Handelsspanne und Mehrwertsteuer. So
habe sich der Endpreis bei 2,49 bis 2,99 Euro pro konventionellem Liter
eingependelt.
Beispiel Apfelsaft: „Jeder zweite Apfelbaum steht in China“, sagt
Heitlinger. Das Land sei der größte Produzent von Apfelsaftkonzentrat,
gefolgt von Polen. Doch China habe die Apfelproduktion gedrosselt, seit der
Volksrepublik durch den verdeckten [4][Handelskrieg mit den USA] dort
Abnehmer fehlten. Zudem führten immer wieder Wetterkapriolen zu miesen
Ernten. Auch in Deutschland fiel die Apfelernte 2023 darum mager aus.
Allerdings wechselten sich schlechte und gute Jahre bei Äpfeln ab.
Heitlinger erwartet in Deutschland 2024 mehr Äpfel. Doch mit der Lage auf
dem Gesamtmarkt sei der Preis für Apfelsaft gestiegen.
Und wie steht es etwa um Johannisbeersaft? Die kleinen Früchte kämen
zumeist aus Polen, sagt Heitlinger, die Produktion sei stabil. Allerdings
seien Johannisbeeren ohnehin teuer. Der Konsum sinkt. Die Deutschen sparten
sich den teuren Saft.
„Sonderangebote, um Säfte anzupreisen, nehmen gerade zu“, sagt Heitlinger.
Langfristig wird es aber kaum billiger werden. Heitlingers Prognose: „Der
Anteil der 100-Prozent-Säfte wird abnehmen.“
Marktführer Eckes-Granini erklärte der taz zum Produkt „hohes C Juicy
Balance Orange“, die Minderung des Zuckergehalts habe „eine besondere
Priorität“. Geachtet werde „auf die vielfältigen Wünsche der
Konsument:innen“. Die höheren Preise begründet das Unternehmen mit den
steigenden Rohstoffpreisen.
Verbraucherschützer Valet rät den Saftfans: „Im puren Saft steckt viel
Zucker. Es ist richtig, ihn mit Wasser zu trinken. Aber lassen Sie sich für
Wasser nicht viel Geld von den Herstellern abknöpfen, verdünnen Sie den
Saft zu Hause einfach selbst. Das kostet Sie praktisch nichts.“ Und:
„Achten Sie auf die Rezepturen.“ Längst würden zum Beispiel auch Mango- u…
Maracujasaft mit Wasser gestreckt oder stecke in Apfelschorlen weniger
Apfelsaft als zuvor.
29 Apr 2024
## LINKS
[1] /Teuerung-und-Energiekrise/!5999083
[2] /Verschaerfung-der-Inflation/!5950794
[3] /Auswirkungen-des-Klimawandels/!5905051
[4] /USA-versus-China/!5953799
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Lebensmittel
Dürre
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Mogelpackung
Inflation
Lieferdienste
taz in der Midlife-Crisis?
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimawandel friert Obstanbau ein: Schlechteste Apfelernte seit 2017
In Deutschland werden 2024 wohl rund ein Viertel weniger Äpfel geerntet.
Frost hat die dank Klimawandel früh blühenden Bäume geschädigt.
Tricks von Lebensmittelproduzenten: Zu viel Luft im Nudelkarton
In manchen Verpackungen ist jetzt weniger drin als früher. In Frankreich
müssen Händler das nun kennzeichnen – Deutschland wartet ab.
Inflation bleibt bei 2,2 Prozent: Teuerungsrate stabil
Wie im März bleibt die Teuerungsrate der Verbraucherpreise unverändert.
Manche Ökonomen sehen jedoch schlechte Aussichten für die weitere
Entwicklung.
Getir und Gorillas verlassen Deutschland: Koof doch einfach selber ein!
Die Lieferdienste Getir und Gorillas stehen vor dem Aus. Ein Abgesang auf
ein sinnloses Geschäftsmodell auf dem Rücken migrantischer Arbeitskräfte.
Konsum in der Lebensmitte: Die Marktmacht der Best Ager
Die ab 45-Jährigen sind kaufkräftig und kauffreudig. Aber als Zielgruppe
von „Menschen in der Lebensmitte“ angesprochen werden, das wollen sie
nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.